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One-to-One-Marketing- Personalisierte Websites

Die Anpassung der Website an die Interessen und das Kaufverhalten der Nutzer ist eine verlockende Option. (Buchbeitrag)
Frank Puscher | 02.05.2008
Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Online-Marketing
http://buchblog.marketing-boerse.de
http://www.marketing-boerse.de/Info/details/LeitfadenOM


Die Anpassung der Website an die Interessen und das Kaufverhalten der Nutzer ist eine verlockende Option. Doch Vorsicht vor den Gefahren für Ihre Marke, die hinter schlecht gemachter Personalisierung lauern.

Kaum fünf Jahre nach Ende der Dot-Com-Ära kehrt die Idee der Personalisierung von Websites mit Macht zurück. Das Paradigma ist gleich geblieben: Nur wenn sich Personalisierung lohnt, nehmen die Nutzer den Aufwand in Kauf. Doch die Rahmenbedingungen haben sich geändert. Geneigte Nutzer haben heute nicht nur die Auswahl aus einer Handvoll Nachrichtenticker und Wetterdienste, deren Informationen sie in einem farblich individualisierten Layout im Netz speichern. Stattdessen stehen heute mit Blogs, YouTube-Videos und RSS-Feeds tausende neuer Quellen für die Personalisierung zur Auswahl. Und eine weitere Entwicklung trägt zum neuerlichen Erfolg der Personalisierungsdienste bei: Immer mehr Arbeitsabläufe verlagern sich zumindest teilweise ins Netz. Der Web-Mail-Client ersetzt Outlook, das Social Bookmarking Tool tritt an die Stelle lokal gespeicherter Favoriten und in nächster Zukunft werden auch einfache Arbeiten, wie zum Beispiel das Verfassen von Standardbriefen durch Web-Applikationen ausgeführt. Alles gemeinsam lässt sich in Form von Mash-ups wunderbar zur individuellen Arbeits- und Informationszentrale im Netz zusammenfassen.


Formen der Personalisierung

Die persönliche neutrale Startseite ist freilich nur eine Variante der Personalisierung. Angetrieben vom Gedanken der dauerhaften Kundenbindung versuchen auch viele Onlinehändler, Dienstleister oder redaktionelle Anbieter dem Kunden ein persönliches Online-Erlebnis aus den eigenen Inhalten zu stricken. Das beginnt mit MemberAreas“, der einfachen Kaufempfehlung bei Amazon, das setzt sich fort in „in die sich der Kunde einloggt, um anhand seiner individuellen Präferenzen schneller mit den Inhalten einer Website arbeiten zu können und das endet in vollständig individualisierbaren Onlineshops, wie sie HewlettPackard zum Beispiel seinen Geschäftskunden anbietet. Der gut eingerichtete Shop weiß, welchen Laserdrucker Sie am Arbeitsplatz haben und welcher Toner dafür zu bestellen wäre. Big Brother mit Mehrwert.

US-Experte Jack Aaronson, der für den Buchversender Barnes & Noble fünf Jahre lang die Personalisierungssysteme aufbaute und betreute, unterscheidet in drei Grundformen der Personalisierung:


Die anonyme Personalisierung

Was sich paradox anhört, ist für Aaronson derzeit eines der heißesten Themen. Wie kann der Inhalt auf bestimmte Benutzer zugeschnitten werden, ohne diese bereits vorher zu kennen. Die Antwort ist einfach. Zum einen versuchen die Anbieter Typologien ihrer Nutzer zu bilden und somit ein wahrscheinliches Verhalten vorherzusagen. Der nahe liegende Fall für anonyme Personalisierung ist die Einbindung von Komplementärprodukten auf einer Produktseite. Es ist nicht schwer zu erraten, dass der potenzielle Käufer einer Digitalkamera auch Interesse an leistungsfähigen Akkus oder einer großen Speicherkarte haben könnte.

Ein US-Händler, der das Prinzip mit Erfolg perfektioniert hat, ist der Lebensmittel-versender FreshDirect. Als Navigationsinstrument funktioniert eine gigantische Rezeptdatenbank. Wählt der Kunde einen Vorschlag, stellt ihm FreshDirect die komplette Bestellliste zusammen, die er zum Nachkochen benötigt. Zusammen mit einer Reihe weiterer Verbesserungen konnten die Macher des FreshDirect-Shops den Umsatz, der von den Rezepten kommt, verdoppeln.

