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Beratungssysteme im Internet

Das Internet hat die Einkaufsgewohnheiten der Verbraucher grundlegend geändert. (Buchbeitrag)
Tim Stracke | 02.04.2008
Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Online-Marketing
http://buchblog.marketing-boerse.de
http://www.marketing-boerse.de/Info/details/LeitfadenOM


Das Internet hat die Einkaufsgewohnheiten der Verbraucher grundlegend geändert. Immer mehr Internet-User recherchieren vor Anschaffungen im Internet, treffen dort ihre Kaufentscheidung WAS und WO sie kaufen möchten. Hier kann eine qualifizierte Produktberatung neue Umsatzpotentiale eröffnen und ganz neue Käuferzielgruppen erschließen. Und zwar nicht nur klassischerweise für Online-händler sondern ebenfalls für Hersteller und Portale, die dank Internet nun in den Kaufentscheidungsprozess integriert sind. Professionelle Verkaufsberatung im Internet kann den entscheidenden Wettbewerbsvorteil bieten.

Dieser Artikel beleuchtet den Kaufentscheidungsprozess im Internet und gibt einen Überblick, welche Möglichkeiten der Onlineberatung am Markt vorhanden und für wen diese geeignet sind. Drüber hinaus will der Artikel einen Ausblick auf Trends und zukünftige Technologien geben, die die Kaufentscheidung im Internet beeinflussen werden.


Kaufentscheidungen früher und heute

Das Internet ist als Kaufberater nicht mehr wegzudenken. Eine in 2006 veröffentlichte Studie der Marktforschungsgruppe Enigma GfK ergab, dass sich bereits die Hälfte der 14- bis 69-jährigen Deutschen vor dem Kauf im Internet über Produkte und Preise informieren. Laut der zwanzigsten W3B-Studie von Fittkau & Maaß geben über 60 Prozent der Befragten an, nach der Onlinerecherche normalerweise auch in lokalen Geschäften den Kauf abzuschließen. Das Internet beeinflusst also nicht nur die Onlineumsätze, sondern in hohem Maße auch die des stationären Handels. Der Prozess der Kaufentscheidung hat sich mit der weiten Verbreitung des Internets somit im Vergleich zu früher grundlegend verändert.

Der leichte Zugang zum Markt, die nahezu unendliche Angebotsvielfalt und die bis dato nie da gewesene Markttransparenz ermöglichen dem Verbraucher, sich vor Anschaffungen besser zu informieren. Gleichzeitig ist dieser Segen für zahlreiche Konsumenten ein Fluch, da sie angesichts der vielen Möglichkeiten schlichtweg überfordert sind.

Entschied sich der klassische Kunde früher zuerst für einen Händler seines Vertrauens und dann erst für das Produkt beziehungsweise die Marke, so sieht das inzwischen ganz anders aus. Heute hat der Kunde meist schon sehr genaue Vorstellungen vom Produkt und schaut anschließend, bei welchem Händler er es kaufen kann.

Daraus ergibt sich, dass der Ort der Kaufentscheidung (Point of Decision) in den allermeisten Fällen heute nicht mehr gleichbedeutend ist mit dem Point of Sale. Es ist nicht mehr alleine der Händler, bei dem der Kunde Unterstützung bei der Kaufentscheidung sucht. Vielmehr gibt es heute im Internet eine ganz Reihe von Webseiten und Plattformen, die vom Kunden zur Produktrecherche aufgesucht werden und somit in den Kaufentscheidungsprozess integriert sind. Das sind Preisvergleichsportale, Hersteller-Websites, Meinungsportale und neuerdings auch Blogs und Social Community-Websites.


Hersteller können heute die Kaufentscheidung mitgestalten

Produkthersteller werden dank Internet heute erstmals direkt in den Kaufent-scheidungsprozess einbezogen. Zudem treffen Konsumenten Kaufentscheidungen heute oft über die Marke. Der Kunde wird sich also zunehmend beim Hersteller informieren, um das Produkt anschließend im stationären oder Onlinehandel zu erwerben.

Hersteller haben damit zum ersten Mal die Möglichkeit, im Moment der Kauf-entscheidung direkten Einfluss auf die Kaufentscheidung des Endkunden zu nehmen. Diese Chance optimal umzusetzen, müssen viele Hersteller noch lernen, nachdem sie sich in der Vergangenheit lediglich auf die Produktentwicklung und Markenbekanntheit konzentrieren mussten.

