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Verhaltenstraining hat ausgedient!

Handlungstraining - der Königsweg in der
Personalentwicklung?
Dressurleistungen sollten im Training ausgedient haben.
Ulf D. Posé | 14.07.2014
Verhaltenstraining hat ausgedient! - Handlungstraining - der „Königsweg“ in der Personalentwicklung?

Hermann Kreuz hat verschlafen. Er springt erschreckt aus dem Bett, rast ins Bad, huscht unter die Dusche. Es muss jetzt schnell gehen. Kaum abgetrocknet, will er seine Zähne putzen. Er greift zur Zahnbürste, will die Zahnpastatube aufschrauben, da sieht er... da hat schon wieder jemand in der Mitte gedrückt. Wie oft hatte er in diesem verdammten Haushalt schon gesagt, die Tube soll von unten nach oben aufgerollt werde. Hermann flippt aus. Er motzt, mault, brüllt seine Tochter an, als diese durch das Gemecker wach wird und verschlafen auf den Flur schaut. Hermann schmeißt die Badezimmertür zu, die Scheibe darin fliegt heraus, und mit einem „Das habt Ihr jetzt davon“, rast er ins Schlafzimmer, zieht sich an und fährt ins Büro. Dort angekommen überfallen ihn Schuldgefühle. Er hatte sich nicht sehr gut im Griff. Als seine Frau seine Entschuldigung am Telefon nicht entgegen nehmen will, spricht er mit dem Firmentrainer und bittet um eine Konflikttraining. Das wird ihm auch gewährt. Er übt „Ich“-Botschaften, geht mit 5 - 10 in der Mitte gedrückten Zahnpastatuben sehr geschickt um. Er fühlt sich stärker, hat eine Menge an vernünftigen Formulierungen drauf, wendet diese auch anschließend konsequent Zuhause an. Aber nichts passiert. Es geht alles gut, bis zum dem Tag, an dem Hermann wieder verschläft, ins Bad rast, die vermaledeite Zahnpastatube packt und zwischen den Zahnen zischt: „Es regt mich gar nicht auf, es regt mich gar nicht auf.“ Und dann brüllt er wieder los.
Was kann man daraus lernen? Nun, wenn mir jemand auf die Hühneraugen tritt, dann nutzt es wenig, Tabletten gegen den Schmerz einzunehmen. Es hilft auch kaum, darum zu bitten, dass der andere wieder von meinem Fuß herunter tritt. Beim nächsten Mal tut es ja wieder weh. Nein, der andere muss vom Fuß herunter und anschließend muss das Hühnerauge bearbeitet werden, denn nur wenn dieses verschwindet kann ich schmerzfreier mit dem Moment umgehen, in dem mir jemand auf die Füße tritt. Und genau das bewerkstelligt Handlungstraining im Unterschied zum reinen Verhaltenstraining.
Verhaltenstraining zeigt auf, wie man mit Momenten umgeht, in denen mir jemand auf die Zehen tritt. Handlungstraining beseitigt Hühneraugen. Handlungstraining macht Verhaltenstraining sicher nicht überflüssig, aber es hilft, den rechten Stellenwert für das Training des Verhaltens zu finden. Wer reines Verhaltenstraining durchführt, vollbringt allenfalls Dressurleistungen. Und dazu gehört schon ein ziemlich verqueres Menschenbild, um „Mitarbeiter auf Vordermann zu bringen“ oder: „denen endlich mal beizubügeln, wie man einen Kunden ordentlich behandelt“.

