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Usability und Stickyness

Ob eine Webseite „interessant“, „gut“ oder „bleibenswert“ ist, wird innerhalb einer zwanzigstel Sekunde entschieden. (Buchbeitrag)
Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Online-Marketing
http://buchblog.marketing-boerse.de
http://www.marketing-boerse.de/Info/details/LeitfadenOM


Menschen reagieren mechanistisch. Natürlich weiß ich, dass wir alle das nicht gerne hören. Menschen sollen wie Maschinen funktionieren? Wir unterscheiden uns doch gerade durch unseren freien Willen von Tieren und Maschinen. Nachdem die Forscher immer tiefer in die blitzenden Synapsen unseres Gehirns blicken, gerät diese Ansicht jedoch immer stärker ins Wanken.

Scheinbar gibt es doch mehr kontrollierende und steuernde Regularien in unserem Unterbewusstsein als uns lieb ist. Daher denken wir als junger Mensch bei der Anschaffung eines modernen Flatscreen-Fernsehers anders und mit anderen Entscheidungskriterien nach, als wenn wir deutlich älter sind. Die weiblichen Leser werden jetzt wahrscheinlich denken: Typisch männliches Beispiel. Und sie haben völlig Recht. Halten Sie diesen „Stereotyp“-Gedanken gleich fest und denken Sie über ihn nach. Frauen „denken“ anders als Männer, junge Menschen anders als Ältere.

Aber auch bei Menschen gleichen Geschlechts und in etwa gleichen Alters gibt es Schubladen: Der Draufgänger, der ängstliche Zauderer, der Sparsame tickt ebenso anders wie der Lebensgenießer. Da es hier um das Web geht, können wir nicht so tief in die menschliche Natur hinab steigen. Und ich bin auch gar nicht sicher, ob es so gut ist, wenn in uns die Erkenntnis reift: nämlich, dass Prägungen und vor allem die Zusammensetzung verschiedener Hormone unser Handeln und unsere Entscheidungen wesentlich prägen. Und von den Hormonen gibt es ja weit mehr als die beiden Hauptverdächtigen, die immer wieder genannt und fälschlich als „männlich“ oder „weiblich“ bezeichnet werden. Menschen sind lieber autonom in dem was sie denken und wollen.

Ganz so ist es aber nicht. Wir reagieren also auf äußere Reize und verhalten uns dem entsprechend zugewandt oder wenden uns ab. Wer an einem schönen Sommertag die Blicke der Männer verfolgt, lernt schnell, wie magisch oder besser magnetisch diese Blicke an bestimmten Zielen hängen. Und Frauen bilden da in der Regel keine Ausnahme. Ihre Blicke sind nur weniger intensiv, weniger aufdringlich und nicht so offensichtlich. Sitzt der eigene Partner auf dem Stuhl gegenüber, wird in der Regel versucht, die magnetische Wirkung fremder Schlüsselreize zu ignorieren – zumindest in den Sekunden, in denen das der Partner bemerken könnte.


Können Webseiten auch sexy sein?

Klar gibt es Millionen von Webseiten, die sich im weitesten Sinne und auf verschiedene Arten mit dem Thema Sex beschäftigen. Aber darauf möchte ich gar Schlüsselreize“ gibt, die Menschen nicht hinaus. Mir geht es um die Frage, ob es „auf Webseiten halten und denen sie sich zuwenden.

Bleiben wir zunächst bei den Menschen. Menschen sehen sich lieber Menschen an als Landschaften oder seelenlose Produkte wie Drehmaschinen oder Stanzteile und Firmengebäude - auch wenn sie wunderschön sind und der Inhaber auf sie besonders stolz ist. Oft reicht eine angedeutete, die Webdesigner sprechen hier von „abgesoftete“, Augenpartie zum Beispiel im Kopf der Website, um sie sympathischer wirken zu lassen. Alle Tests, die wir gemacht haben, zeigen dieses relativ eindeutige Ergebnis. Keiner der Gefragten weiß warum, aber die Wirkung wird nicht verfehlt. Im Fachjournal „Behaviour & Information Technology“ [1] berichten Forscher davon, dass Menschen sich bereits in 50 Millisekunden ein erstes Bild über eine Webseite machen. Und dieses Bild ist relativ eindeutig, wenn man die Ergebnisse der Probanden vergleicht, die diese Webseiten eben nur diesen kurzen Wimpernschlag zu sehen bekommen haben. Im Newsletter der Lufthansa wird dieses Prinzip konsequent umgesetzt. Man bekommt keine Bilder von Caracas, Mexico oder Chicago geschickt, sondern man sieht Menschen statt Landschaften oder Gebäude. Auch wenn einem Lufthansa mit ihren Webseiten das Leben beziehungsweise das Online-Buchen nicht gerade leicht macht, der Newsletter ist hingegen gut gemacht.