Ähnlich arbeitet anonyme Personalisierung auch auf Funktionalitätsebene. Der Leser eines Online-Artikels interessiert sich vielleicht für weitere Artikel zum gleichen Thema oder vom gleichen Autor. Für Aaronson spielen hierbei die Metadaten eines Produkts, Artikels oder eines Download-Angebots die entscheidende Rolle. Der ehemalige Chefpersonalisierer von Barnes & Noble empfiehlt, die gängige Rubriknavigation aufzulösen und stattdessen die wichtigsten Metabegriffe als lokale Navigation zu nutzen.

Aber Vorsicht: Alle Personalisierungsmethoden haben systemimmanente Probleme. So zeigt der Buchhändler Libri als lesenswerte Alternative zu einem Buch über plastische Chirurgie eines über betriebliche Praktika im Studium. Im besten Fall sieht der Benutzer dieses Angebot gar nicht, im schlechtesten misstraut er ab sofort jedem Vorschlag, den Libri ihm unterbreitet.


Die implizite Personalisierung

Jack Aaronson erging es ähnlich wie Libri. Kurz nachdem er für Barnes & Noble die Personalisierung eingeführt hatte, bekam er einen erbosten Anruf von seinem Chef: Der B&N-Shop hatte einem Geschäftsfreund ein Buch über lesbische Paare als Produkt empfohlen mit dem Hinweis: „Das könnte Sie interessieren“.

Jeder Webseitenbetreiber kann das Verhalten des einzelnen Benutzers beobachten und das Ergebnis, zum Beispiel in einem Cookie, speichern. Beim nächsten Besuch wird das Cookie ausgewertet und anhand der enthaltenen Daten dem Kunden vermeintlich passende Vorschläge unterbreitet. Probleme tauchen dann auf, wenn der Benutzer verschiedene Rollen einnimmt. Ein typisches Beispiel hierfür ist eine Geschenksituation. Hier werden Produkte gewählt, die nichts mit den Interessen des Benutzers, sondern mit denen des Beschenkten zu tun haben. Insofern schlägt eine darauf basierende Empfehlung fehl.

Für dieses Problem gibt es zwei einfache Lösungsvarianten:

• Die Cookie-Engine speichert ein Interessensgebiet nur ab, wenn es häufiger als ein Mal Gegenstand des Benutzerverhaltens war oder

• Gegenüber dem Kunden wird klar und deutlich kommuniziert, warum das Produkt empfohlen wurde und er erhält gleichzeitig die Möglichkeit, dem zu widersprechen.

Das Speichern von Benutzerverhalten oder sogar persönlichen Daten in Cookies Datenschutzproblem. Die aktuelle Personalisierungsstudie von birgt natürlich ein ChoiceStream hat ermittelt, dass 43 Prozent aller Benutzer nicht bereit sind, die Hoheit über ihre persönlichen Daten gegen eine besser personalisierte Website einzutauschen. Allerdings bröckelt es an der Datenschutzfront: Für 57 Prozent der Benutzer stellen Personalisierungs-Cookies kein Problem dar. 2005 waren es nur 46 Prozent. [1]

Hier gilt es differenzierter zu betrachten, was tatsächlich im Cookie gespeichert wird. Der Golfversender All4golf beispielsweise ist in der Lage, einen anonym gefüllten Warenkorb beim nächsten Besuch wieder herzustellen. Das ist ein tolles Feature, doch schürt die Implementierung Misstrauen. Tatsächlich wird im Cookie aber nicht der Warenkorbinhalt sondern ein Trigger auf die Datenbank gespeichert, der nicht ohne weiteres durch Dritte auszulesen ist. Der entsprechende, vertrauensbildende Hinweis fehlt jedoch.


Die explizite Personalisierung

Die Vereinfachung eines Bestellvorgangs nach dem Muster des 1-Click-Shopping bei Amazon ist zweifellos ein Mehrwert, der die Registrierung belohnt. Auch die Verfügbarkeit bestimmter Angebote exklusiv für Onlinekäufer führt die Nutzer direkt in ein solches System. Die Deutsche Bahn hat mit dem ausdruckbaren Onlineticket hier ein echtes Schwergewicht zu bieten. Warum aber das Zusammen-stellen eines individuellen Fahrplans ebenfalls von der Hinterlegung konkreter Zahlungsinformationen abhängig gemacht wird, bleibt das Geheimnis des Eisen-bahnerkonzerns. Hier könnte eine abgeschwächte Form des Login-Procederes helfen. Der Benutzer hinterlegt E-Mail-Adresse und Passwort und bekommt Zugriff auf die einfacheren Personalisierungsfunktionen. Und hier könnte dann die Premium-Personalisierung aktiv beworben werden.

