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Leistung muss sich lohnen? – So ein Unsinn!!

Leistung muss ich lohnen. Stimmt das? Oder ist Leistung als Grundlage der Entlohnung nur eine Mär?
Ulf D. Posé | 14.07.2014
Leistung muss sich lohnen? – So ein Unsinn!!

Schon Aristoteles meinte: „Der redliche Mensch unterscheidet sich vom unredlichen Menschen dadurch, dass der redliche Mensch sagen kann, worüber er spricht.“ Also reden wir einmal Tacheles.
„Leistung muss sich wieder lohnen“, „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“, „Wir sind eine Leistungsgesellschaft!“ Das sind alles Sprichwörter, Aussagen, Formulierungen, die unser Denken vernebeln, den Kern nicht mehr treffen und zu aberwitzigen Vorurteilen und Forderungen führen. Und sie sind in hohem Maße unredlich.
Ich möchte nämlich nicht für meine Leistungen bezahlt werden, ich will nicht gleiches Geld für gleiche Arbeit, und für mich soll sich Leistung überhaupt nicht lohnen!
Wir sind schon lange soweit, unseren Lohn nicht mehr für das beziehen zu wollen, was tatsächlich Grundlage unserer Entlohnung ist; und ich befürchte, es ruiniert unseren Staat, das Volkswohl, die Unternehmen. Es liegt nur an einem einzigen Umstand: wir sind im Sinne des Aristoteles unredlich geworden. Wir wissen nicht mehr, was wichtige Begriffe unserer Gesellschaft bedeuten. Wir haben Gefühle zu bestimmten Begriffen, und diese dominieren dann unser Handeln.
Lassen sie es mich an dem Begriff des Leistungsprinzips deutlich machen. Das Leistungsprinzip kennen wir; es ist eine tragende Säule unserer Wirtschaft. Gleichzeitig ist das Leistungsprinzip der Ruin unserer Wirtschaft. Ich gebe es zu, ich bin ein vehementer Gegner des Leistungsprinzips. Bevor Sie sich jetzt aufregen, lassen Sie es mich erklären.
Das Leistungsprinzip ist eine Entlohnungsmethode, in der der Mitarbeiter nach Maßgabe seiner erbrachten Leistungen honoriert wird. Leistung ist entweder das Maß der Erfüllung von Zielvorgaben oder die Menge der Arbeit in Zeiteinheit. Soweit so klar!
Prüfen wir, ob das die Grundlage unserer Entlohnung darstellt. Wofür bekommen wir eigentlich unseren Lohn, unser Gehalt, unsere Tantiemen? Früher war das ganz einfach: wer arbeiten wollte, bot seine Arbeit auf dem Arbeitsmarkt an. So bekam Arbeit im Verhältnis zu den anderen Anbietern einen Marktwert. Dann gab es Unternehmer, die diese Arbeit auf dem Arbeitsmarkt einkauften. Sie taten dies, weil sie sich einen Nutzen von dieser Arbeit versprachen. So bekam Arbeit einen Nutzwert. Stieg der Nutzen an, dann bekam der Arbeiter mehr Lohn, er wollte am gestiegenen Nutzen beteiligt werden. Sank der Nutzen, dann wollte der Unternehmer diese Arbeit nicht mehr haben, er entließ den Mitarbeiter. Das Entlohnungsprinzip war das Marktwert- Nutzwertprinzip. Auch heute noch ist der vom Unternehmer erwartete Nutzen die entscheidende Größe bei der Kalkulation des Gehaltes!
Wie kommt jedoch das Leistungsprinzip in unsere Köpfe? Nun, es gab einen Menschen, der fand dieses Marktwert- Nutzwertprinzip unmenschlich. Er war der Ansicht, dass man menschliche Arbeit entwürdigen würde, wenn diese ihren Wert nur durch den Vergleich mit anderer Arbeit und durch den Nutzen ihren Wert erhielt. Der Würde nach ist jede Arbeit gleich. Er war der Ansicht, dass menschliche Arbeit nicht wie eine Ware behandelt werden dürfe. Außerdem fand er diese Entlohnungsart ungerecht, da nicht die tatsächliche Anstrengung, der Einsatz, die Leistung des Mitarbeiters belohnt würde, sondern Die Arbeit des Mitarbeiters, die erst im Vergleich zu anderer Arbeit ihren Wert erhielt, und nicht aus sich selbst heraus ihren Wert bekam.
Und so schaute dieser Mann sich um und wurde in den preußischen Schulen fündig. Dort nämlich wurden Schüler nicht nach ihrem Nutzen benotet, sondern nach ihren Leistungen. Es sollte bei der Benotung keine Rolle spielen, ob der Vater des Schülers ein wichtiger Mann war, der vielleicht als Metzger dem Herrn Lehrer eine halbe Schweinehälfte schenkte.
Dieses Leistungsprinzip übertrug also dieser Mann damals postularisch auf die Wirtschaft.. Der Entdecker des Leistungsprinzips war übrigens Karl Marx!
Nach dem zweiten Weltkrieg haben die Besatzungsmächte verhindert, dass auch der westliche Teils Deutschlands sozialistisch organisiert wurde. Gleichwohl spielte damals die Einführung des Leistungsprinzips eine wichtige Rolle. Der Begriff wurde zum Synonym für den gigantischen Wirtschaftsaufschwung in der Nachkriegszeit.