Online-Technologien ermöglichen dem Hersteller nun, die Beratung von interessierten Konsumenten nicht mehr allein ihren Händlern zu überlassen, sondern selbst den Service Produktberatung anzubieten und damit die Kaufentscheidung des Kunden zu festigen. Auch wenn der Hersteller in der Regel nicht selbst verkauft, kann es ihm durch eine qualifizierte Beratung gelingen, den Kunden vom Produkt und der Marke zu überzeugen und die Kaufwahrscheinlichkeit erheblich erhöhen. Direkt an die Hersteller-Website angebundene Sales Channel erhöhen diese Wahrscheinlichkeit ebenfalls.

Onlineberatung birgt also nicht nur für Händler oder Multi-Channel-Unternehmen zusätzliche Umsatzpotentiale, sondern auch für Hersteller, die ausschließlich über Händler verkaufen.


Problem: Nur Experten kommen weiter

Erfolgreich bei der Produktrecherche sind aber vielfach nur die Kunden, die bereits wissen, welches Produkt sie suchen. Was aber ist mit der großen Zahl an Kunden, die zwar wissen, dass sie ein Produkt kaufen wollen, nur noch nicht welches?

Ein Beispiel: Die Waschmaschine ist kaputt gegangen. Der Kunde weiß zwar sehr genau, dass er Ersatz braucht, ist aber wahrscheinlich völlig überfordert, wenn er ohne Beratung erkennen soll, welches Gerät das Richtige für ihn ist. Er kennt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht den aktuellen Stand der Technik und mit welchen Preisen er rechnen muss. Er weiß lediglich, welche Anforderungen er an das Gerät stellt, also ob sie besonders sparsam sein soll, sehr leise, ein großes Fassungsvermögen braucht oder nur den kleineren Wäscheberg seines Singlehaushaltes bewältigen soll. In solchen Fällen gab es bisher oft nur eine Möglichkeit: Eine Beratung durch den stationären Fachhandel.

Angesichts oft schlecht ausgebildeter oder schlichtweg nicht vorhandener Verkäufer im stationären Handel stellt der Einsatz von intelligenten Produktberatungssystemen im Internet eine echte Alternative dar.


Wichtigkeit von Online-Informationen für die Kaufentscheidung

Bei der Nutzung von Online-Informationen zur Kaufentscheidung zeichnen sich große Branchenunterschiede ab: Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei Autos sowie Computer- und TK-Produkten das Internet als Informationsquelle die wichtigste Rolle spielt.

Fast neun von zehn Internetnutzern informieren sich vor dem Kauf eines Computers oder von Computerzubehör online. Das ergab eine Studie vom Februar 2007, in der das Onlineportal Yahoo zusammen mit dem Münchner Internetdienstleister Plan.Net Research die Rolle des Internets beim Kauf von IT-Produkten untersucht hat. Vor allem hochpreisige IT-Produkte wie Notebooks oder Monitore werden verstärkt über das Internet nachgefragt. Die Hälfte der Befragten bevorzugt bei der Kaufabwicklung zwar die klassische „Offline“-Variante, bei der Suche nach Informationen verlassen sich dagegen fast 90 Prozent auf das Internet - und schon 54 Prozent planen, den nächsten Kauf auch im Onlineshop abzuschließen.

In einer Studie von Fittkau & Maaß, die der gleichen Fragestellung nachging, erfährt man darüber hinaus, dass andere Branchen in Zukunft aufholen werden. So wird z. B. der Bereich Arzneimittel und Medikamente vor allem von Internet-Anfängern zur Produktrecherche aufgesucht, von erfahrenen Onlinekäufern weit weniger.


Point of Sale versus Point of Decision

Der Prozess der Kaufentscheidung wird in drei Stufen definiert: Zuerst muss ein Bedürfnis geweckt werden. Das geschieht am sogenannten Point of Need durch Werbung, die Gesellschaft, Trends allgemein oder auch durch schöne Auslagen. Wenn das Bedürfnis geweckt ist, will der Kunde es befriedigen. Um das zu tun, muss der Verbraucher eine Entscheidung treffen.

