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Die Zukunft der Bau- und Heimwerker-Märkte

Der DIY-Markt im Umbruch – von der Umsatzstagnation zu neuen Ufern
Ulrich Eggert | 15.01.2010
Die Finanz- ist zur allgemeinen Wirtschaftskrise geworden, sie hat alle Staaten dieser Welt und in Deutschland letztlich alle Branchen erfasst.
Das GfK-Konsumklima hat die Talsohle durchschritten, die Umsätze des Handels jedoch sinken weiter, da der Konsument sein Geld für andere Dinge ausgibt (vgl. Abwrackprämie) und die Rezession erst mit Verzögerung auf den Arbeitsmarkt durchschlägt. Insbesondere dann ist ein weiteres Sinken des Handelsumsatzes in Deutschland zu erwarten.

Die Ausgangslage

Unabhängig davon stagniert der Umsatz im Bereich Do-it-yourself jedoch bereits seit über einem Jahr, was letztlich auch auf die verkümmerte Baukonjunktur zurückzuführen ist, und das Frühlingserwachen in 2009 war letztlich nur auf den Gartenbereich zurückzuführen. Die Konsequenz ist, dass die Bau- und Heimwerkermärkte die Grenzen ihres Wachstum in der bisherigen Form erreicht haben – sicherlich mit dem Ergebnis, dass die schleichende Konsolidierung des Marktes in einen allmählichen Galopp fallen dürfte. Denn die Flächenproduktivität in der Branche ist so schlecht, dass viele Betriebe die notwendige Verzinsung des Umlaufvermögens keineswegs mehr erreichen können. Die Umsätze stagnieren vor allen Dingen deswegen, weil die Verbraucher immer weniger Konsumgüter nachfragen, dafür aber umso mehr Dienstleistungen – und die lassen sich bekanntlich nicht mit Gabelstaplern in Baumarktregale schieben!
Das führt zu Rabatten ohne Gleichen bis hin zu "X% auf alles außer Tiernahrung". Aber wir erleben nicht nur einen Innerbranchenwettbewerb, sondern auch einen Interbranchenwettbewerb, denn wer sich ein neues Auto kauft – und das womöglich auf Basis eines mehrjährigen Kredites –, der wird vorläufig sein Haus nicht grundlegend renovieren und auch keinen neuen Garten einrichten. So sinken die einzelhandelsrelevanten Ausgaben der Verbraucher nicht zuletzt auf Grund der Abwrackprämie trotz steigenden Einkommens.

Der Wettbewerb führt, wie schon zuvor angeführt, zur weiteren Verschärfung des Preiskampfes, die „Mitte“ kommt in Bedrängnis und verschiebt sich weiter in den unteren, preisaggressiven Bereich.
Der Service der Unternehmen ist zudem in der Regel miserabel, es setzt zu wenig Polarisierung ein im Sinne von „raus aus der Mitte“ in Richtung auf der einen Seite Discount und auf der anderen Seite Service, Beratung, gehobene Angebote usw. Dann ist es auch kein Wunder, dass der Verbraucher zu einzelnen Unternehmen kein Stammkundschaftsverhalten entwickelt, die Loyalität der Verbraucher gegenüber den Unternehmen ist minimal. Bevorzugt wird in der Regel das Unternehmen, das am nächsten liegt. Am Nächsten läge jedoch das Internet, sprich: E-Commerce. Aber auch hier herrscht weitgehend Ebbe in der Branche, ein breites Angebot mehrerer Unternehmen fehlt.
Außerdem fehlt die Nahversorgung. In früheren Jahren gab es ausreichend Eisenwaren- und Hausratgeschäfte in Deutschland, die eine Nahversorgung für Eisenwaren, Kleinteile, Werkzeuge usw. sicherstellten. Wer jedoch heute einen Hammer braucht, fährt 8 km zum nächsten Baumarkt – und das am Liebsten im BMW oder Mercedes mit einer Verdreifachung des Preises von 10 € auf 30 €! Über die Golden Ager, die Senioren, wird viel geredet, aber es wird noch lange nicht an sie gedacht: Beratung, Service, Dienstleistungen, entsprechende Sortimente wie Living, Ruhe- und Leseecken – all das sind Einzelfälle. Genauso wird in der Branche viel von Frauen geredet – und genauso wenig an sie gedacht. Das Gleiche gilt auch für die Migranten.

Entwicklungen

Das ist der Status quo. Die Frage ist: Wie wird es weitergehen? Dazu folgende Kurzthesen:

• Fortsetzung der Pluralisierung der Lebensstile.
• Die Discountorientierung wird sich verstärken.
• Vom Massenmarkt zum Mikromarkt.
• Vom Produktvermarkter zum Lösungsanbieter.
• Interkulturelle Kompetenz kommt auf.
• Neue Nahversorgungskonzepte werden entstehen.
• Das Nachhaltigkeitsdenken erzwingt eine neue Moral der
Märkte.
• Der Rationalisierungsdruck wird sich enorm steigern.
• Die Konsolidierung in der Branche wird sich extrem
verschärfen durch Übernahmen einerseits und Verdrängung
andererseits.