Erzähle ich Unternehmern diese Geschichte, dann wollen sie zumeist ihr Leistungsprinzip retten. Drei Gegenargumente höre ich immer wieder. Gern möchte ich diese Gegenargumente beleuchten..
1. „Wenn ich Leistungsprinzip sage, dann meine ich ja das Marktwert- Nutzwertprinzip.“
Diese Argumentation ist unzulässig, vor allem deshalb, weil die Definition des Leistungsprinzips akzeptiert wird. Bitte bedenken Sie in diesem Zusammenhang, dass das Leistungsprinzip eine idealtypische sozialistische Entlohnungsmethode darstellt, in der der Markt und der Nutzen überhaupt nicht vorkommen!
Die Argumentation ist zusätzlich unehrlich, denn wer einen Begriff anders verwendet als gemeint, ist unehrlich. Schon Konfuzius sagte: Verliert eine Gesellschaft ihre wichtigen Begriffe, dann verliert sie ihre Freiheit! Wir sind intensiv dabei, unsere Freiheit zu verlieren.
Leistung und Nutzen haben äußerst wenig miteinander zu tun. Es gibt Menschen, die nutzen ihrem Chef ausschließlich dadurch, dass sie nichts leisten! Denken Sie nur an das Peter-Prinzip (der Mensch steigt solange auf, bis er die Stufe seiner Unfähigkeit erreicht hat.) . In der Werbung erleben wir nicht selten, dass Kreative sehr oft wenig leisten, jedoch enormen Nutzen stiften.
Große, hohe Leistungen werden schlechter bezahlt als geringe Leistungen. Nach dem Leistungsprinzip müsste ein Hilfsarbeiter, der seine Sollvorgabe um 130 Prozent erfüllt mehr Lohn bekommen als der Abteilungsleiter oder Geschäftsführer, der sein eigenes Plansoll nur um 100 Prozent erfüllt.
2. „Wenn die Arbeit vergleichbar ist, dann gilt das Leistungsprinzip“
Selbst im Akkord oder im Außendienst wird ein Mitarbeiter nicht nach dem Leistungsprinzip bezahlt. Wenn ein Arbeiter zum Beispiel 10 Glühbirnen in einer Stunde herstellt, dann kann der Unternehmer ihm nur so viel Geld geben, wie der Markt dafür hergibt. Sinken die Preise für Glühbirnen, dann muss entweder der Arbeiter mehr Glühbirnen in einer Stunde herstellen, damit er noch Anspruch auf seinen alten Lohn hat, oder er bekommt weniger Geld. Dabei hat er mehr geleistet!
Wer von Leistungslohn spricht, spricht von einer Mystifikation, denn das Wort „Leistungslohn“ verschleiert den wahren Grund für das Gehalt: den Nutzen! Es ist völlig gleichgültig, ob ein Außendienstler 50 Kunden besucht hat, er muss Vertragsabschlüsse abliefern. In der Versicherungsbranche zum Beispiel ist eine Lebensversicherung mehr Wert als eine Hausratversicherung. Es spielt keine Rolle, wie viel Leistung in dem jeweiligen Vertragsabschluss steckt. Die Provision richtet sich ausschließlich nach dem Nutzen der abgeschlossenen Versicherung.
3. „Das Leistungsprinzip ist der Garant für den sozialen Frieden.“
Wie soll man einem Arbeiter klar machen, dass er weniger leistet als ein Angestellter? Wie wollen sie einem Hochofenarbeiter, klar machen, dass er weniger leistet als ein Boris Becker? Ich denke, das können wir ihm nicht klar machen. Der Hochofenarbeiter leistet viel mehr als Boris Becker!! Aber wer ist schon daran interessiert Tribünen um solch einen Hochofen aufzubauen, Fernsehkameras dort zu installieren, und das Ganze im ersten Programm zu besten Sendezeit zu übertragen? Wir haben mehr Spaß daran, Boris Becker zuzuschauen. Die Tickets für den Tribünenplatz am Hochofen werden sich wahrscheinlich sehr schlecht verkaufen lassen.
Erkläre ich das Nutzenprinzip, dann ist es für den Arbeiter wahrscheinlich leicht einzusehen, dass er etwa 70 Prozent des Nutzens, den er stiftet auch an mittelbarere oder unmittelbarere Entlohnung zurück bekommt, während ein Angestellter oder Geschäftsführer wahrscheinlich maximal 30 Prozent des Nutzens den er stiftet, auf seinem Konto als Gehalt wiederfindet.
Nehmen Sie den Streit um die Lohnanpassung der Gehälter im Osten Deutschlands. Dort wird sicher nicht weniger geleistet als im Westen. Nur waren die Unternehmer dort gezwungen Löhne zu zahlen, die sie mit den Arbeitsergebnissen im Markt nicht erwirtschaften konnten.
Das Leistungsprinzip sichert nicht den sozialen Frieden, es gefährdet den sozialen Frieden! Mittlerweile sind wir schon so dumm, dass wir als Krönung des Leistungsprinzips auf die verrückte Idee gekommen sind, Lohn dafür zu verlangen, dass wir in einem Unternehmen nur anwesend sind. Wir wollen unsere Arbeitszeit, nicht den Nutzen bezahlt haben.
Halten wir es zum Schluss vielleicht mit Bernhard Shaw, der einmal sagte: Menschen sind nur bereit für eine Sache zu sterben, die ihnen zureichend unklar ist. Einen schönen Tag noch!