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Sinn und Unsinn von Verkaufstrainings -

oder, was Automechaniker mit Verkaufstrainings zu tun haben
Andre Schneider | 05.02.2010
Kennen Sie den?

Treffen sich zwei Verkäufer am Flughafen, der eine aus der Anlageberatung der , „Vertrauensbank“, der andere aus dem Investmentvertrieb der „Renditebank“.

Sagt der Eine zum Anderen: Wie verdienen sie denn Ihr Geld? Antwortet dieser: „ich bin Seniorberater im Privatkundenvertrieb.

Was machen Sie“, fragt dieser zurück. Als Antwort bekommt er: „Ich bin Spezialkundenbetreuer im Investmentvertrieb“. Beide tauschen Visitenkarten mit wohlklingenden Titeln, trinken ihren Kaffee und entschwinden in einen der nächsten Flieger auf dem Weg zu einem ganz speziellen Verkaufstraining.

Haben Sie eine Pointe oder eine Stelle zum Lachen erwartet? Tut mir leid. Es gibt an dieser Geschichte nichts zu lachen, da sie kein Witz, sondern bitterer Ernst ist. Ganz im Gegenteil, ist die kurze Story doch eher zum weinen. Warum?

Wovon leben die beiden Verkäufer? Was genau bringt ihren Unternehmen direkten Ertrag und ihren Kunden adäquaten Nutzen? Denken Sie spontan an Tätigkeiten wie Beratung, Kundenbetreuung o.ä?

Leider nur fast richtig. Das einzige, was direkten Ertrag und Kundennutzen bringt ist der Umsatz. Die dazu notwendige Tätigkeit nennt sich überall auf der Welt: „verkaufen“.

Was drücken aber die Worte eines Mitarbeiters, der erkennbar ausschließlich vom Verkauf lebt aus, wenn er sagt: „Ich bin Spezialkundenbetreuer“?

Sie drücken vor allem eines aus, dass:

• dieser Mitarbeiter nicht das innere Selbstbild eines Verkäufers hat
• er die Tätigkeit des Verkaufens nicht als seine Lieblingstätigkeit ansieht

Wie würde ein Mensch, der das klare innere Selbstbild eines Verkäufers hat und in dieser Tätigkeit seine Lieblingsaufgabe sieht, auf die Frage:“ Womit verdienen Sie Ihr Geld“ antworten?

Er wird sagen: „durch verkaufen“ oder „ich bin Verkäufer“. Diese Art von Verkäufer antwortet beispielsweise auf eine provokante Frage eines potenziellen Kunden: „Sie wollen mir doch nur etwas verkaufen“ mit der klaren Aussage: „Ja selbstverständlich, ich bin ja Verkäufer.

Was lösen die jeweiligen Vertreter der Verkäuferzunft mit ihren unterschiedlichen Aussagen bei ihren Kunden aus? Was glauben Sie, spielt sich unbewusst im Kopf des Kunden ab, wenn er auf die Frage: „Sie wollen mir doch nur etwas verkaufen“ zur Antwort bekommt: „Nein Herr Kunde ich will Ihnen nur die Vorteile der Investmentanlage aufzeigen und sie beraten“. Sämtliche Frühwarnsysteme und Lügendetektoren des Kunden schlagen Alarm. Eine innere Alarmsirene schrillt immer wieder ein warnendes Wort heraus: LÜGE, LÜGE, LÜGE.

Der Kunde weiß oder spürt ohnehin, dass ihm etwas verkauft werden soll? Der Verkäufer, der stattdessen klar und wahr antwortet: ´“Ja, ich will ihnen etwas verkaufen“, hat als einziger die Chance, vom Kunden nicht als Lügner abgestempelt zu werden.

Würden Sie einem Menschen vertrauen, der Sie, auf Ihre erste Frage hin anlügt? Die Volksweisheiten: „Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck“, oder „wer einmal lügt, dem glaubt man nicht und wenn er auch die Wahrheit spricht“, gelten in diesem Zusammenhang umso mehr.

Diese Lüge ist die Ursache, warum Verkäufer oft frühzeitig mit den Aussagen: „Das muss ich mir noch überlegen“ oder „daran habe ich kein Interesse“ heraus komplimentiert werden.

Jetzt kommen endlich die Verkaufstrainings ins Spiel. Verkäufer und Verkaufsleiter fordern gleichermaßen neue oder mehr Verkaufstrainings. „Wir bekommen zu viele Einwände“, sagt der Vertriebschef zum Verkaufstrainer. Trainieren sie unsere Leute mal so richtig im Bereich Einwandbehandlung. Der Verkaufstrainer nimmt diesen Auftrag und macht einen guten Job. Er trainiert solange, bis alle Verkäufer auf jeden der möglichen Einwände perfekt argumentieren können.

Hoch motiviert gehen die Verkäufer wieder an den Start und....

.... hören trotz perfekter Einwandbehandlung immer noch genauso viele Einwände ihrer Kunden. Warum? Weil diese Verkäufer immer noch nicht mit dem klaren Selbstbild „Ich bin Verkäufer“ arbeiten.

Ist der Verkaufstrainer schuld? Oder hat das Training versagt?

Dieser Ansatz von Verkaufstraining ist vergleichbar mit einem Automechaniker, der die rote Warnlampe für zu geringen Ölstand herausnimmt und seinem Kunden sagt: „Alles in Ordnung, die Lampe leuchtet nicht mehr“.

Kein seriöser Automechaniker würde so etwas tun. Warum finden wir es in so vielen Verkaufstrainings und bei so vielen Verkäufern?