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Mischen possible - Trends im Biermarkt / Research & Results 7/09

Entwicklungen und Trends bei Bier-Mix-Getränken
Horst Möbius | 15.08.2012




Trends im Getränkemarkt: Konsolidierung bei Bier-Mix-Getränken
Horst Möbius, h.moebius@ifuma.de / 0221/767001 / www.ifuma.de


Wachstum in Asien, Osteuropa und Südamerika

In den letzten 5 Jahren zeigte sich eine starke Dynamik im Biermarkt: weltweit nahm die Bierproduktion von 2003 bis 2008 um ca. 25 % zu auf heute 1,8 Milliarden Hektoliter.

Betrug das Wachstum zwischen 2003 und 2007 durchschnittlich 4,8 % jährlich, so verlangsamte sich das Wachstum in 2008 allerdings auf nur noch 1,6 % (Barth Bericht Hopfen 2009) – der Rezession geschuldet.

Global gesehen der größte Einzelmarkt ist heute China, mit einem Ausstoß von 410 Millionen Hektoliter. Deutschland , in 2006 noch drittgrößter Bierproduzent der Welt, rutschte auf Platz 5 ab hinter China, USA, Russland und Brasilien.

Wachstum findet sich also in Asien, Osteuropa und Südamerika; die traditionellen Biermärkte Deutschland und USA zeigen jedoch Stagnation oder rückläufige Entwicklung.

Begleitet wird das Wachstum in den „emarging markets“ von einer zunehmenden Konzentration im Brauereibereich. Jüngstes Beispiel ist die spektakuläre Übernahme von Anheuser-Busch in St. Louis durch die belgische InBev Brauerei. Die „kleinere“ InBev Brauerei (Stella Artois, Becks, Staropramen) legte für die Übernahme der größeren Anheuser-Busch Brauerei in St Louis einen Betrag von 52 Milliarden $ hin, um den mit Abstand größten Brauereikonzern der Welt zu formieren. Ziel der Operation war die Erlangung eines besseren Standings in den dynamischen Wachstumsmärkten und eine Verbesserung der Position gegenüber den Konkurrenten SAB Miller, Heineken und Karlsberg.


Stagnation im deutschen Markt

Die drei größten deutschen Braugruppen belegen unter den Top 40 der internationalen Brauereien eher mittlere oder hintere Plätze (Radeberger Platz 21, Oetinger Platz 31, Bitburger Platz 36, Barth Bericht) . Für den Anspruch des „Global Players“ sind sie zu klein, ein nennenswertes Engagement in den großen Wachstumsmärkten zeigen sie nicht.

Sie fokussieren sich auf den deutschen Markt, der beim Pro-Kopf-Verbrauch (2008: 110 Liter) nach Tschechien ( 159 l) und Irland (127 l) den dritten Platz belegt (Ärzte Zeitung .de) und bezüglich der Dichte an Brauereien (ca. 4000) weltweit die Spitzenposition einnimmt.

Gerade die Vielfalt an lokal oder regional bedeutenden Brauereien und die Verankerung von Bier in der Alltagskultur Deutschlands sind ausschlaggebend dafür, dass Deutschland international immer noch als „das“ Bierland angesehen wird.


Bier-Mix-Getränke als Wachstumssegment

Stagnation bedeutet jedoch nicht Stillstand. Trotz fehlenden Mengenwachstums insgesamt finden sich eine Menge an Entwicklungsimpulsen im deutschen Markt, vor allem bedingt durch die Kreativität der Brauereien im Bereich Bier-Mix Getränke.

Bis Ende der 90er Jahre verhielten sich die deutschen Brauer ausgesprochen konservativ. Einerseits hielten sie das Reinheitsgebot hoch, andererseits wurden sie durch das Biersteuergesetz gehindert, Mischgetränke wie Radler, Spezi oder Diesel, wie sie schon lange in der Gastronomie angeboten wurden, als fertig ausgemischte Getränke auf den Markt zu bringen.

Auf dem Hintergrund der neuen EU Richtlinie, die das Angebot von ausgemischten Mix-Getränken erlaubt, fühlten sich die deutschen Brauer seit 1999 ermuntert, dem Beispiel ausländischer Brauereien zu folgen und dem sinkenden Bierabsatz mit dem Angebot von Bier-Mix Getränken gegenzusteuern. Befördernd wirkten auch die Alcopops, die die jüngeren Zielgruppen schon an das Angebot neuer, interessanter Geschmacksrichtungen herangeführt hatten.