Ob eine Seite „interessant“, „gut“ oder „bleibenswert“ ist, wird also in einer zwanzigstel Sekunde entschieden. Outch. Da muss also wirklich etwas dran sein, dass wir mechanistisch reagieren und uns unbewusst beeinflussen lassen. Unglücklicherweise ist den meisten Webdesignern und Entscheidungsträgern dieser Umstand wohl nicht bewusst. Ansonsten würden wir nicht immer wieder Webseiten in den Browser bekommen, bei denen man sich ernsthaft fragen muss, was die Ersteller da wohl geraucht haben.


Der erste Eindruck zählt

Das klingt so platt, dass ich mich das fast nicht mehr zu schreiben traue. Aber die Realität im Web zeigt leider noch immer, dass sich einfache Erkenntnisse aus dem normalen Leben nur sehr langsam zur Anwendung für Websites verbreiten. Machen Sie sich also explizit mal unter diesem Blickwinkel ein Bild von Ihren Webseiten. Was vermittelt der erste Eindruck? Eine übervolle Webseite, auf der die Navigation, Banner, Text und Blickendes aus den verschiedensten Abteilungen des Unternehmens um die Aufmerksamkeit des Besuchers heischen? Oder eine ruhige, aufgelockerte Optik mit wenig Text, die in wenigen Sekunden sagt, für was das Marketinggebrabbel, dass Unternehmen steht? Und damit meine ich nicht das der Kunde hier noch Kunde wäre, man besonderen Wert auf Qualität lege oder irgendwas „and more“ mache. Das können Besucher einfach nicht mehr sehen, es kommt ihnen zu den Ohren heraus. Schreiben Sie klar, kurz und deutlich, um was es auf der Website geht. Punkt.


Welche Prinzipien sind zu beachten

Wer eine vernünftige Ausbildung in der Richtung Design hinter sich hat, kennt Gestaltungsgesetze. Einige davon halte ich für sicherlich die sogenannten Webseiten besonders wichtig.

Das Gesetz der Nähe: Gruppieren Sie Dinge, die zusammen gehören auch optisch zusammen. Je näher sie sich beieinander befinden, desto leichter fällt es dem Betrachter, die Zusammengehörigkeit auf einen Blick zu erfassen und sie intuitiv zu ordnen. Dies wird am besten deutlich, wenn man sich die Verletzung dieses Gestaltungsgesetzes bei Dell ansieht. Dort kann man aus einer Optionsliste Komponenten und Ausstattung eines Rechners zusammenstellen.

Während der erste Textblock intuitiv dem „Zubehör“ zugeordnet wird, zeigt der zweite Block offenbar auszuwählende „Sicherheitsoptionen“. Erst beim genaueren Hinsehen erkennt man, dass die Überschrift des Folgeblockes viel zu nahe unter dem darüber stehenden Textblock steht. Es entsteht der falsche Eindruck, die „Unterschrift“ unter dem jeweiligen Block wäre die „Überschrift“. Alles was zusammen gehört, sollte immer auch optisch als zusammengehörig dargestellt werden. Und zwar mit den Augen eines Außenstehenden. Dass Websitebetreiber wissen, was wozu gehört, ist völlig klar. Aber: Der flüchtige und potentielle Kunde muss es erkennen!

Ein weiteres Gesetz ist das der Geschlossenheit: Menschen ziehen geschlossene Objekte offenen vor. Das können Sie ganz leicht selber testen, in dem Sie einfach einen Kreis malen und ein klein wenig davon offen lassen oder ein paar Zentimeter wieder weg radieren. Zeigen Sie diese Figur irgendjemandem und fragen Sie, was er sieht. „Einen Kreis, was sonst?“ werden die meisten antworten, obwohl Sie gar keinen vollständigen Kreis gezeichnet haben. Das funktioniert natürlich auch mit unterbrochenen Rechtecken, die eigentlich ja streng genommen dann nur Linien darstellen. Aber unser Gehirn komplettiert einfach. Und es hat gerne geschlossene Darstellungen, weil es dann nicht so viel arbeiten muss. Das Beispiel der Spritpreise bei Yahoo mag vielleicht geeignet sein, das zu verdeutlichen. Im linken Teil der Abbildung finden Sie das Original, rechts einen Alternativvorschlag vom Autor. Welche Art der Darstellung mag Ihr Gehirn lieber?

