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Internet der Services

Das Internet der Services kann seine Potentiale nur dann ausschöpfen, wenn es gelingt, Anwendungsszenarien der Kunden zu bedienen.
Dirk Zimmermann | 10.04.2017
Entwicklungen

Die konzeptionelle und technische Grundlage des Internet der Dienste oder Internet of Services (IoS) besteht in der Erkenntnis, daß viele Prozesse und Abläufe im privaten und geschäftlichen Bereich auf einzelne Teilschritte herunter gebrochen werden können, die ihrerseits in ähnlicher Weise in vielen Prozesses und Abläufen auftreten.

Wenn es gelingt, diese Teilschritte so als Services zu beschreiben, daß sie elektronisch gefunden und in Anspruch genommen werden können, läßt sich ein komplexer Prozess durch eine Sequenz oder Kombination solcher Services betrachten. Das ist insbesondere in den Bereichen interessant, in denen ein Prozess aus Sicht einzelner Konsumenten relativ selten auftritt, sodaß es sich nicht lohnt, die dafür benötigten Ressourcen selbst anzuschaffen.

Dem Begriff des Dienstes oder Services kommt im „IoS-Paradigma“ eine technische und eine ökonomische Bedeutung zu.

Webservices

Im technischen Sinne beschreibt ein Dienst (Webservice) eine abgeschlossene Softwarefunktionalität, die über eine offene Schnittstelle und entsprechende Datenkommunikation angesprochen und genutzt werden kann. Software as a Service (SaaS) ist ein artverwandter Ansatz, bei dem eine komplexe Software entweder vollends durch Serviceaufrufe abgebildet oder durch solche erweitert wird.

Die Themen Suche, Kommunikation und Beschreibung der Schnittstelle werden technisch bspw. über die WS*-Spezifikationen adressiert. Die Vorteile von Diensten in der Softwareentwicklung sind vor allem:

1. Einfache Erstellung - Ein neuer Prozess kann einfach durch Verschaltung von Diensten erbracht werden.
2. Wiederverwendbarkeit - Gleiche Dienste können ohne Neuentwicklung in viele Anwendungen integriert werden,
3. Black Box - Der Entwickler braucht das Innenleben des Dienstes nicht zu kennen. Er muß nur wissen, wie man ihn nutzt.
4. Wartbarkeit und Kapselung - Dienste sind unabhängig änderbar und gegeneinander austauschbar.
5. Spezialisierung und Lastmanagement - Dienste werden zentral gehostet und können effizienter bereitgestellt werden.

Dienstleistungen

Im ökonomischen Sinne bezeichnen Dienste Dienstleistungen und sie sind wie Güter handelbar. Sie zeichnen sich jedoch in Abgrenzung von Gütern dadurch aus, daß die Bereitstellung einer Dienstleistung mit der Inanspruchnahme zeitliche und/oder räumlich synchronisiert sein muß,

Die Folge ist, daß Dienstleistungen nicht gespeichert werden können und die für sie nötigen Ressourcen somit schwerer zu planen sind. So kann ein Dienstleister seinen Ressourcenbedarf nicht am durchschnittlichen Bedarf orientieren, sondern muß zeitbezogene Spitzen berücksichtigen was die durchschnittliche Kapazitätsauslastung verringert und somit Kosten verursacht.

Dienstleistungen spielen jedoch überall, insbesondere auch in der innerbetrieblichen Leistungserstellung eine zentrale Rolle. Jeder Geschäftsprozeß beruht auf einer Aneinanderschaltung von Dienstleistungen und viele Dienstleistungen werden in ähnlicher Form in vielen Geschäftsprozessen benötigt. Da Dienstleistungen heute meist mindestens durch Informationssysteme unterstützt, teilweise aber auch vollständig durch solche erbracht werden, existieren auch hier Schnittstellen.

