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Endlich wieder 21

Die wilden 70er Jahre. Einige werden sich noch an die Kultcreme Creme 21 erinnern, die zum Star am Allzweck-Creme-Himmel wurde.
Sebastien Philipp | 12.01.2007
Endlich wieder 21

Flokati-Teppiche, Discokugeln und Plateauschuhe. Glastanzflächen, die in diversen Farben hektisch leuchten und der Jüngling John Travolta, der den Tanzstil einer ganzen Generation prägt – das ist die unvergessene Ästhetik der 70er Jahre. Die Popband ABBA leitet mit ihrem Grand-Prix-Sieg ein musikalisch heißes Jahrzehnt ein und die alternative Hippiebewegung rüttelt an den Konventionen der Nachkriegsgesellschaft. In dieser Zeit des Umbruchs der Innovation und Ausgelassenheit stürmt eine neue Allzweckcreme in knalligem Kunststofftiegel im lebhaften Orange auf den Markt: Creme 21. Die Idee zur Entwicklung einer neuen Kosmetikmarke entsteht vor dem Hintergrund preispolitischer Überlegungen und tiefgreifender Veränderungen in den Handelsstrukturen für Kosmetik- und Pflegeprodukte.

Creme de la Creme
Weg vom Fachgeschäft lautet die Devise des Marktes Ende der 60er Jahre. Bis dato sind kosmetische Produkte vornehmlich in Fachgeschäften und Drogerien zu entsprechend hohen Preisen erhältlich. Supermärkte und Einkaufszentren überschwemmen – ganz wie im gelobten Land Amerika – die Bundesrepublik. Für Pflegeprodukte bedeutet das: Adé Fachhandel – Hallo Supermarktregal. Durch die mit der Verbreiterung der Handelsformen einhergehende Selbstbedienung wird der Konkurrenzdruck erhöht. Die veränderte Marktsituation gibt Fabrikanten wie Henkel neue Produktimpulse. So sieht der Kosmetik- und Klebstoffhersteller Henkel der Restrukturierung des Handels eine erfolgversprechende Chance, den Kontrahenten Beiersdorf mit seinem Marktführer Nivea vom Allzweckcreme-Thron zu stoßen. Das Projekt von Henkel 1967 läuft unter dem Titel „Lebensmitteleinzelhandel-Kosmetik“. Innerhalb einer ganzen Pflegeprodukt-Serie wird Creme 21 als modisches Spiegelbild zur Hautcreme aus Hamburg entwickelt.

Mit 21 wird man erwachsen
Jung, unbekümmert und progressiv, so wird Creme 21 1970 bewusst konträr zu Nivea eingeführt. Mit dem Slogan „Creme 21 – Hält die Haut jung“, der damals modernen Farbe Orange und einer Kampagne, die als Novum viel nackte Haut zeigt. 1974 dann der Hingucker im Werbemarkt – die „Creme-Klecks-Kampagne“. Verschiedene Körperregionen wie Hüfte, Bauchnabel oder Nase werden mit frechen Creme-Klecksen versehen. Das Ergebnis: Deutschland und die USA kennen Creme 21. In nur zwei Monaten steigt der Marktanteil der Creme 21 von 8 auf 18 Prozent und die Klecks-Kampagne gewinnt Gold für die beste Print- und Filmkampagne in Deutschland und Silber in den USA für die beste nicht-amerikanische Werbekampagne.

Die unkonventionellen Werbekampagnen fördern den Erfolg, aber Henkel setzt 1971 zudem auf die damals noch wenig verbreiteten Promotion-Aktionen. So verfrachtet man z.B. im Rahmen einer Tahiti-Aktion 21 Paare in die Südsee oder verlost lustige Honda-Motorräder bei der Hot Monkey-Promotion. Darüber hinaus ist der Name Creme 21 ebenfalls mit Bedacht gewählt. Mit 21 Jahren erreicht man in den 70er Jahren die Volljährigkeit und gilt als erwachsen. Ein familienfreundliches Bindeglied wird für all diejenigen geschaffen, die auf oder hinter der Schwelle des Erwachsen-Werdens stehen und dabei jung bleiben wollen. Dies versucht Henkel mit der Wahl des Markennamens.