Das ist wirklich kein Scherz! Unser Gehirn verbraucht rund ein Fünftel unseres gesamten Energiebedarfs. Da es gerne effizient arbeitet, wendet es sich in der Regel intuitiv Dingen zu, bei denen es möglichst wenig Arbeit hat. Ein Plädoyer für die Faulheit? Warum nicht – solange Aufgaben auch mit weniger geistiger Anstrengung erledigt werden können, scheint das sowohl biologisch, also auch ökonomisch durchaus als eine sinnvolle Strategie. Unterstützen Sie Hirnfaulheit, in dem Sie es Ihren Besuchern auch optisch möglichst einfach machen! Und vermeiden Sie Gehirnlangweiler wo immer es geht.

Anscheinend lieben Menschen auch eine symmetrische Gestaltung. Der allseits bekannte „Goldene Schnitt“ wirkt zwar auf den ersten Blick so gar nicht symme-trisch, folgt aber immer der gleichen Aufteilungsformel. Es ist auch bekannt, dass Abstände, die einer sogenannten Fibonacci-Folge entsprechen, als besonders harmonisch wahrgenommen werden. Das Prinzip ist einfach: Die erste und zweite Zahl einer Zahlenreihe werden addiert und die Summe ergibt die dritte Zahl. Zahl zwei und die eben neu errechnete dritte Zahl ergeben die Vierte. Und so weiter. Wenn wir also mit 3 und 5 starten, sieht unsere Zahlenreihe so aus: 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55 und so fort.

Was macht man nun mit den Zahlen? Ganz einfach. Verwenden Sie diese zum Beispiel für Pixelabstände. Statt willkürlich die Abstände von Formularfeldern oder Textblöcken und Bilder zu setzen, verwenden Sie einen passenden Wert aus einer Fibonacci-Folge. Es sieht einfach harmonischer aus. Die Gehirne Ihrer Besucher empfinden das als angenehm und überreden vielleicht den einen oder anderen zum Bleiben.


Was vertreibt Ihre Besucher schnell wieder?

Wenn man fragt, was die zarten Wurzeln eines Erstkontaktes auf einer Webseite wieder abreißen lassen kann, gibt es natürlich tausend und einen Fehler, die man machen kann.

Zur Verärgerung und Frustration gleichermaßen zählen Ostereier-Links. Die nennt man so, weil man mit der Maus alle möglichen Bereiche abfahren muss und erst bei der Verwandlung des Mauszeigers in eine Hand mit Finger erkennt, dass man hier tatsächlich klicken kann. Für Beispiele muss man im Web nicht weit surfen. Vor allem aber die Unterhaltungsindustrie scheint immer wieder Probleme mit versteckten Links geradezu herauf zu beschwören, wie das folgende Beispiel exemplarisch zeigt:

Da Buchabbildungen leider noch nicht interaktiv sind, habe ich in dem kleinen Ausschnitt links unten gezeigt, was die optisch gesehen als Aufzählungen wirkenden Sätze wirklich sind: die Navigation. Das erfährt man aber tatsächlich wieder nur, wenn man mit dem Mauszeiger ständig darüber streift und ausprobiert, wo man überall klicken kann - oder eben auch oft nicht.

Der umgekehrte Fall ist ebenso lästig: Unterstrichener Text, Bilder oder grafische Elemente, die sich eben entgegen der gängigen Erwartung nicht anklicken lassen.

Denken Sie daran: Jeder wichtige Link, der nicht gefunden wurde, kann einen potentiellen Neukunden davon abhalten, zu einem Kunden zu werden. Und jeder Klickversuch, der gegen die Erwartung nichts auslöst, zahlt negativ auf das Stimmungskonto des Besuchers ein.

