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Die Entwicklung der Online-Werbung

Ganz gleich, wie hoch wir unsere Prognosen für den Online-Werbemarkt ansetzen, sie sind immer zu niedrig.
Matthias Ehrlich | 30.01.2008

„Ganz gleich, wie hoch wir unsere Prognosen für den Online-Werbemarkt ansetzen, sie sind immer zu niedrig.“ Dieses Bekenntnis stammt von der internationalen Agenturgruppe ZenithOptimedia, die in ihrer Publikation „Advertising Expenditure Forecast“ regelmäßig die Entwicklung der globalen Werbe- und Medienmärkte untersucht und für Online erst jüngst wieder nach oben nachjustieren musste. Demnach soll das Internet im Jahr 2009 auf einen weltweiten Werbemarktanteil von 9,4 Prozent kommen und seinen Abstand zum Werbeträger Nummer zwei, den gedruckten Medien (12,1 Prozent) weiter verkürzen. Weiter werden die Online-Werbespendings zwischen 2006 und 2009 weltweit um 82 Prozent zulegen, während die verbleibenden Gattungen auf ein vergleichsweise mageres Plus von 13 Prozent kommen werden.

Auch hierzulande sind Rekordergebnisse seit Jahren an der Tagesordnung. Für Ende 2007 erwartet der Online-Vermarkterkreis (OVK) 2,5 Milliarden Werbe-Euro, das entspricht einem Zuwachs von einem Drittel gegenüber 2006. Die Marktanteilshürde von neun Prozent am Werbekuchen hat das jüngste aller Massenmedien in Deutschland bereits genommen und sitzt fest auf Rang drei hinter TV und Print, aber weit vor Radio, Außenwerbung und Kino.

Eine komfortable Ausgangslage, mit noch besseren Aussichten. Denn wer es versäumt, seine Waren und Dienstleistungen über digitale Kanäle zu kommu-nizieren und verstärkt auch zu distribuieren, wird am Markt verlieren. Bestimmte Zielgruppen sind bereits heute nur noch im Internet zu erreichen. Und mit klassischer Displaywerbung, Suchmaschinen- oder Affiliate-Marketing kann mit vergleichsweise geringen Werbebudgets effektiv und effizient kommuniziert werden.


Werbung trifft Zielgruppe

Das war nicht immer so. Satte 30.000 Dollar für einen Monat kostete dem Vernehmen nach der erste Online-Werbebanner. Die Premiere der „Mutter aller Werbemittel“ fand am 24. Oktober 1994 auf der Site des US-amerikanischen Online-Magazins hotwired.com statt und bewarb den Telekommunikationskonzern AT&T. Übrigens: Vierzig Prozent aller Nutzer sollen damals den Werbebanner angeklickt haben. Ein Erfolg, der Schule machte: Bis heute ist der Banner das wichtigste Werbemittel.

Ihre erste Revolution erlebte die Online-Werbung dann mit der Einführung des Suchmaschinenmarketing (Keyword Advertising). Der heute von US-ameri-kanischen Playern beherrschte Milliardenmarkt übertrug die Funktionsweisen des Direktmarketings mit kleinen, einfachen Textlinks ins Netz. Erstmalig wurden die interaktiven Fähigkeiten des Mediums eingesetzt, um Angebot und konkrete Nachfrage direkt und unmittelbar zusammenzubringen. Folge: Der interessierte Nutzer erhält in dieser Form des 1:1-Direktmarketing nur die Information, die ihn interessiert, also relevant für ihn ist. Die Vorteile: keine Streuverluste für den Werbetreibenden, keine Reaktanzen gegenüber der Werbung beim User. Eine ideale „Einstiegsdroge“ also für die ersten Schritte in der Online-Werbewelt sowie für kleinere und mittlere Unternehmen, deren (Marketing-)Ziel Abverkauf oder Informationsvermittlung (beispielsweise bei Finanzdienstleistungen oder Versicherungen) ist. Und klammheimlich hat damit etwas begonnen, das heute die nächste Revolution einläutet: Targeting.

Hat sich das Volumen im Suchmaschinenmarketing in der Vergangenheit jährlich mehr als verdoppelt, so stellt man jetzt – so wie übrigens auch für das Segment Affiliate – eine Abflachung der Wachstumskurve fest. Der Grund liegt auf der schlummernden Kaufwunsch werblich aufmerksam gemacht werden müssen. Wo der Bedarf (noch) nicht da ist oder die Marke unbekannt, da kann es auch kein Interesse geben. Für Werbungtreibende bedeutet dies: Wo kein Branding, da kein Abverkauf. Hand: Die Stärken dieses in seinen Darstellungsmöglichkeiten sehr beschränkten, performance-basierten Instruments liegen im abverkaufsdominierten Response-Bereich. Außerdem erfasst das Keyword Advertising nur die Nutzer, die gerade suchen und auch in der Lage sind, ihre Wünsche zu benennen. Die Aufgabe von Werbung gemäß dem AIDA-Prinzip ist es aber, Bedürfnisse und Bedarf zu wecken, das heißt nicht nur die Nutzer zu erreichen, die ein Produkt gekauft oder ihr konkretes Interesse bereits geäußert haben, sondern auch die Personen, die auf ihren Daher gehen der Wunsch und die Anforderungen der Werbungtreibenden ganz klar Imagewerbung. Schließlich sind die Potenziale, im Netz klassische in Richtung Markenkommunikation zu betreiben, noch längst nicht ausgeschöpft. Hier steht Displaywerbung und neue die Entwicklung erst ganz am Anfang. Deshalb sind die Formen davon die Zukunft, wie die derzeitigen Wachstumsraten zeigen.

