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Der ROPO-Effekt – online stärkt offline

Laut Schätzungen des Hauptverbands des Deutschen Einzelhandels werden 2011 etwa zehn Prozent aller Non-Food Einzelhandelsumsätze online erzielt.
Alastair Bruce | 20.09.2011
Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Online-Marketing Band 2:
http://TopOnlineExperten.de



Laut Schätzungen des Hauptverbands des Deutschen Einzelhandels werden 2011 etwa zehn Prozent aller Non-Food-Einzelhandelsumsätze online erzielt [1]. Dementsprechend ist das Stationärgeschäft aus Anbietersicht nach wie vor der bei Weitem wichtigste Absatzkanal. Die logische Folgerung aus Sicht eines Einzelhändlers wäre nun, maximal zehn Prozent des Marketing-Budgets für den Onlinekanal aufzuwenden – vorausgesetzt, man verfügt über einen entsprechenden Absatzkanal.

Diese Ansicht jedoch ist im Zeitalter der digitalen Revolution nicht mehr zeitgemäß. Dieses Kapitel soll darlegen, weshalb eine Fokussierung auf den Onlinekanal als zentralen Punkt im Kaufentscheidungsprozess für den eigenen Unternehmenserfolg immer wichtiger wird. Anhand von aktuellen Branchentrends und Kundenstudien wird gezeigt, wie stark sich Umsätze im Stationärhandel durch gezielten Einsatz von Online-Marketing steigern lassen. Schließlich werden Best Practice-Szenarios erläutert, die einen optimalen Umgang mit dem ROPO-Effekt veranschaulichen.


ROPO-Effekt – was ist das?

Das Mediennutzungsverhalten wird zunehmend differenzierter. Den Konsumenten werden immer mehr Kanäle geboten, über die sie sich über ein Produkt informieren können. Diese Ausdifferenzierung des Informationsangebots bedeutet auch, dass der Kaufentscheidungsprozess immer komplexer wird. Oft erstreckt sich dieser über mehrere Wochen und mehrere Kanäle [2].

Im Jahr 2009, so belegte eine amerikanische Studie, wurden nur 17 Prozent aller Kaufentscheidungen in einem Stationärgeschäft gefällt – 2007 lag dieser Wert noch bei vierzig Prozent [3]. Diese Verlagerung der Kaufentscheidung geschah vor allem zugunsten des Internets. Im Jahr 2010 informierten sich über alle Branchen hinweg 51 Prozent aller Konsumenten vor einem Kauf im Internet – womit das Web zur einflussreichsten Größe während des Kaufentscheidungsprozesses geworden ist [3].

Ein Großteil der Kaufentscheidungen in den meisten Non-Food-Kategorien wird also mittlerweile online gefällt – die Konsumenten recherchieren im Internet, bevor sie in den Filialen (also „offline“) kaufen. Dieses Phänomen wird daher auch als „ROPO-Effekt“ (Research Online, Purchase Offline) bezeichnet. Bildlich gesprochen sind die direkt online erzielten Umsätze lediglich die Spitze des Eisbergs – darunter liegen aber noch die bisher kaum untersuchten Offlineumsätze, die durch Online-Marketing wesentlich beeinflusst wurden.

Betrachtet man nur die Kategorie Mode, wird deutlich, wie einflussreich das Internet heute schon für die Kaufentscheidung ist. Im Bekleidungssektor werden 15 Prozent aller Käufe online vorbereitet und auch getätigt. In 48 Prozent aller Fälle jedoch wird ein „Offlinekauf“ vorher online recherchiert. Zusammengenommen werden also 63 Prozent aller Modekäufe mehr oder weniger durch im Internet gesammelte Informationen mit entschieden [4]. Das Offline-Business wird also signifikant von Online angetrieben.

Im Schnitt besuchen Kunden, die im Stationärgeschäft kaufen, vorher 3,2 Webseiten [5]. Bei der Produktrecherche im Internet stellten sich dabei Suchmaschinen als die am häufigsten genutzte Informationsquelle heraus. 66 Prozent aller Deutschen nutzen dieses Angebot, um sich über Produkte zu informieren, gefolgt von Internetseiten der Einzelhändler (59 Prozent) sowie Preisvergleichseiten (43 Prozent).

In dieser langen Recherchephase bieten sich folglich viele Möglichkeiten, die Kaufentscheidung über Online-Marketing zu beeinflussen. So konnte eine Studie feststellen, dass im Modebereich im Schnitt neun Tage zwischen Online-Recherche und Offlinekauf vergehen. Im Mobilfunkbereich sind es dagegen 42 Tage [5]. Und in dieser Zeitspanne haben Anbieter jede Menge Möglichkeiten, die Konsumenten auf ihre Angebote aufmerksam zu machen.

