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Handel und Marke

Vor dem Profit kommt immer erst das Profil
Ulrich Eggert | 12.05.2010
Der Weg zum Kunden wird immer teurer, denn auf der einen Seite flacht die Erinnerung des Kunden aufgrund der ständig zunehmenden Vielfalt der Angebote ab, auf der anderen Seite aber steigen die Werbeausgaben, weil immer mehr neue Werbekanäle auf dem Markt dazu kommen, aber keine substituiert werden. Gab es um 1900 nur Zeitungen/Zeitschriften und Litfaßsäulen, wo Werbung betrieben werden konnte, so kamen wenig später das Radio, Kinos, Fernsehen, Internet und was auch immer hinzu. Aber auch in den Geschäften zeigt die Stimulivielfalt permanent durch neue Produkte, neue Angebote, Verräumungen und ähnliche Auslöser. Dadurch kommt die Kommunikation in eine Situation der Engpässe: Der Verbraucher ist an der Grenze seiner Lernfähigkeit angelangt, der Kampf um die Prime-Plätze in den Medien nimmt zu und der Kampf um den Platz im Regal des Handels wird immer aggressiver.
Unabhängig davon tritt seit Jahren ein völlig anderer Effekt auf den Markt: Wir haben das Industriezeitalter verlassen, befinden uns im Informationszeitalter und sind bereits im Übergang zum sogenannten Conceptual Age. Das bedeutet nichts anderes, als dass in Zukunft Kreativität, Ideen und damit Emotionen immer stärker im Vordergrund der Entscheidungen der Verbraucher stehen – und weniger die Ware selbst oder die Information dazu. Emotionen stehen immer stärker im Vordergrund: Sie basieren auf Faszination, die auf den Einzelnen einwirkt. Faszination kann durch Themen und Geschichten übertragen werden, basiert jedoch in der Regel auf positiver Provokation, was nichts anderes bedeutet, als dass der Betroffene durch ein für ihn ungewöhnliches Ereignis, Erlebnis etc. aufgerüttelt wird. Diese Entwicklung führt dazu, dass etwa im Handel zwar die traditionellen Erfolgsfaktoren wie Preis, Auswahl, Standort usw. nicht verschwinden, jedoch durch neue Erfolgsfaktoren – nämlich Einzigartigkeit, Schnelligkeit, Offenheit, Emotionen im weitesten Sinne und so fort – ergänzt und zum Teil ersetzt werden. Betriebswirtschaftliche Faktoren treten immer mehr in den Hintergrund, emotionale Faktoren rücken nach vorne und Profit entsteht durch Profil – und das durch schwer kopierbare emotionale Faktoren.
Das Problem der Konsumentenkonfusion und der Emotionalisierung der Verbraucher bedarf einer gemeinsamen Lösung im täglichen Umgang von Industrie und Handel mit ihnen. Und diese Lösung heißt:
MARKE.
Denn die entscheidenden Unterschiede einer Marke zu einem einfachen Produkt sind Gefühle, Emotionen, Erlebnisse usw. – das emotionale „Want“ ergänzt das faktische „Need“ und das wären die klassischen Produkteigenschaften wie Qualität, Langlebigkeit, Wertigkeit, Systeme und was auch immer. Zugleich bedeutet Marke aber auch Wiedererkennung und Orientierung und das ist zunächst einmal die Identifikation einer Leistung und die Möglichkeit, sich daran zu orientieren. Das, was der Mensch erkennt und als positiv im Innersten erfasst hat, daran erinnert er sich – daran kann er sich orientieren und im positiven Fall auch Vertrauen gewinnen bzw. sogar in Fortsetzung Kompetenz zuordnen und Prestige erfahren. Marken wirken der Orientierungslosigkeit des Menschen aktiv entgegen, indem der Konsum-Overload durch spezielle Markenfunktionen wie Vorselektion und damit Reduktion der Orientierungslosigkeit und neuer Klarheit zurückgedrängt wird. Der Mensch sucht in seiner Umgebung nach bekannten Mustern: Er sucht Erfahrung, an der er sich orientieren kann. Selbst in endlosen Variationen ein und derselben Sache möchte er etwas Vertrautes erkennen – und verwehrt man dem Menschen diese Möglichkeit, reagiert er sehr schnell ablehnend bis aggressiv.
Dieses vertraute Muster nennt man den „genetischen Code“ einer Marke, das ist die positive Hintergrundstimmung, die den Menschen zum Verweilen einlädt, die die Wahrnehmungsreize emotional positiv einfärbt. Das Gehirn liebt die Wiedererkennung und so hat ein bekanntes Gesicht im Wahrnehmungswettbewerb grundsätzlich bessere Karten, denn Wiedererkennbarkeit fördert auf der einen Seite Vertrauen und erleichtert auf der anderen Seite den Wahl- bzw. Kaufakt. Das bedeutet, dass die kognitive Einstellung des Gehirns reduziert wird – und das bedeutet in Fortsetzung: Der Mensch reduziert sein kritisches Verhalten.