Die Ächtung und die höhere Besteuerung der Alcopops in 2006 führten zu einer Verschiebung, das Interesse an innovativen Geschmacksrichtungen im Bereich der Bier-Mix-Getränke stieg nun an.


„Konventionelle“ Bier-Mix-Getränke vs. „innovative“ Bier-Mix-Getränke

Hatten sich die Brauer zunächst damit befasst, traditionelle Bier-Mix-Getränke wie Radler und Cola-Bier-Mischungen anzubieten, nicht zuletzt getrieben durch den sensationellen Erfolg von Mixery aus der saarländischen Carlsberg Brauerei, wurde zunehmend auch der Wunsch junger Konsumenten nach innovativen Geschmacks-richtungen durch neue Bier-Mix-Getränke bedient.

Damit begann die Erfolgsstory der Mix-Getränke von Becks (Gold, Ice, Green Lemon, Chilled Orange) und Veltins V Plus (Cola, Lemon, Apple, Energy). Weitere national bedeutende Anbieter sind Bitburger und Warsteiner, Warsteiner allerdings bis jetzt mit eher mäßigem Erfolg.

Äußerst erfolgreich bewegt sich auch die sehr umtriebige Schöfferhofer Brauerei (Radeberger Gruppe) in diesem Segment, die Bier-Mix-Getränke auf Basis von Weizenbier (Schöfferhofer Grapefruit und Kaktusfeige) anbietet. Darüber hinaus machte sich Schöfferhofer mit Eis Kristall um Innovationen im Weizenbiersegment verdient.

In 2008 erreichte das Segment der Bier-Mix-Getränke 6,5 % Anteil (AC Nielsen) am Gesamtmarkt. Dieser Wert wurde als großer Erfolg empfunden, deutet er doch auf eine gewisse Etablierung des Segments hin. Es zeichnet sich ab, dass Bier-Mix-Geränke eine ähnliche Bedeutung wie Weizenbier erlangen (9 % Marktanteil). Doch ist nicht zu übersehen, dass das Hauptgeschäft bei Bier-Mix-Getränken immer noch mit den konventionellen Produkten Radler und Cola-Bier gemacht wird.


Zielgruppe von Bier-Mix-Getränken: junge Hedonisten

Bier-Mix-Getränke sprechen eher jüngere Zielgruppen an. Diesen Schluss legen zumindest die bisher vorliegenden Umfrage Ergebnisse (Stern Trendprofile Bier 2007, Dialego Online-Studie 2008) nahe. Dialego kam zu dem Ergebnis, dass 79 % der 18-29 Jährigen Bier-Mix-Getränke attraktiv finden, während die Mehrheit der über 50 Jährigen (59 %) nicht für Bier-Mix-Getränke zu begeistern ist.

Es liegt nahe, dass Bier-Mix-Getränke, die in der Regel nur hälftig aus Bier und zur anderen Hälfte aus Saft-Wasser Mischungen bestehen, passionierte Biertrinker weniger ansprechen. Sie sprechen insbesondere junge Konsumenten an, die noch eine starke Affinität zum süßen Geschmack limonadenartiger Getränke haben, insbesondere junge Frauen, denen der Biergeschmack zu herb ist.

Das Segment der limonadenartigen Getränke ist mit zahlreichen Produktein-führungen im Bereich aromatisierter Mineralwässer, Wellness-Getränke und Limonaden (Einführung von Bionade Quitte im Frühjahr 2009, Einführung der Georgia-Linie Coca Cola im Juni 2008, zahlreiche Bionade Nachahmer, wachsendes Segment der Wellness-Getränke) ähnlich in Bewegung wie das Segment der Bier-Mix-Getränke.

Auch dieser Produktbereich erscheint in erster Linie getrieben durch das Angebot innovativer Geschmacksrichtungen auf der einen Seite und das Interesse an neuen Geschmackserlebnissen in der Zielgruppe.

Der bei Bier-Mix-Getränken deutlich geringere Alkoholgehalt von 2-3 % rückt sie eher in die Richtung von Light Bier, das in erster Linie aus Gründen der Vermeidung eines die Fahrtauglichkeit beeinträchtigenden Alkoholpegels getrunken wurde. Insofern bieten sich Bier-Mix-Getränke kaum für Exzesse wie „Flatrade-Saufen“ an, auch sind Bier-Mix-Getränke keine „Alcopops im Schafspelz“.