Diese Entscheidung findet am Point of Decision statt. Dort trifft der Kunde zwei Entscheidungen: zum einen entscheidet er sich für ein konkretes Produkt, mit dem er das Bedürfnis befriedigen kann, zum anderen trifft er hier die Entscheidung, wo er das Produkt kaufen wird. Am sogenannten Point of Sale findet der abschließende Kauf statt, der sowohl online als auch offline durchgeführt werden kann.

Betrachtet man sich diese Zusammenhänge, fällt auf, dass der Point of Sale im Kaufentscheidungsprozess zunehmend an Bedeutung verliert. Im Gegensatz dazu wird der Point of Decision immer wichtiger, weil hier die Weichen gestellt werden, für welches Produkt sich der Kunde entscheidet und wo er den Kauf tätigt. Mit dem Bedeutungsverlust des Point of Sale lässt sich auch der Erfolg der sogenannten Garagenfirmen oder Kleinsthändler erklären. Diese müssen lediglich preisgünstig sein und die Bestellung ausführen. Weitere die Kaufentscheidung beeinflussende Faktoren wie zum Beispiel Serviceleistungen werden hier vom Kunden nicht erwartet und verlangt.

Der Erfolg am Point of Sale wird in Zukunft also stark davon abhängen, ob der Händler oder der Hersteller es schafft, den Kunden am Point of Decision für sich zu gewinnen!


Was ist Verkaufen?

Doch was ist überhaupt verkaufen und welche Konflikte treten beim Kauf für den Käufer auf? Die Fachliteratur beschreibt den Prozess des Verkaufens folgendermaßen:

• Genaue Bedarfsermittlung
• Demonstration der Ware
• Argumentation der Ware
• Erkennen von Kaufsignalen
• Einwandbehandlung
• Entscheidungshilfe

Aus Sicht des Käufers treten dabei folgende Konflikte und Hemmnisse auf, die der Verkäufer mit Hilfe einer qualifizierten Beratung versuchen muss abzubauen:

Und wie kann der Verkäufer diese Konflikte und Hemmnisse lösen? Indem er Vertrauen schafft, Informationen und Know-how bietet!


Die ideale Beratung – ein Paradebeispiel

Um den Kunden bei seiner Entscheidung, WAS er kaufen will, optimal zu unterstützen, gibt es am Markt verschiedene Modelle der Onlineberatung. Aber bevor man sich die Systeme und Methoden im Einzelnen ansieht, sollte man überlegen, wie der ideale Beratungsvorgang im Internet überhaupt aussieht!

Die Antwort: eine qualifizierte Onlineberatung sollte analog zum stationären Handel funktionieren und dabei alle Vorteile des Internets nutzen. Also

Vertrauen wecken
Das Angebot einer kompetenten Beratung, die bezogen auf die Kundenbedürfnisse ehrlich die Stärken und Schwächen eines Produktes kommuniziert, weckt Vertrauen.

Kompetentes Fachwissen bieten
Ein guter Berater zeichnet sich durch großes Fachwissen aus. Neben dem allge-meinen Wissen zum Produktbereich sollten auch alle technischen Daten zu jedem einzelnen Produkt abgefragt werden können. Mehr noch als im stationären Handel bietet eine Datenbankbasierte Onlineberatung detailliertes Fachwissen mit höchster Aktualität.

Die Bedürfnisse des Kunden erfragen
Die Kundenbedürfnisse sollten angepasst an den Käufertyp erfragt werden: Ein unerfahrener Kunde sollte eine andere Beratung erhalten als ein Produktexperte.

Individuelle, qualifizierte Kaufempfehlungen aussprechen
Jeder Kunde hat ganz individuelle Bedürfnisse. Eine gute Beratung sollte darauf aufbauend eine passende und individuelle Kaufempfehlung aussprechen – erst dann wird eine Beratung glaubwürdig!

Empfehlungen individuell begründen
Ein guter Berater sollte in der Lage sein, die wichtigsten Kaufargumente des Kunden zu erkennen und auszusprechen.

Kaufalternativen vorstellen
Kunden möchten von einem Berater wissen, welches Produkt das richtige für sie ist. Neben dem Angebot von Kaufalternativen sollte aber immer nur ein Produkt als Kaufempfehlung im Vordergrund stehen.

Einen Produktvergleich bieten
Der Kunde sollte jederzeit alle Produktinformationen abfragen können, um höchstmögliches Vertrauen in seine Kaufentscheidung setzen zu können.