Wer Finanzkraft hat, kann andere übernehmen – wem sie fehlt, der muss durch operative Exzellenz in die Lage versetzt werden, den Wettbewerber zu verdrängen, denn der Markt wird auch in Zukunft nicht wachsen. Die Konsequenz ist, dass die „Kleinen“ aussterben und sich innerhalb der bestehenden Gruppen neue Regionalgruppen bilden werden, die in einem Besitz sind und unter dem Namensdach eines „Großen“, etwa einer Verbundgruppe oder eines Franchisers, in einer Region zum Marktführer aufsteigen können.

Strategieansätze

Was ist zu tun? Wie sollte man sich auf die künftigen Entwicklungen einstellen?
Zunächst einmal geht es darum, neue Marktpotenziale zu erschließen, neue Zielgruppen – und das sind auf der einen Seite die Senioren und die Frauen, auf der anderen Seite die Profis. Nicht vergessen werden sollte die Generation Y, die Kinder der Babyboomer, die in großer Freiheit aufgewachsen sind und für die der PC und das Internet täglich Brot darstellen. Eine Polarisierung und Differenzierung der Formate muss stattfinden und dabei spielt die Emotionalisierung des Auftrittes eine ganz entscheidende Rolle. Das bedeutet zunächst auch eine Entwicklung neuer Grundsatzformate, zum Beispiel weg vom Megastore hin zu Nachbarschaftskonzepten, zu Luxuskonzepten, zu Kiosk-Systemen in anderen Häusern mit dem Thema Reparieren statt Renovieren.

Aber das Entscheidende wird sein, dass die einzelnen Unternehmen zur echten Retail Brand werden müssen – der Handel muss sich selbst zur Marke machen und sich selbst vermarkten, wobei Eigenmarken zu integrieren sind. Niemand wird mehr an E-Commerce und damit Multi-Channel-Retailing vorbeikommen, sei es über globale E-Commerce-Handelsportale oder auch durch den Aufbau von Spezialisten in einzelnen Segmenten. Mithilfe von RFID-Chips lassen sich Techno-Discounter entwickeln, die nahezu völlig ohne Personal auskommen und durch ihre niedrigen Kosten Kleinformate bilden können, die auch für die Nahversorgung aufgebaut werden sollten.POS-Medien, Instore-TV und andere digitale Inhouse-Medien („Digital Signage“) werden immer wichtiger. „Easy to Shop“ ist das Motto, Convenience muss geboten werden. Austauschbare Sortimente gilt es zu vermeiden und neue Sortimentspotenziale zu entwickeln. Das Thema Category Migration ist keineswegs zu Ende: frei nach dem Motto von IKEA: „Möbel – Wohnen – Leben“ können Bau- und Heimwerkermärkte ihre Konzepte entwickeln nach dem Motto: „Bauen – Wohnen – Leben“. Die Potenziale sind in den „schönen Dingen“ zu sehen – und das heißt auch Ware + Service und Dienstleistungen. Problemlösung ist gefragt und Problemlösung heißt in Fortsetzung dieser Kette:

Ware + Dienstleistung + Service + Beratung + Information + After-Sales-Service.

Auch die rollierenden Sortimente, wie wir sie heute vor allen Dingen bei Discountern, aber auch bei Tchibo und großen Möbelläden erleben, werden Einzug in die Bau- und Heimwerkermärkte halten. Angebote zur Freizeitgestaltung im weitesten Sinne auf der Basis von Dienstleistungen und Informationen zum Thema Nachhaltigkeit und Umwelt werden eine Selbstverständlichkeit. Die Kundenbindung auch und besonders durch Social Marketing wird in Zukunft großgeschrieben werden müssen – bis hin zum Einsatz von Kundenkarten mit Bonifizierungen von Mehr-Käufen. Mittelständische Unternehmen werden nur in Verbundgruppen arbeiten können und diese müssen sich zu voll integrierten Verkaufssystemen entwickeln, d. h., nicht der Einkauf steht mehr im Vordergrund, sondern der Verkauf unter einem einheitlichen System und damit einer einheitlichen Marke, einereinheitlichen Retail Brand.

Aber genauso ist eine Kooperation mit den Lieferanten dringend erforderlich, eine Vertikalisierung der Systeme. Never out of Stock auf der einen Seite, aber Verringerung der Lagergrößen auf der anderen Seite sind dringend erforderlich. Das Thema Profis ist und bleibt interessant für Bau- und Heimwerkermärkte, aber das verlangt eine völlig neue Kultur: Belieferung, Rechnungen stellen, Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit usw. Gegenüber dem Endverbraucher aber geht es zusammengefasst um Profilierung – und damit Bildung einer echten „Retail Brand“ –, Differenzierung, interessante Sortimente, Kundenbindung und Erreichbarkeit durch Nachbarschaftsformate, zum Beispiel auf der Basis der bereits zuvor erwähnten RFID-Chips.

Diese und weitere Ausführungen im Detail finden Sie in der thesenartig aufgebauten rein verbalen Kurzstudie „Die Zukunft der Bau- und Heimwerkermärkte in Deutschland“ von der Ulrich Eggert Consulting, Köln, Tel. (0 22 34) 94 39 37, s. auch kostenlosen Download unter www.ulricheggert.de.