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Markenführung: Diktatur oder Mitarbeiterdemokratie?

Zwei Geister streiten sich: Ist Markenführung ein Diktat oder sollen die Mitarbeiter einbezogen werden?
Die Frage ist falsch gestellt.
Klaas Kramer | 27.12.2009
Welche von beiden ist richtig?

Beide Richtungen werfen der jeweils anderen vor, total auf dem Holzweg zu sein.
Die Diktat-Schule unterstellt der anderen, sie hätte das Wesen der Marke nicht verstanden und würde aus Angst vor klaren Entscheidungen für schwächliches Händchenhalten plädieren.

Die Schule, die die Mitarbeiter einbeziehen möchte, argumentiert, ein Diktat wäre wirkungslos, da die Menschen sich nicht nach dem Nürnberger-Trichter-Modell Markenattribute ins Unterbewusste einimpfen lassen und fortan danach handeln.

Beide Richtungen haben Recht.

Für sich allein betrachtet sind sie dennoch falsch, weil sie von einseitigen Prämissen ausgehen.
Die Anhänger der Diktat-Schule haben Recht, wenn sie eine wesentliche Funktion der Marke darin sehen, einen Orientierungsengpass aufzulösen.
Je nach kulturellem Kontext kann diese Orientierung auf patriarchisch-väterliche, partnerschaftlich-egalitäre oder unnahbar-divenhafte Weise geliefert werden.

Die Internal-Branding-Schule (= mitarbeiterorientierte) hat verstanden, dass kaum noch ein Unternehmen von einer charismatischen Persönlichkeit geführt wird, die auf Mitarbeiter und Produkte ausstrahlt.
Ein technokratisches Board of Directors kann weder Leitbildentwicklung noch Corporate Branding nach dem Top-Down-Prinzip durchsetzen, egal wie hochkarätig die Markenberater sein mögen.

Warum klappt das in der Praxis nicht?

Die Antwort ist gar nicht so schwer:
Bei der Arbeit an der Implementierungslücke operieren Berater und Manager mit einer unpraktischen Landkarte: Analyse, Ziel, Strategie, Umsetzung, Kontrolle. Das ist die gute alte lineare BWL mit dem kleinen Rückkopplungspfeil. So funktioniert es nicht.
Es funktioniert nur scheinbar so, weil in Abstimmungsrunden immer wieder Stückwerke dieser falschen Landkarte reproduziert und zusammengepuzzelt werden. So machen Sie sich was vor.
Die meisten Markenberater müssen sich als Lösungslieferanten verkaufen, die auf das brennende Problem des Auftraggebers trifft: „So, hier haben wir einen Bereich, der noch nicht durch meine rational kalkulierte Reportingsprache abgedeckt ist: die Marke. Nehmen Sie das Geld und liefern sie mir dafür alle Argumente, die ich in der Organisation zum Kitten dieser Unsicherheitslücke brauche.“ Gesagt getan. Der Berater liefert Budenzauber-Rhetorik in Form von mechanistischer Markentechnik oder Bilderchen mit leuchtenden Gehirnregionen. Ein schwacher Kopf ist gerettet.
Die Marke, das Unternehmen und in der Folge alle schwachen und starken Köpfe sind gefährdeter denn je.
Wer mit den auf Mechanismus und Linearität basierenden Landkarten jetzt Mitarbeiterschulungen zum Thema Marke machen will, verpulvert nutzlos Geld.
Markenberater, die zuvor in Werbeagenturen gearbeitet haben, hängen zu gern an veralteten Kommunikationsmodellen und wollen nach dem Stimulus-Response-Prinzip Markenwerte vermitteln. Dass das im Markt nicht funktioniert, fiel wegen der unterschiedlichen Rationalität von Markt und Organisation lange niemanden auf. Arbeiten Sie mit anwesenden Menschen in einem Raum, so zeigt sich das Scheitern von Stimulus-Response.
Jeder Trainer, der Kurse beim Arbeitsamt gibt, weiß mehr über Gruppendynamik und Systemik.
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Über Klaas Kramer

Vermittlung von Konzepten, Denk- und Handlungsmodellen für Bewusstwerdungsprozesse zur Vorbereitung auf künftige Herausforderungen im Marketing-Mana