Was leistet eine Marke für wen? Die Ulrich Eggert Consulting, Köln, www.ulricheggert.de führt in der Studie „HANDEL & MARKE“ dazu aus:
— Für den Konsumenten ist es die vereinfachte Einkaufsentscheidung,
— für den Lieferanten die höhere Akzeptanz des Abnehmers,
— für die Mitarbeiter die stärkere Motivation durch eine eventuelle Premiumstellung,
— für die Strategie die Schaffung von höheren Eintrittbarrieren,
— und damit insgesamt für den Markeninhaber die Möglichkeit, einen höheren Preis zu erzielen und mehr Stabilität in das Geschäft zu bringen.
Der Weg zur Marke führt demnach von Bekanntheit über Image / Sympathie sowie Kaufbereitschaft schlussendlich zu Besitz bzw. Verwendung.
Marken sind zu einem bedeutenden Faktor der Volkswirtschaft geworden: Der jährliche Umsatz mit ihnen dürfte zurzeit bei ca. 400 Mrd. Euro p. a. liegen – alleine in Deutschland. Die Markenartikelindustrie hat dabei im Rahmen des verarbeitenden Gewerbes einen Anteil von über einem Drittel erreicht und die Exporte von Marken belaufen sich mittlerweile auch auf beinahe 200 Mrd. Euro p. a.
Marken gibt es schon seit Tausenden von Jahren, sie erfüllen den Wunsch nach Orientierung, Sicherheit und Vertrautheit und schaffen somit einen Wert für den Kunden. In Deutschland gibt es momentan ca. 200 starke Marken, ca. 60.000 werden regelmäßig beworben und beim Deutschen Marken- und Patentamt (DPMA) sind über 700.000 „Märkchen“ eingetragen.
Für den einen sind Marken die Abschöpfung der Zahlungsbereitschaft, für den anderen der verdichtete Ausdruck einer spezifischen Unternehmensleistung. Der Begriff selbst bezeichnet grundsätzlich eine „Markierung“ und kommt vom griechischen „Marka“ (deutsch: Zeichen) und in seiner allgemeinsten Bedeutung weist es lediglich auf jegliche Art von Kennzeichnung hin. Im Sinne eines Warenzeichens ist der Begriff Marke ein juristischer Begriff; er kennzeichnet rechtlich geschützte Waren und/oder Dienstleistungen eines Unternehmens, um deren Herkunft / Urheberschaft zu dokumentieren. Es gibt Wortmarken, Bildmarken, Bild- / Wortmarken, Farbmarken usw. Laut WIKIPEDIA werden als Markenartikel oder auch Marke Konsumgüter oder Dienstleistungen bezeichnet, die mit bestimmten, identitätsstiftenden Eigenschaften ausgerüstet sind. Da sowohl Industrie- als auch Handelsunternehmen einen rechtlichen Schutz ihrer Marke beanspruchen können, spricht man auf der einen Seite von Herstellermarken und auf der anderen Seite von Handelsmarken. Die Eigenschaften oder Bestandteile einer Marke sind ihr Name, das Markenzeichen / Logo, ein Slogan, der Bekanntheitsgrad, eine gleichbleibende Qualität und die Überallerhältlichkeit zu einem gleichen oder ähnlichen Preis. Das Entscheidende aber ist, dass die Marke ein in der Psyche des Konsumenten verankertes, unverwechselbares Vorstellungsbild von einem Objekt oder einem Subjekt darstellt. Dabei ist der Markenname der Teil der Marke, der sich verbal wiedergeben lässt; das Markenzeichen ist ein weiterer erkennbarer Teil der Marke. Warenzeichen und Copyright dienen ihrem gewerblichen Schutz.
Aber weshalb nun schafft man Marken? Die Ziele von Marken aus Managementsicht sind etwa die Differenzierung vom Wettbewerb oder eine besondere Wirkungserzielung durch Kundenbindung und/oder Neukundengewinnung, Erreichen von Marktanteilen und Durchsetzen der Produkte im Markt. Die Erzielung von Zusatzerträgen und eine graduelle Besserstellung des Unternehmens im Sinne von Premium sind der Marke impliziert – das Unternehmen soll gegenüber dem Wettbewerb abgesicherter auftreten.
Aus Konsumentensicht geht es im Hinblick auf die Marke nicht nur um Orientierung und Absicherung der Kaufentscheidung, sondern es geht auch um die Erfüllung der sozialen Bedürfnisse – dem Wunsch nach Wertschätzung und Selbstverwirklichung. Aus Kundensicht sind die Nutzenelemente einer Marke somit auch im Bereich der Sozialfaktoren angesiedelt.