Apropos Bewerbung: Für den Personalisierungsexperten Aaronson zeigt sich hier die Schwachstelle der meisten Personalisierungssysteme. Oft besitzen diese eine sehr gute Funktionalität, doch mangels Eigenwerbung bekommen die Benutzer davon nichts mit.


Usability in der Personalisierung

Die einfache Benutzerführung zum und im Personalisierungssystem ist oberste Pflicht des Seitengestalters. Das beginnt bereits bei der Information und Bewerbung der Leistungen, die für die Registrierung versprochen werden. Im nächsten Schritt ist die Anmeldung zum System so einfach wie möglich zu halten. Nutzen Sie E-Mail-Adresse und Passwort für die Erstanmeldung und fragen Sie Adresse, Alter, Zahlungsdaten und sonstige Details erst dann ab, wenn sie benötigt werden. Aaronsons Vorstellung vom perfekten persönlichen Onlineangebot realisiert so viel Personalisierung wie möglich ohne Login.

Ist der Nutzer eingeloggt, verlangt Aaronson eine eindeutige personalisiertem und generischem Inhalt. Eine zu starke Trennung zwischen Verengung der Inhalte verursacht beim Benutzer Kontrollverlust. Er bekommt das Gefühl, einen Teil der Inhalte auf der Website zu verpassen. Es bietet sich an, wichtige Navigations-elemente zur gesamten Site ständig im Blickfeld des Benutzers zu behalten und ihm die Möglichkeit zu geben, der Personalisierung der angezeigten Inhalte direkt zu widersprechen. Aus dem gleichen Grund ist auch eine deutlich erkennbare Logout-Option wichtig.


10 Tipps zur besseren Personalisierung

1. Klare Trennung zwischen dynamischem und personalisiertem Content
Wenn Benutzer merken, dass sich eine Seite ändert, auf der Personalisierung möglich ist, erwarten sie, dass die Änderung auch ihren Präferenzen entspricht.

2. Erhobene Daten tatsächlich nutzen
Beim Erheben persönlicher Daten gibt die Webseite dem Nutzer das implizite Versprechen, diese Daten sinnvoll für ihn einzusetzen.

3. Klar erkennbarer Mitgliederbereich
Die optische Trennung zwischen personalisiertem und neutralem Inhalt gibt dem Benutzer das Gefühl von Kontrolle.

4. Anonym heißt nicht Neuling
Nutzen Sie so viele Personalisierungstechniken wie möglich ohne Registrierung.

5. Trennen Sie Session-Personalisierung von der Registrierung
Systeme die behaupten, sie könnten sich Präferenzen bis zum „nächsten Besuch“ merken, werden negativ bewertet, wenn sie das nicht leisten können, weil der Benutzer die Cookies gelöscht hat.

6. Unpersönliche Personalisierung
Funktionen wie: „Käufer, die dieses Produkt gekauft haben, haben auch …“ verengen den Aktionsradius auf eine persönliche aber nicht personalisierte Basis.

7. Belohnen Sie die Registrierung
Die direkte Belohnung besteht im Mehrwert, den die Personalisierung liefert. Die indirekte Belohnung ist subtiler. Sie lockt den Benutzer in das Kunden-bindungsprogramm, indem Sie zum Beispiel beim nächsten Kauf Rabatte verspricht.

8. Speichern Sie Zwischenstände
Der Button „Warenkorb speichern“ muss also überall zu sehen sein.

9. Nutzen Sie Metadaten
Hier sind übergeordnete Produktmerkmale wie der Autor eines Buches, die Auflösung einer Digitalkamera oder das beschriebene Land in einem Reiseführer spannende Navigationsalternativen zur klassischen Rubrizierung.

10. Benutzen Sie die Danke-Seite
Bewerben Sie die „MyArea“ direkt nach einer Transaktion mit der Funktion, die dazu am besten passt.


Literatur

[1] http://www.choicestream.com/pdf/ChoiceStream_PersonalisationSurveyResults2006. pdf : ChoiceStream, Inc.
210 Broadway, 4th Floor, Cambridge, MA 02139, 617.498.7800.
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Über Frank Puscher

Frank Puscher ist Journalist mit über zwei Jahrzehnten Berufserfahrung.