Internet of Services (IoS)

Werden Services nach außen kommerziell angeboten, entsteht ein neuer Markt für standardisierte, elektronisch nutzbare Dienstleistungen. Dazu ist eine technische Beschreibung jedoch nicht mehr hinreichend. Es kommen operationale (Dienstleister, Art der Dienstleistung), ökonomische (Kosten, Abrechnung, Konditionen,...), rechtliche (Vertrag, AGB, Datenschutz,...) Elemente ins Spiel, die ebenfalls in einer standardisierten Beschreibung erfaßbar sein müssen.

Ein funktionierendes Internet der Services (IoS) bietet ein enormes Potential, denn prinzipiell ist die Leistungserstellung service-orientiert. So könnten Lösungen auf Kundenwunsch mit externen oder Drittanwendungen mit unseren Daten versorgt respektive angereichert werden. Das Back-End könnte ebenfalls als unabhängiger Service nach außen zur Verfügung gestellt bzw. diese Komponente durch die eines Dritten ersetzt werden. Die Benutzerschnittstellen könnten flexibel in viele andere Anwendungen integriert werden. Damit wird eine Vielzahl neuer Geo-Lösungen machbar, die auf andere Daten zugreifen, bestehende Daten neu interpretieren und anders verknüpfen oder eine neue Darstellung anbieten.


Potentiale

Das Internet der Services (IoS) kann seine Potentiale nur dann ausschöpfen, wenn es gelingt, die Möglichkeiten der Wiederverwendung von Daten, Informationen und Diensten in immer wieder verschiedenen Anwendungsszenarien zu nutzen.

In der Softwaretechnik spricht man in diesem Zusammenhang von „agiler Softwareentwicklung“. Dahinter verbirgt sich die Idee, aus einer Sammlung von Softwarebausteinen automatisch die auszuwählen und anzuordnen, die für die Erledigung eines bestimmten Arbeitsprozesses benötigt werden.

Statt für jeden neuen Anwendungsfall eine neue Software zu entwickeln oder eine bestehende Software zu erweitern, werden in diesem Modell nur noch Ketten bereits bestehender Software konfiguriert, unter Umständen sogar für nur eine einzige Nutzung.

Um diese Vision umzusetzen, werden Anwendungen benötigt, die es dem Nutzer erlauben, seinen Bedarf mitzuteilen und die daraufhin die zur Deckung dieses Bedarfs benötigten Datenquellen und Dienste so miteinander verknüpfen, daß dieser Bedarf gedeckt werden kann.

Im Internet der Services (IoS) sind solche vermittelnden Anwendungen die „konstanten“ Anlaufpunkte für den Nutzer, der damit einen Assistenten bereitgestellt bekommt, der ihm die mühevolle Aufgabe, wesentliche Daten und geeignete Dienste für die Unterstützung seiner Arbeit suchen zu müssen, abnimmt. Solche Anwendungen werden deshalb auch als „Plattformen“ bezeichnet.

Der Umstand, daß selbst grundverschiedene Anwendungen im Internet der Services sich auf bestimmten technischen Ebenen stark ähneln können, legt die Idee nahe, viele verschiedene potentielle Anwendungen auf einer einzigen Plattform ablaufen zu lassen. Statt einen genau umrissenen Anwendungskontext zu unterstützen, könnten solche Plattformen den Zugriff auf eine Vielzahl von Diensten erlauben, aus denen der Nutzer sich, wie auf einem Marktplatz, die „Diensteketten“ zusammenstellt, die er gerade benötigt.

Das hier angedeutete Marktplatzmodell erlaubt es dem Betreiber solcher Marktplätze, die Entwicklung einzelner, unter Umständen hochspezialisierter, Dienste auch an entsprechend spezialisierte kleine Unternehmen zu beauftragen, für eine Kombination solcher Dienste gegenüber dem Nutzer aber als alleiniger Vertragspartner aufzutreten und ggf. auch Gewährleistungszusagen zu machen.

Während kleine Entwicklungsfirmen so Zugang zu Märkten bekommen können, die ihnen bisher verschlossen sind, erhalten große IT-Unternehmen die Möglichkeit, sich noch mehr als bisher auf Beratungs- und Vermittlungsleistungen zu konzentrieren.