Gleichwohl sind sie ein Produkt, das Jüngere an Bier heranführt. Auch berichten „User“, dass Bier-Mix-Getränke als besonders „süffig“ und durstlöschend empfunden werden und – hierdurch bedingt – zu hastigem und vermehrtem Verzehr anregen, sodass sich dann eine Alkoholisierung eher beiläufig und unbeabsichtigt einstellt. Auch besteht z.T. der Eindruck, dass der hohe Zuckeranteil die Wirkung des Alkohols verstärkt.


Marketing bei Bier-Mix-Getränken

Bier-Mix-Getränke sind Trendgetränke. Bier-Mix-Getränke werden in der attraktiven und cool wirkenden Long-Neck-Flasche und meist in Form von Sixpacks angeboten. Die hohe Nachfrage nach Sixpacks deutet daraufhin, dass es sich bei ihrem Kauf vielfach um Impulskäufe handelt.

Die Werbewelt der Bier-Mix-Getränke von Becks, Veltins, Bit oder Schöfferhofer ist auf „party people“ ausgerichtet, also auf junge, kommunikative Zielgruppen für die „feiern“ oder das Aufsuchen von Trendlokalen einen hohen Stellenwert hat.

Dementsprechend ist Marketing in Richtung Eventmarketing und Promotion am POS angesagt, die Präsenz bei großen Festivals wie z.B. Haldern Pop, Rock am Ring etc. sowie bei Techno-Events spielt eine erhebliche Rolle bei der Vermarktung dieser Produkte. Die Werbung für sie darf deutlich „lauter“ und „schriller“ daherkommen als die Werbung für die Traditionsbiere. Langweilen ist verboten.

Insofern verfügen alle Anbieter über aufwendig gestaltete Homepages, die auf den juvenilen Lifestyle ausgerichtet sind und in der Art von YouTube oder MySpace angesagte Musikgruppen promoten oder zu Interaktionen wie Chatten und Flirten einladen.

Mit diesem interaktiven Werbestil und der Einführung neuer, interessanter Geschmacksrichtungen versuchen die Hersteller den hohen Ansprüchen an den Auftritt der durchaus hochpreisigen Marken entgegen zu kommen.

Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Präsenz in der Trendgastronomie. Insofern wird seitens der Anbieter um die Platzierung in angesagten Lokalen mit harten Bandagen gekämpft. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Bundeshauptstadt zu, die mit Ihrem gigantischen Angebot an Szenegastronomie in Berlin-Mitte eine ausgezeichnete Plattform für die „Lancierung“ von Trendgetränken bildet. Getränke, die sich hier durchsetzen, werden auch den bundesweiten Durchbruch schaffen. Bionade hat es vorgemacht.


Bier-Mix-Getränke - Quo vadis?

Bezweifelte Michael Beck, Geschäftsführer der Gilde Brauerei AG 2002 noch die Zukunftsfähigkeit von Bier-Mix-Getränken („mit Trendgetränken lässt sich in Deutschland nur schwer Geld verdienen“) so zeichnet sich in 2009 eine Konsolidie-rung des Segments ab.

Dabei wird deutlich, dass sich Getränke mit „eingebautem“ Coolness-Faktor wie Becks Gold, Veltins V Plus Apple oder Schöfferhofer Grapefruit im Markt gut durchsetzen und mehr Potenzial haben als ein „One-year-wonder“. Aktuelles Ziel muss sein, die Akzeptanz des Segments altersmäßig zu verbreitern und Bier-Mix-Getränke aus der Anmutung eines reinen Sommergetränks, also aus der Saisonalität herauszuführen.

Auch erscheint es sinnvoll, gegen das Image als „Mädchen Bier“ anzuarbeiten. Aufgrund des geringen Alkoholgehaltes laufen Bier-Mix-Getränke Gefahr, nicht hinreichend als Bierprodukt gesehen zu werden und zu sehr in die Nähe von Limonade zu rücken.

Auch ist das Thema Zucker und Zuckeraustauschstoff im Auge zu behalten. Manche Bier-Mix-Getränke schmecken schon recht süß und könnten Gefahr laufen, hierfür in die Kritik zu geraten.

Empfehlenswert erscheint es, Kampagnen nicht nur in den Monaten Mai/Juni/Juli zu schalten und die Inhalte der Kampagnen dahingehend zu verändern, dass Bier-Mix-Getränke nicht ausschließlich als Getränk für Beach Partys am Baggerloch gesehen werden.