Mittlerweile gibt es gute Werkzeuge, mit denen aufgezeichnet werden kann, wo Besucher genau hinklicken. Das ist nicht zu verwechseln mit den traditionellen Klickpfaden! Denn es geht ja hier auch und insbesondere darum, wo jemand klickt und keinen Link findet – also die Logfiles oder Tracker dann eben nichts registrieren. Erstellt man dann sogenannte Heatmaps, lässt sich durch die dunkelrote Einfärbung schnell sehen, wo außerhalb von tatsächlichen Links Klickversuche gemacht werden.

Für „Website-Boosting.de“ habe ich zum besseren Verständnis eine Tagesansicht als Heatmap gefiltert, damit einzelne Klicks noch gut zu erkennen sind. Wie Sie sehen, wird fast überall geklickt. Auf normale Texte, Überschriften und als fett markierten Text. Sogar oben in die angedeuteten Tastaturkappen wird geklickt. Man erkennt auch, dass die Buchabbildung wesentlich häufiger geklickt wird, als der Linktext darunter.

Sehen Sie sich eine solche Auswertung Ihrer eigenen Seiten einmal an und entfernen oder entschärfen Sie optische Klickreize. Oder: Hinterlegen Sie eben auch genau dort Links, wo Ihre Besucher diese erwarten beziehungsweise geklickt haben.

Ein weiteres Ärgernis: Mangelnde Suchfunktion. Eine vernünftige und all-gemein verständliche Navigation aufzustellen ist ein mühsames Geschäft. Viele Webverantwortlichen kommen daher zu früh oder einfach aus Zeitdruck zu dem Schluss, „etz passds scho“. Leider ist das meist doch nicht so. Bei Nutzerbeobachtungen stellen wir immer wieder fest, dass die Suchfunktion gezielt dann genutzt wird, wenn die Navigationsbegriffe kein schnelles Näherkommen der Lösung des eigenen Problems verspricht. Aber was gibt man in das Suche-Feld einer Unternehmenswebseite ein? Viele Besucher gehen wie selbstverständlich davon aus, dass das genauso komfortabel wie bei Suchmaschinen ginge. Diese Erwartung lässt sich wahrscheinlich nur schwer erfüllen. Aber man sollte wenigstens fehlertolerant mit den Produktbezeichnungen suchen können, nach Namen beziehungsweise namentlich bekannten Ansprechpartnern oder so einfachen Abfragen wie „Adresse“ oder „Telefonnummer“. Prüfen Sie Ihre eigene Suche einfach einmal daraufhin. Kommt bei der Suche nach Produkt X als Treffer auch die zugehörige Seite oder fünfzehn pdf-Dokumente mit Pressemeldungen? Liefert „Adresse“ oder „Anschrift“ ein vernünftiges Ergebnis? Top ist natürlich, wenn Ihr System Ihnen eine Auswertung zur Verfügung stellt, was alles gesucht wurde und (!) ob daraufhin Ergebnisse oder nur „hamwa nicht“ angezeigt wurden. Solche Auswertungen beruhigen oder erschrecken oft sehr.

Nach meiner Erfahrung klicken Besucher eher auf die Navigation, als die Suche zu benutzen. Hier gibt es sicher je nach Gestaltung, Inhalt der Website und der Intention des Besuchers Unterschiede. Aber die beobachtete Neigung zum Klicken auf Links statt Tippen im Suchfeld lässt sich auch leicht und plausibel mit der Faulheit des Menschen begründen: Mit zwei bis drei Klicks über die Navigation zum Ziel zu kommen geht augenscheinlich schneller und bequemer. Die Hand liegt sowieso auf der Maus und folgt den Blick des Auges nach – wenn etwas Vielversprechendes entdeckt wurde. Daher können Sie die Bedeutung der Navigation und Ihrer Begriffe in der Regel nicht unterschätzen. Eine Website lässt sich sehr gut mit einem mehr oder weniger großen Haus vergleichen. Die Türen sind die Navigation und der jeweilige Begriff steht auf jeder von Ihnen groß vorne drauf. Sind alle Türen in Reichweite sichtbar? Stimmen die Bezeichnungen exakt mit den Räumen dahinter überein? Stimmt „Besprechungszimmer“ tatsächlich, wenn darin mittlerweile auch Kekse und ein Ersatzbeamer gelagert werden? Klar – die eigenen Mitarbeiter wissen das. Der Erstbesucher nicht.

Was mag wohl ein Besucher von volvo.de denken, der die deutsche Startseite aufruft, um sich über den neuesten PKW zu informieren? Wahrscheinlich, dass er dort besser Bagger, Boote oder Flugzeuge kaufen sollte.