Verführen!!!
Verkaufen hat oft auch etwas mit Verführen zu tun. Einflussfaktoren, die dabei eine wichtige Rolle spielen, sind die Attraktivität des Sortiments, der Preise und ein ansprechendes Shopdesign.

Ein positives Einkaufserlebnis bieten
Während und nach dem Kauf soll der Kunde glücklich und zufrieden über sein neu erworbenes Produkt sein.

Diesen Ansprüchen gerecht zu werden, stellt für den stationären Handel und erst recht für interaktive Beratungssysteme bis heute noch eine große Herausforderung dar. Wirklich gute Onlinelösungen sind daher eher selten. Das liegt auch vor allem daran, dass fast alle Beratungssysteme vornehmlich ein Produkt verkaufen wollen und nicht das Ziel verfolgen, mit einem Produkt das Kundenbedürfnis zu befriedigen.

Doch eine gute Kaufberatung im Internet und im stationären Handel ist nicht völlig deckungsgleich. Schließlich bietet das Internet systemimmanente Vorteile, die natürlich genutzt werden sollten:

Aktualität
Produkt-Updates im Internet sind eine Sache von Sekunden. Die Organisation einer Vertriebsschulung benötigt Tage und Wochen.

Neutralität
Datenbanken können nur logisch denken. Die Kaufempfehlungen durch ein Online-Beratungssystem sind daher höchst vertrauenswürdig.

Schnelligkeit
Eine Onlineberatung hat keine Anfahrtswege und hängt nicht von Öffnungszeiten oder Verfügbarkeit des Verkäufers ab.

Statistische Auswertbarkeit
Über Logfiles lassen sich Kundenpräferenzen und –bedürfnisse einfach erfassen und analysieren.


Wettbewerbsvorteil durch Onlineberatung

Unternehmen, die die Möglichkeiten der Kundenberatung online und offline optimal ausnutzen, zeichnen sich durch folgende Wettbewerbsvorteile aus:

Höhere Konversionsrate
Der Onlinehändler Avitos.com erzielte durch den Einsatz eines Online-Beratungs-systems 20 Prozent mehr Umsatz im Produktbereich Digitalkameras. Inzwischen erweiterte Avitos.com das Beratungssystem auf die Produktgruppen Notebooks und PCs.

Cross-Selling-Potentiale
Kunden-Feedbacks zu den eingesetzten Systemen bei Avitos.com und karstadt.de können eindeutig belegen, dass die Beratung gerne online in Anspruch genommen wird, der Kauf aber teilweise über einen anderen Kanal getätigt wird.

Up-Selling: Steigerung der Warenkorbhöhe
Onlineberatung steigert das Vertrauen in das zu kaufende Produkt. Die Erfahrungen des Onlineshops Avitos.com belegen, dass die Warenkorbhöhe seit Einsatz eines Sales Assistants um ca. 5 Prozent in der betreffenden Produktgruppe zugenommen hat.

Aussagekräftige Marktforschungsdaten über Kundenpräferenzen
Mit Hilfe von statistischen Auswertungen können Kundenpräferenzen ermittelt werden. Auf diese Weise erfährt man sogar, was der Kunde hätte kaufen wollen, selbst wenn der Kauf nicht zustande gekommen ist. Eine solche Information kann wichtige Informationen für den Einkauf eines Händlers oder die Entwicklungsabteilung eines Hersteller-Unternehmens liefern.

Erhöhte Kundenbindung, Imagegewinn
Rückmeldungen von Endkundenseite zeigen deutlich, dass dieser Service dankbar angenommen wird und als eindeutiges Herausstellungsmerkmal gegenüber der Konkurrenz empfunden wird.


Nutzer honorieren es, wenn Sie gut beraten werden

Zusatznutzen in Form von Onlineberatung und Preisvergleich auf der eigenen Website anzubieten, lohnt sich. Denn zufriedene Informationssucher sind treue Käufer: jeder zweite Nutzer von Online-Produktinfos kauft normalerweise auf den Websites ein, wo er die Information gefunden hat. Das Risiko, dass der Kunde nach der erfolgreichen Informationssuche eine Konkurrenzmarke kauft, ist also gering.

Und so ganz nebenbei hat der Website-Betreiber auch noch etwas Gutes für den Erlebniswert seiner Website getan. Stimmige Onlinekonzepte, die gezielt den Nutzen der Kunden im Blickpunkt haben, sorgen für ein positives Recherche- und Kauferlebnis und steigern den in vielen Studien stets vermissten so genannten „Joy of use“.