Es ist davon auszugehen, dass der ROPO-/Online-to-Store-Effekt durch das Wachstum des mobilen Internets noch zusätzlich an Wichtigkeit gewinnen wird. Bereits jetzt haben zwanzig Prozent aller mobilen Suchanfragen einen lokalen Bezug – bei den Suchanfragen von mobilen Endgeräten sind es sogar vierzig Prozent [6]. Das mobile Suchvolumen für produktrelevante Begriffe hat sich in Deutschland innerhalb der letzten zwei Jahre mehr als versiebenfacht [6], was auch auf die rapide Verbreitung von Smartphones und Tablets zurückzuführen ist.

Diese Entwicklungen sprechen dafür, dass Online einen zunehmend bedeutenden Teil bei der Kaufentscheidung spielt. Nur die wenigsten Einzelhändler reflektieren diese Bedeutung von Online allerdings in ihrem Marketingplan. In Zukunft wird es entscheidend sein, Marketingausgaben dorthin zu verlagern, wo sie tatsächlich eine Kaufentscheidung zu den eigenen Gunsten beeinflussen können.

Zusammen mit Google hat die Schuhkette Görtz Anfang 2011 untersucht, inwieweit sich der ROPO-Effekt auf das eigene Geschäft auswirkt. In diesem Fall wurde ein Test aufgesetzt, bei dem Kunden, die über eine SEM-Kampagne auf die Görtz-Website kamen, einen Gutschein über zehn Euro bekamen. Dieser war sowohl online als auch „offline“ einlösbar. Jeder dritte Gutschein wurde im Stationärgeschäft eingelöst; aufgrund höherer Warenkörbe und niedrigerer Retouren war der offline generierte Umsatz sogar genauso groß wie der Onlineumsatz [7]. Das heißt konkret: In diesem Fall hat Onlinewerbung doppelt soviel Umsatz generiert wie online gemessen wurde.

Darüber hinaus geben ROPO-Kunden mehr aus als Kunden, die vorher nicht online recherchieren. So konnte in einer Studie des Elektronikfachmarkts Fnac festgestellt werden, dass der durchschnittliche Warenkorb eines Kunden, der vor dem Kauf online recherchiert hatte, 33 Prozent größer ist als der Warenkorb eines „Nicht-Onliners“ [8].

Vor diesem Hintergrund ist es angebracht, Online-Werbeausgaben neu zu bewerten. Es ist daher ratsam, einen ROPO-Faktor in die Bewertung der eigenen Ausgaben einzuführen. Dieser ROPO-Faktor stellt sicher, dass Ausgaben für Onlinewerbung akkurat bewertet werden, das heißt, dass alle tatsächlich angestoßenen Umsätze auch reflektiert werden. Durch diese Anpassung würde auch sichergestellt, dass eine Mittelzuweisung anhand der tatsächlichen Performance des Onlinekanals erfolgen kann. Bei der Aufstellung dieses ROPO-Faktors sollten sowohl ROPO-Umsätze addiert als auch durch Offlinemaßnahmen angestoßene Onlineumsätze subtrahiert werden.


Den ROPO-Effekt nutzen

Dieses Kapitel sollte bis hierher klar gemacht haben, dass der ROPO-Effekt zentral für den Erfolg des eigenen Stationärgeschäfts geworden ist. Doch wie macht man sich diesen Effekt zunutze?

Eine Lösung ist es, den Nutzer gezielt mit Werbeformen auf das eigene Stationärgeschäft aufmerksam zu machen. Google bietet beispielsweise Anzeigenformate, die explizit darauf ausgelegt sind, den Nutzer in Geschäfte zu lotsen. Sogenannte Store Locator Ads beispielsweise beinhalten bei dem Suchwort „Baumarkt Köln“ nicht nur Informationen zu den entsprechenden Anbietern, sondern zeigen auch die Lage der nächsten Filialen eines bestimmten Baumarkts im Umkreis des Nutzers an.

Des Weiteren sollte ein „No-Line“-Denken in den Einzelhandel Einzug halten. Es ist in Zukunft egal, ob Umsätze online oder offline erzielt werden (also: No-Line). Als exemplarisch für eine an diesen Umstand angepasste Einstellung kann die britische Warenhauskette John Lewis gesehen werden. Unter dem internen Motto „Es ist egal, wo unsere Kunden kaufen“ wird Wert auf eine Verzahnung aller Absatzwege gelegt. Und damit feiert die Kette große Erfolge: 17 Prozent aller Online-Bestellungen sind „Click-and-Reserve“, das heißt, es handelt sich um Produkte, die online reserviert und dann im Geschäft abgeholt wurden [10]. 38 Prozent dieser Konsumenten machen dann sogar noch einen zusätzlichen Kauf beim Besuch des Geschäfts [10]. Auch große Modeketten wie beispielsweise Esprit oder Zara haben auf diese Weise ihre Absatzkanäle verbunden. Die Vorteile: Engere Kundenbindung, höhere Warenkörbe, mehr Cross-Sell-Möglichkeiten.