Na gut, statistisch gesehen entdecken sicher mehr als 20 Prozent das kleine Auto rechts unten mit dem Text „zu Volvo Car Germany“. Und sicher ist mit Flugzeugen oder Trucks auch mehr verdient. Aber – rechts unten ist nachgewiesener Maßen der schlechteste Platz auf einer Webseite. Und wir schreiben das Jahr 2007. Sollen wir es nicht finden oder was ist der Grund?

Über die Hälfte Ihrer Besucher vermuten die Hauptnavigation übrigens vertikal auf der linken Seite einer Website. Und dies wahrscheinlich nur deswegen, weil sie dort bei den meisten Webseiten anzutreffen ist. Reine Gewohnheit also. Der Mensch, das mechanische Wesen. Selbstverständlich können Sie Ihre Navigation auch oben statt links ansiedeln. Auch damit kommen die meisten Besucher problemlos zurecht. Stellen Sie nun aber Unter(menü)punkte wieder links dar, kann es leicht zu Irritationen kommen. Nicht jeder kommt ja von vorne über die Startseite und hat bei den ersten Klicks gelernt, wie das hier funktioniert beziehungsweise aufgebaut ist. Wenn Sie in Suchmaschinen gut gefunden werden, kommen sogar oftmals die meisten Besucher als sogenannte Quereinsteiger und haben eine ausgeklappte Navigation vor sich. Hier ist sehr wichtig, dass Sie optische Hilfen geben. Die Hauptnavigation - wenn sie oben platziert ist - sollte immer optisch so dominieren, dass eine Verwechslung mit der Unternavigation weitgehend ausgeschlossen ist.

Und wieder: Überschätzen Sie den Entdeckerdrang Ihrer Erstbesucher nicht! Werden die Unterpunkte links mit der Hauptnavigation oben verwechselt, dann zeigt der kurz prüfende Blick: Hier finde ich keine Produktinformationen. Das Verhältnis zu Ihrem Webauftritt ist augenblicklich schockgefrostet und der Besucher mit Kondensstreifen an den Ohren wieder weg. Und zwar zurück zum Suchergebnis der Suchmaschine und mit nur einem Klick auf einer vielleicht vielversprechenderen, leider anderen Site.

Wie man vernünftige Navigationskonzepte aufstellt? Darüber könnte man sicher ein eigenes Buch schreiben und ich kann hier noch nicht einmal ansatzweise ausholen, auf was alles zu achten wäre. Mein Rat lautet daher kurz, aber deswegen nicht weniger wirkungsvoll: Versuchen Sie Ihre Navigation kritisch unter dem „Ich-war-noch-nie-hier“-Blick zu betrachten und - Sie haben keine Ahnung, was Ihr Unternehmen macht. Versetzen Sie sich also in eine Art Trance-Zustand, haben Sie es verdammt eilig und sind Sie auch gleich schon mal ein wenig ärgerlich, weil Sie auf anderen Sites vorher auch nicht gefunden haben, was Sie suchen. Jetzt öffnen Sie eine beliebige Unterseite Ihrer eigenen Webseite! Und?

Wenn Sie Ihre Navigation auch noch mit Hinweisen erklären müssen, dann sollten Sie sich mindestens einen großen Knoten in Ihr Taschentuch machen – um nicht zu vergessen, dass Sie hier noch Hausaufgaben zu erledigen haben:

Und bitte denken Sie bei „Navigation“ nicht nur an die Menüleisten. Auch Links in oder besser am Ende von Textabschnitten gehören zur Navigation. Meist sind es kleine Beschleuniger, mit denen man ohne Umweg über die Hauptnavigation direkt auf weiterführende oder zum betrachteten Thema relevante Seiten kommt. Allerdings können solche Links den Besucher auch kräftig verwirren oder verunsichern. Soll er nun auf den Link mitten im Text klicken und damit den weiteren Zusammenhang mit dem eben Gelesenen verlieren und damit möglicherweise etwas Wichtiges verpassen - oder nicht? Setzen Sie solche Links daher immer an das Ende eines Textes und beschreiben Sie genau, was den Klickenden erwartet. Kleine Verbesserungen haben oft große Wirkungen. So kann eine Änderung einer Linkbezeichnung von „mehr“ auf „weiter lesen“ eine enorme Steigerung bei der durchschnittlichen Seitenzahl beziehungsweise Visits, bewirken. pro Besuch, also den Pageimpressions.