Wachstumstreiber dieser Entwicklung ist zum einen die zunehmende Breitbandi-sierung der Haushalte (schnelle Verbindungen), die den Trend zu großformatigen, multimedialen und emotionalisierenden Werbeformaten verstärkt. Werbung war immer emotional – aufwendige Internetspots oder -plakate holen jetzt die Vorteile von TV und großflächigen Anzeigen ins Netz. Der eigentliche Boom Mediasteuerungstechnologien und -aber kommt von immer ausgefeilteren instrumenten wie früher zum Beispiel der Frequenzsteuerung und heute vor allem dem Targeting, welche Online-Werbung ungleich effektiver und effizienter Frequenzsteuerung die Kontakthäufigkeit, mit der ein Nutzer machen. Regelt die je nach Marketingziel mit einer Kampagne angesprochen wird, sorgen Targeting-instrumente für die Minimierung von Streuverlusten, indem nur die im Vorfeld einer Kampagnenschaltung definierten Zielgruppen werblich auch tatsächlich angesprochen werden. Und während im Suchmaschinenmarketing der Kunde selbst aktiv werden, sich zu erkennen geben und aus langen Listen sein „Target“ aussuchen muss, können Targeting-Adserver aktiv auf den Nutzer „zugehen“, überall auf einer Webseite, mit allen Werbemitteln – und damit eben auch mit Displaywerbung.

Ergo: Auf dem Evolutionsstrahl zeitlich verzögert zum Suchmaschinenmarketing, steuern nun auch in der klassischen Online-Werbung die ersten Vermarkter die Werbekampagnen ihrer Kunden direkt und streuverlustfrei auf die Zielgruppe aus – 1:1 oder sogar auf Zielgruppenebene in (möglichst) hoher Reichweite. Targeting macht klassische Online-Werbung also zum ersten Mal und bezogen auf die Reichweite im großen Stil steuerbar. Dabei steigt nicht nur die Effizienz, sondern gleichzeitig auch die Effektivität von Werbung: Im On-Demand-Zeitalter muss Werbung mehr denn je für den Verbraucher relevant sein, wenn sie ihn erreichen will. Individualisierung und Targeting, die punktgenaue Zielgruppenansprache von Werbung, sind die Schlüsselfaktoren für Relevanz. Da sich Mediennutzer nicht länger nur in vermeintlich affinen Umfeldern bewegen, ist das Hilfskonstrukt „Umfeld“ nur noch begrenzt tauglich in der digitalen Welt. Für die Werbung umfeldzentrierten Werbung zur bedeutet dies, dass sie ihren Fokus von der nutzerzentrierten Werbung verlagern muss. Das heißt, Werbung selbst muss die medialen Nutzergruppen erkennen – das Internet als echtes rückkanalfähiges Medium hat hier einen klaren medialen Leistungsvorteil.

57 Prozent der im Deutschen Werbebarometer I/07 befragten Entscheider versehen übrigens die „präzise Zielgruppenansprache durch Targeting“ mit dem Prädikat „sehr wichtig“ und sehen in der Mediasteuerung – Web 2.0 hin, Marketing 3.0 her – das Instrument, das dem Medium weiteren und nachhaltigen Werbeschwung verleiht.

Schließlich greift das Internet mit Targeting nicht nur urklassische Media-anforderungen auf, sondern bietet einen klaren medialen Leistungsvorteil und Mehrwert gegenüber anderen Werbemedien. Je nach Kampagnenziel und -kon-zeption kann Targeting sowohl Klick- oder Konversionsraten als auch klassische Parameter wie Markenbekanntheit, Werbeerinnerung, Kaufabsicht signifikant steigern. Möglich wird der Mehrwert durch die naturgegebene Eigenschaft des Internets, die Rückkanalfähigkeit. Durch sie kann fast sekundengenau gemessen und ausgewertet werden, wo sich der Nutzer gerade aufhält und welche Vorlieben er bei seinem Ritt durchs Netz an den Tag legt. Diese vom Konsumenten gelegten Fährten werden von den Anbietern – anonymisiert versteht sich – erhoben und analysiert und gemeinsam mit anderen Daten wie Soziodemografien, Psychografien oder dem Kaufverhalten zur gezielten Werbeaussteuerung eingesetzt.