Ausgerichtet auf bestimmte Branchen oder Fachdomänen können solche Marktplätze die Bildung ganzer „Dienste-Ökosysteme“ aus spezialisierten Anwender- und Entwicklungsunternehmen nach sich ziehen, die zu einer spürbaren Verbesserung der Qualität von Fachanwendungen führen können.


Anwendungen

In Unmengen von Daten die zu einem bestimmten Zeitpunkt benötigten Informationen suchen zu müssen, ist ineffizient. In der Praxis ist kaum ein Anwender überhaupt daran interessiert, irgendwelche Informationen zu suchen, sondern daran, einen bestimmten Arbeitsprozeß zu erledigen. Solche Arbeitsprozesse können sehr verschieden sein, etwa:

- das Erstellen einer wissenschaftlichen Arbeit,
- das Erstellen einer medizinischen Diagnose,
- die Planung und Buchung einer Fernreise,
- die Abwicklung eines Schadensfalls etc.

Für jeden solchen Arbeitsprozeß lassen sich wichtige Informationen im Internet finden. Im Internet der Services (IoS) ist aber nicht die Unterstützung bei der Suche nach diesen Informationen vorrangig, sondern die Unterstützung bei der Erledigung des Arbeitsprozesses.

Wissenschaftsrecherche:

Ein Dienst, der einen Redakteur in einer Fernsehanstalt bei der Materialauswahl für einen Beitrag unterstützt, könnte alle verfügbaren Filmsequenzen zu einem bestimmten Thema ermitteln und dabei noch vor der Sichtung durch den Redakteur die jeweils auftretenden Personen, deren Redebeiträge und die Qualität des Filmmaterials hinsichtlich der Sendefähigkeit aufführen. Ein solcher Dienst könnte auch bereits im Rechercheprozeß überprüfen, ob die Senderechte vorliegen, um ggf. Ersatzmaterial vorzuschlagen oder das Einholen der Rechte zu initiieren.

Medizindiagnose:

Ein Dienst der bei der Erstellung einer medizinischen Diagnose unterstützt, könnte einen Patientenbefund mit anderen Befunden in einer Datenbank vergleichen und dem Arzt ähnliche Befunde samt der von Kollegen erstellten Diagnosen und durchgeführten Behandlungenbereitstellen, was vor allem bei seltenen Befunden hilfreich sein kann. Ein solcher Dienst sollte dann auch neue Befunde, Diagnosen und Behandlungenerfassen und anonymisiert in der Datenbankablegen.

Reiseplanung

Ein Dienst, der bei der Planung und Buchung einer Fernreise unterstützt, könnte auf Grund des Zwecks der Reise und der Vorlieben der Reisenden die besten Verkehrsverbindungen, Übernachtungsmöglichkeiten etc. ermitteln, die notwendigen Buchungen vornehmen, ggf. sinnvolle Reiseversicherungen und Impfungen vorschlagen und eine Checkliste für die Reisevorbereitungen erstellen und überwachen.

Schadensregulierung:

Ein Dienst, der bei der Abwicklung eines Schadensfalls unterstützt, könnte den geschädigten Versicherten bei der Meldung des Schadensfalls unterstützen, der Versicherung Vorschläge für den günstigsten Dienstleister zur Beseitigung des Schadens unterbreiten und die Schadensabwicklung dokumentieren.

Gemeinsam ist all diesen exemplarischen Diensten, daß sie zwar Gebrauch von Daten im Internet und in lokalen Intranets machen, den Nutzer aber vom zeitintensiven Vorgang der Informationssuche entlasten und statt dessen proaktiv die Informationen bereitstellen, die in einem bestimmten Moment des Nutzungsprozesses benötigt werden. (vgl. FRAUNHOFER ISST, „Das Internet der Dienste“, 2010)


TIP: Lesen Sie weiter in der neuen Studie „Schöne, neue Servicewelt!“. Weitere Informationen sind hier zu finden: www.DieServiceForscher.de