Welche Online-Beratungssysteme gibt es?

Der Markt der Beratungssysteme ist auf den ersten Blick schwer durchschaubar. Grundsätzlich kann man zwei unterschiedliche Technologien unterscheiden:

So genannte Vorschlagssysteme haben das Ziel, dem Kunden durch konkrete Produktvorschläge bei der Produktsuche behilflich zu sein. Die zweite Technologie Kundenkommunikation. Eine Besonderheit beschäftigt sich ausschließlich mit stellen Guided Selling-Systeme dar, die als eine Kombination aus Vorschlagssystem und Kundenkommunikation verstanden werden. Zu den reinen Vorschlagssystemen zählen Filtersuchsysteme, zu denen als extreme Ausprägung die Konfiguratoren gehören, sowie das Collaborative Filtering-System und reine statistische Recommender-Systeme.

Die Gruppe der Kundenkommunikations-Systeme lässt sich in solche Technologien aufteilen, hinter denen „echte Menschen“ und virtuelle Charaktere mit künstlichem Wissen stehen.

Guided Selling-Systeme stellen eine Kombination aus Vorschlags- und Kommuni-kationssystem dar und kommen einer Beratung, wie man sie aus dem stationären Handel kennt, am nächsten.


Filtersuchsysteme

Das am häufigsten im Internet anzutreffende Beratungssystem ist das Filtersuch-system, das vor allem dazu dient, Produkte aus einem großen Produktsortiment vorzuselektieren. Eine echte Beratung, die sich an den Bedürfnissen des Kunden orientiert, findet nicht statt.

Filtersuchsysteme sind klassische Suchsysteme, die anhand von definierten Filtern Produktdaten prüfen und am Ende die Schnittmenge aller angegebenen Abfragekriterien anzeigen. Sucht der Kunde ein Produkt, das die Eigenschaften „Farbe=grün“ und „Preis=10 Euro“ haben soll, sucht das Filtersystem alle in der Datenbank enthaltenen Produkte genau nach diesen Produktfeatures ab. Als Trefferliste erhält man eine mehr oder weniger ungewichtete Liste mit Produkten, möglich ist auch eine Null-Treffer-Liste.

Vorteile: Filtersuchsysteme helfen, gesuchte Produkte für den Kunden vorzu-selektieren. Für den Kunden, der weiß, was er will, macht das die Suche wesentlich einfacher. Das System ist einfach zu entwickeln.

Nachteile: Filtersuchsysteme können nur konkrete Produktfeatures abfragen und helfen vorwiegend den Kunden, die bereits wissen, was für ein Produkt sie kaufen wollen. Häufig leidet ein solches System an entweder zu großen Trefferlisten, die dann auch nicht mehr hilfreich sind oder an zu kleinen beziehungsweise Null-Trefferlisten. Bei dem oben genannten Fall wird zur Veranschaulichung beispielsweise nicht das grüne Produkt angezeigt, das nur 9,99 Euro kostet.

Beispiel: www.ebay.de(Powersuche)


Konfigurations-Systeme

Der „große Bruder“ des Filtersuchsystems ist der Konfigurator, dessen tech-nischer Hintergrund ein umfangreiches und sehr komplexes Filterregelwerk darstellt. Sie werden eingesetzt, um aus verschiedenen Komponenten komplexe Produkte zusammenzustellen. Dabei prüfen sie bereits bei der Zusammenstellung, ob die gewählten Komponenten miteinander kompatibel sind. Geläufigstes Beispiel im B2C-Bereich ist der Fahrzeug-Konfigurator, mit dem man sich sein Wunsch-Fahrzeug selbst zusammenstellen – und den daraus resultierenden Preis recherchieren kann. Weit häufiger werden diese Systeme im B2B-Bereich eingesetzt, um zum Beispiel Angebotserstellungszeiten bei komplexen technischen Produkten zu reduzieren.

Vorteile: Konfigurationssysteme machen Sinn für Hersteller individualisierbarer Produkte, die aus variablen Komponenten zusammengestellt werden. Im B2B-Bereich werden sie eingesetzt, um in der Angebotsphase komplexe Produkte durchzukalkulieren. Für den Endkunden sind sie nur dann besonders hilfreich, wenn dieser bereits weiß, was er sucht, den Preis erfragen oder die Kompatibilität prüfen möchte.