Wie in der klassischen Werbung – dort allerdings nur in der Planung – können in der Online-Werbung klassische Zielgruppentypologien wie Kaufzielgruppen oder Milieus geplant, darüber hinaus aber auch – und das ist der entscheidende Unterschied und Vorteil – direkt angesprochen, das heißt „getargeted“ werden. Denn schließlich reichen Parameter wie Alter, Geschlecht und Einkommen alleine nicht mehr aus, um unterschiedliche Lebensstile zu erklären. Beispielsweise können komplexe Zielgruppen wie die Young Urban Professionals, kurz Yuppies, für die Online-Werbung modelliert und mittels Targeting direkt werblich angesprochen werden. Ebenfalls möglich ist die gezielte Aussteuerung nach regionalen und lokalen Kriterien. Man denke nur an Einzelhändler oder Filialisten, die nun gezielt lokal werben können. Targeting bietet also eine riesige Spielwiese für große Markenartikler, aber auch für kleine und mittelständische Unternehmen.

Die nächste Evolutionsstufe der Online-Werbung steht in Form der Verknüpfung von Targeting mit (Werbe-)Online-Videos, also Bewegtbildern, schon vor der Tür und bringt das Internet auf seinem Weg zum künftigen Leadmedium einen nächsten entscheidenden Schritt weiter. Eine Studie des US-amerikanischen Beratungsunternehmens Millward Brown zeigt, dass Werbungtreibende ihre Zielgruppe mit Videowerbung besser erreichen als mit traditionellen TV-Spots: Online-Videowerbung ist beliebter und erzeugt eine höhere Markenaufmerksamkeit, so das zentrale Ergebnis. Ein Selbstläufer sind die Werbefilme im Netz allerdings nicht. Online-Videokampagnen müssen qualitativ hochwertig und für den User relevant sein, sonst sind sie schnell weggeklickt. Nur die gezielte Aussteuerung (Targeting) von Video-Werbeformaten mindert Streuverluste und steigert Emotio-nalität und Aufmerksamkeit für Produkte und Marken.


Online-Werbung zwischen Hype und nachhaltigem Wachstum

Trotz aller Chancen und verlockenden Offerten, die das Medium bietet, ist es für Werbungtreibende und Agenturen entscheidend, echte Wachstumsmotoren und nachhaltige Entwicklungen in der Online-Werbung von schnelllebigen, vergänglichen Hypes zu unterscheiden. So sind ungeachtet allen medialen Rummels die Werbemöglichkeiten in virtuellen Welten wie Second Life den Nachweis ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit bislang schuldig geblieben. Ein dickes Ende in Form von beispielsweise gravierenden Schädigungen des Markenimages und viel verbranntem Geld kann auch der unkontrollierte Angang in anderen Web 2.0-Umfeldern wie beispielsweise Blogs oder Communities mit sich bringen. Im Kern bietet das Mitmach-Web zwar faszinierende Möglichkeiten der Kommunikation mit Konsumentenzielgruppen, das große „Aber“ aber auch hier: Werbung muss die Zielgruppe erreichen und für den Nutzer relevant sein.

Vor diesem Hintergrund nähern sich Online- und Offline-Werbung weiter an. Denn auch dort gibt es jenseits der klassischen 4c-Anzeige oder dem 30-Sekünder immer wieder neue Ansätze und Entwicklungen – seien es Sonderwerbeformen, virales oder Guerilla-Marketing. Die Diskussionen über diese neuen Welten sind massiv – Ausprobieren und Lernen ist hier zur Zeit noch die Devise. Und wie in der Online-Werbung auch, haben sie alle ihre Berechtigung – ob und wie man sie aber am Ende des Tages in das Potenzial zur erfolgreichen Massenkommunikation einbinden kann, wird die entscheidende Frage sein. Weiter bleibt das Internet ein lokales, beziehungsweise nationales Geschäft, auch wenn viele Trends aus Übersee kommen und die Märkte dort in zahlreichen Bereichen als weiter entwickelt gelten. Gerade nationale, in ihren Heimmärkten organisch gewachsene Player wie United Internet Media und InteractiveMedia, SevenOne Media und IP Deutschland auf Seite der TV-basierten Vermarkter oder die Burda-Tochter Tomorrow Focus wachsen zur Zeit besonders und liefern großen und kleinen Kunden den vernetzten Einstieg in Online als dominante Gattung im Mediamix.


Literatur

Kress Entscheiderpanel Medien: Deutsches Werbebarometer I/2007.
Millward Brown: CTV-1. – 2007.
ZenithOptimedia: Advertising Expenditure Forecast. – 2007.

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Über Matthias Ehrlich

CEO der ehrlich//strategies GmbH. Zuvor war er Vorstandsmitglied bei 1&1 und als BVDW-Präsident auch für die dmexco mitverantwortlich.