Was ist Handlungstraining?
Handlungstraining ist ein Trainingsansatz, der weggeht von einer Trainingsphilosophie, die Menschen vorgaukelt, man könne Menschen durchschauen, mit einem bestimmten Verhalten zu einer ganz bestimmten Reaktion zwingen und somit auf besonders leichte Art manipulieren.
Handlungstraining ist eine Trainingsdidaktik, die die Mängel des klassischen Verhaltenstrainings beseitigt will. Der Begriff Handlungstraining wird ebenfalls verwendet für das interkulturelle Handlungstraining und das polizeiliche Handlungstraining.
Verhaltenstraining berücksichtigt ausschließlich das Verhalten eines Menschen. Man beschäftigt sich überwiegend mit dem Lernen und Anwenden von rhetorischen Mitteln und Methoden. Es handelt sich um ein klassisches Reiz-Reaktionsmuster.
Nach Prof. Lay´s und meiner Ansicht ist das Problem des Verhaltenstraining die Funktionalisierung der Beteiligten. Dagegen setzen die beiden das Handlungstraining. Im Handlungstraining geht es um die performante Handlungskompetenz. Diese lässt sich mit den Classics des Verhaltenstrainings nicht erreichen.
Vor mehr als 25 Jahren habe ich mit meinem Mentor und Lehrer Prof. Dr. Rupert Lay lange darüber gesprochen, warum manche Seminare im Ergebnis letztendlich misserfolgreich sind. Wir kamen nach unserer Analyse auf das Handlungstraining. Diesem fühlen wir uns seitdem verpflichtet. Für uns hat das Verhalten seine Ursache in der Art der Persönlichkeit. Es ändert sich nachhaltig als überzeugendes Handeln erst, wenn sich der Mensch, seine Motive und seine Werte weiterentwickelt oder vielleicht auch rändert. ändern. Dadurch verändern sich Einstellungen. Diese Veränderung führt zu einer glaubwürdigen und anhaltenden Verhaltensentwicklung. Wer nur das Verhalten von Menschen trainiert, führt Dressurleistungen durch. Daher verzichte ich bewusst auf herkömmliches Verhaltenstraining.
Das Versagen von Verhaltenstrainings ist damit in folgenden Umständen begründet:
• in der Dressurleistung (Der Trainer gibt vor, besser zu wissen, als die Teilnehmer, was richtig und falsch ist).
• in dem Verlust an Authentizität (das neu erworbene Verhalten passt nicht zum Teilnehmer, wirkt aufgesetzt).
• in der die Rückfallquote, die hoch ist (Der Teilnehmer fällt recht schnell wieder in alte Verhaltenweisen zurück).

Wie sieht nun das Handlungstraining konkret aus?
Nun, die Basis ist: Handlungstraining berücksichtigt das Zusammenspiel von vier Bereichen:
1. Die Person.
Jeder Mensch ist nicht nur ein Individuum, sondern auch eine Person mit Sozialkontakt zu anderen Menschen, ein Wesen mit besonderen Grenzen, die selbst gewählt sind oder unabdingbar schicksalhaft (z.B. Mann oder Frau sein). Es handelt sich um einen Menschen mit einem besonderen Werdegang, einer individuellen Geschichte. Diese Merkmale machen einen Menschen zu einer unverwechselbaren Person. Das Individuelle des Menschen, seine Einmaligkeit und Einzigartigkeit werden im Handlungstraining immer berücksichtigt. So wird immer die Individualität und Einmaligkeit einer Beziehung eine Rolle spielen. Es ist bekannt und es wird immer berücksichtigt, dass eine konkrete Situation auf eine andere nicht übertragbar ist.
2. Die Tat
Jeder Mensch zeigt in seinen Taten sein Verhalten. Dieses Verhalten wird durch die Person beeinflusst. Jeder Mensch tut seine Dinge auf eine ganz spezielle, unverwechselbare Art. Hier findet im Handlungstraining die Überlegung statt, welche Mittel. Methoden und Vorgehensweisen eher ungeeignet sind. Das Besondere ist hier, dass nicht ständig Regieanweisungen gegeben werden, sondern, dass im Einzelnen geprüft wird, welche Verhaltensweisen im Überzeugungsprozess für die konkrete Person eher schädlich oder nützlich sind.
3. Die Motive
Hinter diesem Verhalten steckt der dritte Bereich, die Beweggründe des Einzelnen. Ich gehe ja nicht nur arbeiten, um zu arbeiten, sondern auch um zu leben etc. Hier stecken also die Beweggründe eines Menschen. Hier findet er eine erste Antwort auf das „WARUM?“ seiner Taten.
4. Die basic beliefs
Der vierte Bereich ist der Bereich der Werte, der Grundüberzeugungen. Hier sind die Orientierungen eines Menschen Zuhause. Hier sitzen die Werte, die ein Mensch in seinem Leben realisieren möchte.
Hierher gehören die unaufgebbaren Überzeugungen eines Menschen. Wer als höchsten Wert die Geborgenheit schätzt oder die Sicherheit, wird kaum etwas tun, das gegen diese Werte verstößt.
Im Bild sieht das so aus:



Person Tat Motiv Werte



Verhaltens-
training




Handlungs-
training



Handlungstraining umfasst diese vier Bereiche, Verhaltenstraining nur einen Bereich.
Wenn nun ein Mensch etwas tut, das ihm schadet, und ein Trainer zeigt ihm, wie dieser Mensch sein gewünschtes Ergebnis viel leichter erreichen kann, dann geschieht häufig das, was so viele Menschen am Training bemängeln: der Trainingserfolg nutzt sich blitzschnell wieder ab.
Klar, wenn man nur die Taten eines Menschen ändert, nicht jedoch seine Einstellungen, dann greift die Verhaltensänderung zu kurz. Alle ducken sich, sagen: “Der Chef war auf dem Seminar. Warten wir drei Wochen, dann ist er wieder der Alte.“
Entwickelt sich jedoch das Wertesystem eines Menschen, arbeitet jemand konsequent an seiner Entwicklung als Person, werden Motive kritisch reflektiert und entwickelt, dann verändert sich automatisch das Verhalten. Da ist dann kaum noch eine Korrektur notwendig. Und diese Korrektur paßt dann zur Person, zum Motiv und zum Wertesystem. Und damit ist eine solche Entwicklung konsequent dynamisch.

Es gibt noch einen zweiten Unterschied zwischen Handlungstraining und Verhaltenstraining. Das Verhalten eines Menschen folgt weitgehend vorgegebenen Regeln, und ist damit fremdgesteuert. Und so wehren sich auch viele Menschen gegen Misserfolge mit einem: “Was kann ich dafür? Ich sollte es doch so machen. Hat mir mein Chef aber so gesagt“ oder so ähnlich. Handeln fordert dagegen Selbstverantwortung des Einzelnen. Er kann sich nicht mehr hinter Vorgaben anderer verstecken. Den Taten liegt eine verantwortete Entscheidung zugrunde. Und diese Entscheidung fordert den ganzen Menschen ein. Jetzt kann er sich nicht mehr verstecken.

Handlungstraining fordert einen neuen Trainertyp.
Der alte Trainer hat damit ausgedient. Die Guru-Mentalität: „Frage mich nur, ich weiß genau wie es geht“, funktioniert nicht mehr. Der Trainer ist mehr ein Coach, der den Teilnehmern hilft, eigene Wege zu gehen. Allenfalls fehlerdiagnostisch wird ermittelt, welche Verhaltensweisen schädlich sind. Die Suche nach Verhaltensweisen, die nützlich sind, orientieren sich an den Grundeinstellungen eines Menschen, gegebenenfalls sogar an einer Neuorientierung.
Zum Beispiel macht es wenig Sinn, den kooperativen Führungsstil als Allheilmittel zu verkünden. Selbst der autoritärste Chef hält sich für kooperativ, die anderen machen ja nur nicht mit, wie er genau weiß. Und zum zweiten ist solch eine Verhaltensdressur zum kooperativen Führungsstil unsinnig, weil es durchaus Führungssituationen gibt, in denen dieser Führungsstil schadet.
So wird also der neue Trainer weniger Guru als vielmehr Geburtshelfer sein. Er hilft den Teilnehmer eigene Weg zu gehen, nicht die Wege des Trainers. Er hilft ihnen selbstverantwortet Wege zu finden, mit einem Minimum an Aufwand gestellte Aufgaben optimal zu bewältigen und gleichzeitig ein System in einem Unternehmen aufzubauen, in dem Menschen menschlich miteinander umgehen und nicht dressiert. Diese Art von Trainertyp und diese Trainingsart haben für Unternehmen noch einen weiteren, vielleicht sogar den entscheidenden Vorteil: Da der Trainer den Guru-Status verliert, und nicht mehr pausenlos seine Weisheiten durchpaukt und die Teilnehmer dressiert, sind Entwicklungen im Verhalten des Einzelnen viel stabiler. Der Teilnehmer wird weniger „rückfällig“. Und damit wird der Trainer jetzt tatsächlich nach kurzer Zeit überflüssig.
Ich bin davon überzeugt, dass durch eine Reflektion und Entwicklung des Wertesystems, einer konsequenten Entwicklung der Persönlichkeit, kritische Reflektion der Motive sich eine fast automatische Verhaltensentwicklung ergibt. Korrekturen sind an der Person, und nicht nur am Verhalten orientiert und damit stimmig und glaubwürdig. Diese Korrektur passt zur Person, zum Motiv und zum Wertesystem. Damit ist eine solche Entwicklung konsequent dynamisch. Der Mensch bleibt in seinem Handeln authentisch.

Ulf Posé