Nachteile: Der technische Hintergrund eines Konfigurators ist ein umfangreiches und sehr komplexes Regelwerk, das individuell für jeden Produktbereich erstellt werden muss. Daher ist ein Konfigurator sehr kostenintensiv in der Entwicklung und in der Datenpflege. Im B2C-Bereich sind Endkunden bei der Anwendung des Konfigurators häufig überfordert, da dieser Produkt-Know-how verlangt, das unerfahrene Nutzer oft nicht haben. Ohne Produktkenntnisse ist der Kunde nicht in der Lage, die einzelnen Komponenten auszuwählen.

Beispiel: www.audi.de


Collaborative Filtering-Systeme

Collaborative Filtering-Systeme sind so genannte implizite Vorschlagsysteme, die mit Hilfe statistischer Verfahren Kundenverhalten prognostizieren – und zwar auf Basis „ähnlicher“ Benutzer, die zuvor bereits einen Kauf getätigt haben. Dem Kunden wird anhand seines Verhaltens, das mit vorherigen Kunden verglichen wird, impliziert, welches Produkt außerdem noch zu ihm passen könnte. Es handelt sich hierbei um rein lernsystembasierte Technologien. Das bedeutet, dass je mehr Traffic auf der Website, desto treffsicherer ist das Vorschlagsverhalten. Dieses System funktioniert in erster Linie bei Medien und Mode. Immer dann, wenn geschmackliche Präferenzen eine Rolle spielen und nicht technische Details.

Vorteile: Das System generiert auf Basis von „Erfahrungen“ Vorschläge, die für einen großen Teil der Kunden relevant sind. Für Websites, die viel Kundenverkehr aufweisen, ist diese Art der Verkaufsförderung sehr erfolgreich.

Nachteile: Collaborative Filtering-Systeme lohnen sich meist nur für Onlineshops mit einem hohen Traffic-Aufkommen. Außerdem wird hier keine bedürfnisorientierte Beratung angeboten. Der Kunde hat keinerlei Möglichkeit, das Vorschlagsverhalten des Systems zu beeinflussen.

Beispiel: www.amazon.de


Recommender-Systeme

Recommender-Systeme sind vorwiegend explizite Vorschlagsysteme, das heißt Kunden müssen zunächst ein Suchprofil eingeben und erhalten daraufhin einen Produktvorschlag. Es handelt sich um eine rein lernsystembasierte Technologie. Das bedeutet, dass die Qualität des Vorschlagsystems sich im Laufe der Zeit selbst verbessert – vorausgesetzt der Kundenverkehr auf der Website ist entsprechend hoch. Anhand des Suchprofils, das vom Kunden eingegebenen werden muss, generiert der Recommender Produktvorschläge, die aus erlerntem Kundenverhalten resultieren.

Vorteile: Recommender-Systeme sind dann sinnvoll, wenn dem System keine „harten Produkteigenschaften“ zur Verfügung stehen. Das ist beispielsweise im Bereich Geschenkartikel und Mode der Fall. Dort liefern sie gute Produktvorschläge. Die Produktdatenpflege ist sehr einfach zu leisten.

Nachteile: Reine Recommender-Systeme sind kostenintensiv in der Anschaffung, da eine aufwendige Technologie dahinter steckt. Recommender lohnen sich meist nur für Onlineshops mit einem hohen Traffic-Aufkommen.

Beispiel: www.yousmile.de (Geschenkefinder)


Live Chat-Boxes

Über Live Chat-Boxes erhalten Kunden direkten menschlichen Chat-Kontakt zu einem Callcenter-Agent oder Mitarbeiter der Betreiber-Website. Ein optisch hervorgehobener Link öffnet ein Chat-Fenster, in das der Kunde seine Frage eingeben kann. Die Antwort wird durch den Mitarbeiter oder Callcenter-Agent manuell eingegeben und in Echtzeit in das Chatfenster gepostet. Diese Lösung ist besonders für kleine Unternehmen geeignet, wenn die Anzahl der Kundenanfragen überschaubar bleibt. Bei großem Anfragenaufkommen lässt sich diese Lösung nur mit einem Callcenter bewältigen.