Eine gut funktionierende Barriere, die Sie für viele Kunden auf Ihren Webseiten errichten können sind Formulare. Mögen Sie selber Formulare? Nein? Wenn Sie an die Gründe denken, fällt Ihnen vielleicht spontan ein:

a) bei Formularen kommt oft gar keine Antwort

b) Ich will nur kurz was fragen und soll nun hier alle möglichen Angaben machen

c) das eigentliche Feld, in das ich mein Anliegen reinschreiben kann, ist winzig klein und wirkt in dieser Größe schon mal von vorne herein kundenunfreundlich

d) nach dem Drücken auf „Absenden“ ist alles weg und ich selber hab keinerlei Unterlagen über die geschriebenen Inhalte – auch keinerlei Nachweis

Gut, Sie selber mögen keine Formulare. Und warum sollten Ihre Kunden sie mögen? Warum haben Sie dann trotzdem Formulare?

„Weil sie an bestimmten Stellen notwendig sind“ werden Sie argumentieren und Sie haben Recht. Aber eben nur an bestimmten Stellen und nur dort, wo es wirklich nicht anders geht - und dann minimalistisch, statt Felder über Felder, die man ausfüllen muss. Jedes Pull-Down-Feld, wie zum Beispiel dieses schreckliche “Woher haben Sie von uns erfahren?“, das nicht unbedingt notwendig ist, sollte gnadenlos entfernt werden. Machen Sie sich zum Anwalt Ihres Besuchers und antworten Sie für ihn bei jeder unnötigen Feldfrage: „Euer Ehren, mein Mandant kann sich daran nicht erinnern… ”. Also weg damit.

Notwendig sind schlanke Formulare in jedem Fall auf der Kontaktseite. Aber erst nach einer postalischen Adresse mit Telefonnummer und anklickbarer E-Mail-Adresse. Denn nicht jeder hat Sie auf dem eigenen Computer (mit eigenem E-Mail-Programm) gefunden. Und nur durch Hinterlassen seiner E-Mail und seinem Anliegen kann er Sie auf sein Problem aufmerksam machen. Hier macht das nicht nur Sinn, es ist eine schlichte Notwendigkeit.

Ein weiteres Merkmal, mit dem Sie Ihren Webauftritt für Besucher „klebriger“ gestalten können, sind vergrößerbare Bilder. Das bringt natürlich nur bei den Bildern etwas, die einen Informationsgehalt besitzen, also zum Beispiel Produkt-bilder in Shops. Menschen brauchen für den virtuellen Einkauf einen Haptik-Ersatz. Da man auf dem Bildschirm aber nichts anfassen kann, kann dieser Ersatz nur mit vernünftigen Bildern erzeugt werden. Kleine, winzige Abbildungen, auf denen keine Details erkennbar sind, taugen hier nur zum ersten Ansehen neben der Produktbeschreibung. Ein Klick auf das Bild sollte immer mindestens eine Vergrößerung anzeigen. Noch besser sind natürlich mehrere Detailbilder. Machen Sie sich keine Sorgen um die Übertragungsgeschwindigkeit bei höher auflösenden Produktbildern. Da der Besucher sie hier aktiv angefordert hat, wartet er in der Regel gerne ein paar Sekunden. Selbstverständlich hängt es davon ab, was Sie verkaufen und nicht jede Darstellung eignet sich zu einer solchen Detailansicht. Haben Sie schon mal ein Mischpult mit vielen Steuerreglern und Schaltern online gekauft, das nur auf einem 5x5 cm großem Bild zu sehen war? Sie haben überhaupt noch kein Mischpult gekauft? Dann warten Sie mal ab, bis Sie ein hochauflösendes Bild davon gesehen haben – das muss man als Technikfreak dann einfach haben!

Spaß beiseite - Bilder im Web sind für Menschen ein sehr wichtiges Element, gerade beim „berührungslosen“ Einkaufen. Tragen Sie dem wo es geht Rechnung. Steigende Konversionsraten werden Sie belohnen. Was mit Sicherheit schlecht funktioniert, ist der Glaube, es würde irgendwie auch ohne Bilder funktionieren.

Ein letztes Ärgernis, das ich noch ansprechen möchte, ist ganz allgemein der Text. Er ist oft zu klein und ohne starke Brille oder Lupe nur schwer zu lesen. Eine größere Schrift ist für den Webseitenbesucher einfach komfortabler. Das Vergrößern des Textes hat für den Besucher aber noch eine weitere angenehme Wirkung.