Creme-Krieg
Die angriffslustigen Kampagnen führen zum Erfolg und bei einigen Konsumenten wird der Wechsel der Hautpflegemarke angeregt. Henkel ist ermutigt, das Sortiment der Marke Creme 21 stetig zu einer Ganzkörperpflegeserie zu erweitern. Dabei entstehen interessante Innovationen, wie der Creme 21-Hautregulant. Die Neuheit soll besonders den Fett- und Feuchtigkeitshaushalt der Haut positiv beeinflussen. Oder Hautcreme in Aerosolform, d.h. in der Spraydose gibt es im Sortiment. Der Konkurrent Beiersdorf schlägt seinerseits mit provozierenden Anzeigen und Slogans wie „Die Creme de la Creme" oder „Wenn es eine Bessere gäbe, würden wir sie machen" zurück. Henkel bleibt nur ein Ausweg: Eine einstweilige Verfügung gegen die in den 70ern noch verbotene vergleichende Werbung wird durchgesetzt. Der juristische Erfolg kann den Untergang der Creme 21 allerdings nicht verhindern.

Es gibt mannigfaltige Gründe, warum die Marke unterging. So gelingt es der faszinierenden Werbebotschaft der Creme 21 in den schrillen 80. Jahren kaum noch das hohe Aktivierungslevel zu halten. Das künstlich anmutende Orange der Verpackung läuft den Konsumentenansprüchen von ökologisch inszenierten Produkten zuwider. Henkel wählt die Strategie, sich auf vielversprechendere Produkte im Sortiment zu konzentrieren, so dass die Creme 21 im Jahr 1986 in Deutschland komplett aus dem Markenportfolio verschwindet. Die Marke bleibt in Singapur oder den Vereinigten Arabischen Emiraten auf dem Markt, erlangt aber in Deutschland bis zum Jahr 2002 keine Bedeutung mehr.

Endlich wieder 21
Der Nahe Osten brachte die orange verpackte Allzweckcreme der Unternehmerin Antje Stickel wieder näher. Ein Tiegel Creme 21 erinnert sie an ihre Jugend. Anfang 2003 erwirbt Stickel die Markenrechte von Henkel. Gleichzeitig schließt sie einen Kooperationsvertrag mit dem Düsseldorfer Konzern. Daraufhin startet die Produktion der neu aufgelegten Pflegeprodukte. 2004 kommen die Creme, eine Bodylotion und -milk sowie der Creme 21-Duft in die Regale. Seife und Duschgel und -creme sollen folgen.

Mit geschätzten 0,5 Prozent fällt der Marktanteil der Kult-Creme in der Sparte Hautcreme in Deutschland noch gering aus. Um die versunkene Creme 21 wieder zum Erfolg zu führen, bedarf es an Faszinationspotenzial. Dies sollte nicht bei den vergangenen Erfolgen und der damaligen Faszination stehen bleiben. Die Zeit ist vorbei, in der Creme 21 die Ikone vergangener Konsumerlebnisse war. Die Marke blickt in eine Zukunft in der die aktuelle Anspruchserfüllung inszeniert werden muss.

Creme 21 hat Faszinationspotenzial, denn der Markennamen wird in kontextfremden Angebotsbereichen eingesetzt. 1994 formiert sich die Deutsch-Pop-Band mit dem Namen Creme 21, Heilbronn besitzt seit 2000 einen Nachtclub namens Creme 21 und seit 2002 existiert die Creme 21 Youngtimer Rallye. Die Automobilklassiker, die teilnehmen, müssen mindestens 21 Jahre alt sein. Ob die Allzweckcreme das Potenzial noch einmal nutzen kann, steht in den Sternen.


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Über Sebastien Philipp

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