Vorteile: Die Beratungsqualität ist sehr gut, weil es sich hier um eine Mensch-zu-Mensch-Beratung handelt. Der Callcenter-Agent kann theoretisch auf alle Fragen antworten. Die Anschaffungskosten für das System sind relativ gering, die Implementierung ist sehr einfach.

Nachteile: Live Chat-Boxes binden personelle Kapazitäten und sind – je nach Anzahl der Anfragen – als kostenintensiv einzustufen. Zudem ist die Beratungsqualität sehr abhängig von den Fähigkeiten des Callcenter-Agents. Beratung kann meist nicht 24 Stunden gewährleistet werden.

Beispiel: www.stacksandstacks.com


Call Back-Buttons und telefonische Beratung

Über Call Back-Buttons kann der Internet-Besucher das Unternehmen, von dem er gerne Informationen erhalten möchte, auffordern, ihn zurückzurufen. Dazu klickt er auf einen in der Website platzierten Call Back-Button, wo er seine Telefonnummer, Name und Gesprächsthema hinterlegen kann. Häufig ist dieser Button einfach ins Kontaktformular integriert. Unternehmensmitarbeiter oder Callcenter-Agents erhalten diese Anfrage und rufen den besagten Kunden per Telefon zurück.

Vorteile: Die Beratungsqualität ist sehr gut, weil es sich hier um eine Mensch-zu-Mensch-Beratung handelt. Die Anschaffungskosten für das System sind gering, die Implementierung ist sehr einfach.

Nachteile: Es muss eine ausreichende Mitarbeiterkapazität vorhanden sein, um all die Call Back-Anfragen befriedigend zu bewältigen. Je nach Anzahl der Anfragen kann dieses System sehr kostenintensiv in der Unterhaltung sein. Zudem ist die Beratungsqualität sehr abhängig von den Fähigkeiten des Callcenter-Agents. Beratung kann meist nicht 24 Stunden gewährleistet werden und erfolgt zeitverzögert.

Beispiel: www.helios-kliniken.de


Bot-Systeme und Avatar-Technologie

Bot-Systeme sind virtuelle, künstliche Persönlichkeiten, die als Kundenberater über ein Dialogfeld Fragen des Kunden beantworten können. Diese Avatare können ihre Informationen auch sprachlich wiedergeben. Das Wissen, das sie zur Kommunikation mit dem Kunden benötigen, muss durch Wissensingenieure von Hand eingegeben und modelliert werden. Bots können für den Bereich Service, E-Commerce und zur Unterhaltung eingesetzt werden. Nutzer geben ihre Anfrage in ein Dialogfeld ein und erhalten eine softwaregesteuerte Antwort.

Vorteile: Die virtuellen Kundenberater erfüllen häufig die Funktion eines emotiona-lisierenden „Gesichts der Website“. Besonders hilfreich sind sie bei der Navigation durch die Website, um häufig gestellte Fragen (FAQ‘s) sofort zu beantworten und Unterstützung beim Ausfüllen von Formularen zu bieten.

Nachteile: Der Aufbau der Wissensdatenbank ist sehr aufwendig und sie muss permanent gepflegt werden. Der Umfang und die Pflege der Wissensdatenbank sind ausschlaggebend für die Antwortqualität des Bots. Kunden sind oft enttäuscht, wenn nicht genügend Aufwand in den Aufbau und die Pflege der Wissensdatenbank investiert wurde.

Beispiel: www.yellostrom.de


Guided Selling-Systeme

Guided Selling-Systeme kommen einer Beratung, wie man sie aus dem stationären Handel kennt, am nächsten. Sie stellen eine Kombination aus Vorschlags- und Kommunikationssystem dar. Das Vorschlagsverhalten basiert auf konkreten Produktdaten und zusätzlich auf dem Beratungswissen professioneller Verkäufer. Das System ist in der Lage, den gesamten Beratungsprozess analog zu einem Beratungsgespräch mit einem echten Verkäufer abzubilden. Über die Bedürfniserfassung kann der Kunde auswählen, wie er das Produkt nutzen möchte und was für Eigenschaften ihm wichtig sind. Das System sucht daraufhin software-gestützt nach dem passenden Produkt, generiert eine konkrete Produktempfehlung und begründet sie. Auf diese Weise wird der Kunde zielgerichtet zum Kaufabschluss geführt.