Zusätzliche Bedeutung wird der ROPO-Effekt noch durch das weitere Wachstum des mobilen Internets erhalten. In Zusammenhang mit immer leistungsfähigeren Smartphones kann das mobile Web durchaus als „Missing Link“ zwischen Online- und Offlinewelt betrachtet werden.

Dieser „Missing Link“ birgt enorme Potenziale für Einzelhändler. Auch hier ermöglichen innovative Produkte den Einzelhändlern, den ROPO-Effekt für sich arbeiten zu lassen. Die bereits beschriebenen Anzeigenformate lassen sich auch auf mobilen Endgeräten nutzen. Einen Schritt weiter jedoch geht Google Local Shopping [11]. Einzelhändler, die ihr Warenwirtschaftssystem bei diesem Produkt mit Google verbinden, haben die Chance, den Nutzer in Echtzeit über die Verfügbarkeit eines Produkts zu informieren (in drei Stufen: „auf Lager“; „begrenzte Verfügbarkeit“; „nicht auf Lager“). Insbesondere für das mobile Web ist dies ein ideales Produkt, um Konsumenten, die zum Beispiel in der Stadt zu Fuß unterwegs sind, während ihrer Recherchephase – die in dieser Situation ja auch sehr wahrscheinlich zum Kauf führen wird – auf das eigene Angebot aufmerksam zu machen. Die Navigationsfunktion zum nächstgelegenen Shop liefert Google Maps dabei gleich mit aufs Handy.


Fazit und Ausblick

Es ist nicht mehr länger sinnvoll, von der Online- und der Offlinewelt zu sprechen: Beides verschmilzt zur „No-line“-Welt. Wer die Chancen des Online-Marketings effizient nutzt, kann auch seinem Stationärgeschäft einen massiven Schub verleihen. Es wird von entscheidender Bedeutung sein, in Zukunft Interdependenzen und „Anstoß-Effekte“ zwischen den einzelnen Marketingkanälen in Betracht zu ziehen. So sollten beispielsweise Ausgaben für Online-Marketing unter einem „Full-Value“- Modell betrachtet werden, bei dem nicht nur die direkt online erzielten Umsätze, sondern auch die Offlineumsätze mit einbezogen werden.

Ein weiterer großer Schritt zum No-line-Handel stellt die Verbreitung des mobilen Internets dar. Auch hier bieten sich enorme Chancen. Die technologischen Möglichkeiten der Smartphones der vierten Generation machen ein völlig neues Einkaufserlebnis möglich. Gepaart mit den intuitiven Navigationsfunktionen aktueller Handys kann man sprichwörtlich sagen: Smartphones bringen die Kunden in die Filialen.

Seien Sie sich immer bewusst, dass Ihre Kunden zunehmend online recherchieren, bevor sie etwas kaufen. Mit der richtigen Strategie und den richtigen Werbeformen aber kann dieser Wandel Ihr stationäres Geschäft effizient voranbringen.


Literatur

[1] Bundesverband des Deutschen Versandhandels (bvh): Umsatzprognose des bvh für den interaktiven Handel 2011: Großer Erfolg – Umsätze steigen auch in diesem Jahr weiter. – Berlin: bvh., 2011.
[2] Griffiths, G./A. Howard: Balancing clicks and bricks – strategies for multichannel retailers. – In: The Journal of Global Business Issues, (1)2. S. 69-76, 2008.
[3] Tns: Kaufentscheidung: Überzeugungskraft kommt aus dem Internet. – 2010, http://www.tns-infratest.com/presse/pdf/Presse/TNS%20Infratest%20Kaufentscheidung%20Deutschland_I.pdf.
[4] Gesellschaft für Konsumforschung: Online informieren – im Geschäft kaufen. – 2010, http://www.gfk.com/imperia/md/content/presse/pressemeldungen2010/100318_wep_fashion_dfin.pdf – Letzter Zugriff: 10.01.2011.
[5] GfK: Internet-Shopping weiter auf dem Vormarsch. – 2010, http://www.gfk.com/group/press_information/press_releases/005481/index.de.html – Letzter Zugriff: 10.01.2011.
[6] Google interne Daten
[7] Google/Görtz: Görtz-Studie – Mit AdWords zu mehr Umsatz in den Filialen. – Hamburg: Google, 2011.
[8] GfK/Google: Research Online, Purchase Offline. Daten zum Informations- und Kaufverhalten im Internet. – 2010, http://www.full-value-of-search.de/key_questions/3/answers/108.
[9] Eigene Darstellung
[10] Rigby, C.: John Lewis brings in 38% online rise. – 2011, http://www.internetretailing.net/2011/02/john-lewis-brings-in-38-online-rise/.
[11] Dieses Produkt befindet sich in noch im Beta-Stadium und wird in Deutschland in der zweiten Jahreshälfte 2011 eingeführt.
[12] Google.