Sie müssen in der Regel kürzen. Nichts ist für potentielle Kunden langweiliger als das Web-Blabla, das viele auf Webseiten bereithalten. „Der Kunde steht bei uns noch im Mittelpunkt“, „Fordern Sie uns heraus“ oder „Wir machen alles – and more“. Damit nur ja niemand meint, man wäre für dies oder das nicht auch noch kompetent. Vergessen Sie das. Man glaubt Ihnen das sowieso nicht. Webseiten sind geduldig und wir sind alle gewohnt, dass es nur Supermänner und Superfrauen gibt, die für das betrachtete Unternehmen arbeiten.

Schreiben und formulieren Sie daher knapp und auf den Punkt. Verschwenden Sie nicht die kostbare Zeit Ihres noch flüchten wollenden Besuchers, in dem Sie alles schreiben, was Sie meinen sagen zu müssen. Versetzen Sie sich stattdessen wieder auf die andere Seite des Bildschirms: Warum kommt jemand auf Ihre Website? Was will er/sie dort? Welche Informationen möchte er finden – und zwar schnell finden? Je knapper Ihre Formulierungen sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Besucher seine Schlagworte beim Überfliegen des Textes erkennt und nun langsamer liest.


Fazit: Machen Sie sich um Ihre Besucher mehr Sorgen!

Webserver sind geduldig und die vielen Aufschläge darauf sind meist ebenso wenig sicht- und hörbar wie die verzweifelten Gesichter Ihrer Besucher, die vielleicht zu Kunden geworden wären. Eine Baustelle vor dem zentralen Eingang zu Ihrem Firmengebäude oder Ihres Verkaufsgebäudes würden Sie keinen Tag länger dulden als notwendig. Niemals würden Sie Ihre Kunden über Bretter balancieren lassen, die über die ausgehobenen Gräben gelegt wurden. Richtig? Dann legen Sie jetzt dieses Buch aus den Händen und sehen sich Ihre Webseiten unter den oben beschriebenen Kriterien einmal kritisch an. Wenn Sie keine wackeligen Bretter sehen, haben Sie wahrscheinlich nicht richtig hingesehen. Also nochmal.

Immer wieder werde ich gefragt, wo ich die vielen abschreckenden Beispiele her habe (und ich habe noch sehr viel mehr, als ich jemals zeigen kann). Meine Antwort ist ebenso einfach wie schnell gegeben: Ich rufe eine beliebige Webseite auf und werde in der Regel schon nach wenigen Klicks fündig. Bin ich besonders kritisch? Ja, was sicherlich berufsbedingt notwendig ist. Habe ich übertrieben? Diese Einschätzung müssen Sie selber treffen. Vielleicht kauft ja der eine oder andere eine Digitalkamera ohne Bildansicht, die stattdessen in einem Karton mit Schleife versteckt ist. Fakt ist aber, dass einfache, leicht bedienbare und verständliche Webseiten mehr Besucher glücklich machen. Und glückliche virtuelle Besucher möchten mit höherer Wahrscheinlichkeit zu zufriedenen realen Kunden werden. Machen Sie daher Ihre Webseiten „sticky“ – klebrig. Dann wird die gleiche Bindung erzeugt, die der letzte Aufkleber aus dem Urlaub durch die Hand Ihrer Kinder mit Ihrem Kühlschrank eingegangen ist: eine Dauerhafte.


Literatur

[1] Fachjournal „Behaviour & Information Technology”. - Band 25, S. 115, 2005.
Jakob Nielsen, Hoa Loranger: Web Usability. – 395 Seiten, ISBN 9783827324481, Addison-Wesley, 2006.
Jeffrey Rubin: Handbook of Usability Testing: How to Plan, Design, and Conduct.Effective Tests. – 330 Seiten, ISBN 9780471594031, John Wiley & Sons Inc, 1994
Jef Raskin: Das intelligente Interface. – 272 Seiten, ISBN 9783827317964, Addison-Wesley, 2001.
Steve Krug: Don´t make me think. – 201 Seiten, ISBN 9783826615955, Mitp-Verlag, 2006.
Mario Fischer: Website Boosting. – 456 Seiten, ISBN 9783826615863, Mitp-Verlag, 2006.