Vorteile: Guided Selling-Systeme helfen Kunden, die ein konkretes Bedürfnis haben, aber noch nicht wissen, mit welchem Produkt sie es befriedigen können. Genau wie ein echter Verkäufer kombiniert das Guided Selling-System Produkt-Know-how mit Beratungswissen. Das System kann auf die Wünsche des Kunden eingehen und treffsicher passende Produkte vorschlagen. Zusätzlich liefert das System statistische Daten zum Kundenverhalten und zu Kundenpräferenzen. Das System kann nicht nur Produkte mit harten Produkteigenschaften wie technische Geräte beraten, sondern auch weiche Eigenschaften verarbeiten.

Nachteile: Das Beratungssystem muss für jeden einzelnen Produktbereich erstellt und modelliert werden. Ähnlich wie bei echten Verkäufern hat jedes Guided Selling- System seinen Fachbereich, in dem es sich dafür bestens auskennt.

Beispiele: www.quelle.de Waschmaschinenberater, www.dallmayr-versand.de Weinberater


Fazit

Nicht für jedes Unternehmen ist jedes der dargestellten Systeme sinnvoll. Faktoren wie Unternehmensgröße (Traffic-Aufkommen auf der Website), Branche, Produktsortiment, Unternehmensphilosophie oder Unternehmensausrichtung sind ausschlaggebend für die richtige Auswahl des Beratungssystems. Für manche Unternehmen können auch Kombinationen der Systeme sehr effektiv sein.


Kaufentscheidungsprozess 2.0

Aber wo wird die Reise wohl hingehen? Wie sieht der Kaufentscheidungsprozess der Zukunft aus und wer wird dort eine wichtige Rolle einnehmen?

Shopping Portale mit Preisvergleichen werden in Zukunft die überragende Rolle als Point of Decision einnehmen. Hersteller werden sich immer aktiver in den Kaufentscheidungsprozess eingliedern und bei Händlern wird sich eine „Zwei- Klassen-Gesellschaft“ herausbilden: Zum einen reine POS-Shops (Point-of-Sale) und dann Händler, die mehr ein Shoppingportal sein werden.

Auch die sogenannten Web 2.0-Anwendungen werden den Kaufentscheidungsprozess verändern. Die oft als „Mitmach-Web“ bezeichneten Neuerungen machen aus einer eindimensionalen Interaktion zwischen Verkäufer und Interessent ein mehr-dimensionales Kommunikationsgeflecht, an dem sich im Prinzip unendlich viele Internet-Nutzer beteiligen können. Betrachtet man sich heute den Erfolg von Blogs und Social Communities und das dort vorherrschende Durchschnittsalter der User, wird klar, dass in Zukunft kaum eine Kaufentscheidung ohne die Inanspruchnahme von Drittmeinungen zustanden kommen wird. Websites mit nutzergenerierten Inhalten werden den Point of Decision bereichern und Händler, Hersteller und Portalbetreiber tun gut daran, diesen wertvollen und vom Kunden hoch geschätzten Inhalt auf der eigenen Seite anzubieten.

Dass Blogs schon heute großen Einfluss auf Kaufentscheidungen haben, zeigt folgende Gemeinschaftsstudie der PR-Agentur Hotwire und dem Marktforschungs-institut Ipsos vom November 2006: Fast jeder dritte deutsche Onliner hat schon auf eine geplante Anschaffung verzichtet, weil er in einem Blog negative Kommentare gelesen hat. Der Einfluss nutzergenerierter Inhalte ist aber nicht nur negativ. So gaben 56 Prozent der deutschen Teilnehmer (52 Prozent in Europa) an, dass sie ein Produkt oder eine Dienstleistung eher kaufen würden, wenn sie positive private Kommentare im Netz lesen würden. Das Ergebnis dieser Studie ist damit: „der Einfluss von Blogs und nutzergenerierten Inhalten auf Kaufentscheidungen ist unverkennbar!“.

Die erfolgreichsten Unternehmen der Zukunft werden diese sein, die es verstehen, das Beste aus stationärem Handel, nämlich sehr gut auf Kundenwünsche eingehen zu können, dem Internet, das stets aktuell und überall verfügbar ist und TV-Shopping, das es versteht, Vertrauen und Emotionalität zu wecken, optimal miteinander zu verbinden.


Literatur

Plan.Net Research, Februar 2007.
20. W3B-Umfrage von Fittkau & Maaß.
Hotwire & Ipos, 2006.