Aus Unternehmenssicht ist eine wesentliche Basis der Markenbildung eine vorhandene Corporate Identity (CI). Diese Unternehmensidentität basiert auf einer kommunikationsfähigen Unternehmenskultur, einem Unternehmenserscheinungsbild als einheitlich gestalteter Gesamtauftritt sowie einer einheitlichen Unternehmenskommunikation als aktiver Dialog mit den Mitarbeitern und der Umwelt des Unternehmens. In diesem Sinne bezeichnet Corporate Behaviour die widerspruchsfreie Ausrichtung aller Verhaltensweisen und Reaktionen des Unternehmens bzw. seiner Mitarbeiter im Innen- und Außenverhältnis.
Hersteller werden aus der Corporate Identity die Corporate Brand Identity schaffen, die Gesamtheit aller abgestimmt gestalteter Unternehmensmarken. Im Handel entsteht daraus die Retail Brand: der Handel macht sich selbst zur Marke.
Die Wahl der geeigneten Markenarchitekturen als die aufeinander abgestimmte Struktur der Marken im Gesamtprogramm eines Unternehmens ist für die Markenpolitik eines Herstellers von großer Bedeutung. Auf Handelsseite ist das die Abstimmung der gesamten Marketingmaßnahmen einschließlich der integrierten Hersteller- und Eigenmarken zur Retail Brand, was ja nichts anderes ist als das abgestimmte System des kompletten Angebotes und der darum herumgebildeten Erlebniswelten für den Konsumenten.
Der mittelständische Fachhandel ist nicht in der Lage, durch Preiskriege den Wettbewerb zu gewinnen, dafür ist er finanziell nicht genügend gerüstet. Er kann nur auf der Leistungsseite zum Sieger werden und die Leistungsseite besteht einerseits aus seinen Strategien und Konzepten – und damit letztlich seinem inhaltlichen Angebot – und auf der anderen Seite deren Wirkung nach außen – sprich Image und Emotionen, so wie es beim Verbraucher ankommt. Diese Aspekte sind es, die das Unternehmen selbst zur Marke machen: damit schafft das Unternehmen Werte, um sich von anderen Unternehmen abzugrenzen. Denn der Kern einer Marke ist letztlich der Unterschied zu einer anderen Marke, besteht in der Differenzierung der Gesamtleistung und der Sicht, wie die Konsumenten diese Differenzierung erfahren.
Mittelständische Unternehmen werden sehr häufig gezwungen sein, eine Retail Brand nur bedingt selbst aufbauen zu können, sondern es nur „im Konzert“ mit anderen zu schaffen, nämlich im Rahmen einer Verbundgruppe, welcher sie angehören. Deshalb wird es immer wichtiger, dass Verbundgruppen sich selbst zur Marke machen – zur Retail Brand. In diesem Umfeld spricht man in der Regel dann von Dachmarken, wenn dieser Begriff auch seitens der Hersteller für andere Zwecke verwandt wird.
Der Wettbewerb im Handel ist heute so scharf, dass nicht mehr Händler A gegen Händler B auftritt, sondern Filialsystem A gegen Franchisesystem B gegen Verbundsystem C usw. Systeme entscheiden den Wettbewerb und mittelständische Unternehmen müssen versuchen, sich in Systeme zu integrieren bzw. selbst Systeme aufzubauen. Die Verbundgruppen des Handels sind hierfür die entscheidende Basis. Damit diese Gruppen dann als System gegenüber dem Endverbraucher auftreten und eine Einheitlichkeit entwickeln können, bedarf es der Marke, eben der Retail Brand oder der Dachmarke. Nur die Verminderung der Heterogenität der Mitglieder einer Verbundgruppe unter dem Dach einer vereinheitlichten Strategie mit dem vereinheitlichten Namen wird es schaffen, ein Gegengewicht zu den großen Systemen zentral gesteuerter Gruppen zu schaffen. Letztlich haben Verbundgruppen heute nur die Wahl, entweder auf der einen Seite als „Konditionsverein“ zu arbeiten, d. h. für die Mitglieder die besten Konditionen im Einkauf zu besorgen, oder auf der anderen Seite im Sinne einer Gesamtstrategie die Gruppe durch einheitliches Marketing auf der Basis einer einheitlichen Marke „front end“ nach vorne zu bringen - dann können die entsprechenden Skaleneffekte und damit Vorteile für die Mitglieder erarbeitet werden.
Gelingt es den Unternehmen oder Gruppen, in ihrer Unternehmenspolitik eine entsprechende Retail Brand oder auch nur Betriebstypenmarke aufzubauen, dann schaffen sie Werte – nicht nur im Verhältnis der Unternehmen zum Verbraucher, sondern auch „echte“ Werte, die sich in Euro und Cent ausdrücken. Bekannte Marken erreichen börsenfähige Millionen-, ja sogar Milliardenwerte.