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Was ist Brand Hacking?

So wie eine Hecke durch beschneiden gepflegt wird, können Sie ab jetzt Ihre Marke durch Hacking führen.
Hacking erhöht die Souveränität der Marke.
Klaas Kramer | 27.12.2009
Marke darf gehackt werden

Hacking ist eine „wichtige Kulturtechnik, deren produktive Dimensionen bei weitem maßgeblicher sind als das – vordergründig dominante – destruktive Element“ (Liebl/ Ullrich, 2005). Ähnlich wie beim Hacking von Programmcodes werden Angriffsflächen und Schwachstellen aufgespürt.
Der erste prominente Brand Hacker war Andy Warhol, der 1962 Campbell's Suppendose in den Kontext eines Kunstwerks setzte.
Nach und nach erkannten Unternehmen, wie sie durch Brand Hacking die Orientierungsfunktion ihrer Marke verbessern können. 1993 hat Philip Morris die Vorstellungswelt des Kunde gehackt und auf Events für seine Marke Chesterfield Werbemittel von der Zielgruppe gestalten lassen.

Brand Campaign Hacking

American Apparel erfährt über Consumer Generated Advertising wie die Menschen die Marke deuten. Nicht immer warten die Menschen darauf, bis sie zur Kreation eines Werbespots aufgefordert werden. Sie tun es einfach. Wie wäre, es, wenn Consumer Generated und Agency Generated Advertising im sportlichen Wettbewerb um die bessere Anschlussfähigkeit ins Rennen geschickt werden?
Auch die klassische Kampagnenentwicklung profitiert davon, wenn man sie als eine Technik des Brand Hacking versteht. Anstatt immer nur nach der möglichen Deckungsgleichheit zwischen definierten Markenattributen einerseits sowie Kampagnenidee und -umsetzung andererseits zu trachten, was ich keinesfalls nivellieren möchte, bringt gerade die Abweichung Erkenntnisse darüber, wie Kreative die Marke sehen. Briefing, Re-Briefing und De-Briefing sind wertvolle Kommunikationsmittel eben nicht nur zur Projektabstimmung, sondern gerade auch zur Markenerforschung.

Brand Community Hacking

Der Umgang mit so genannten Brand Communities hat viele Markenunternehmen zur Technik des Brand Hacking geführt, auch wenn sie den Begriff gar nicht kannten.
Dem Volkswagen-Konzern war in den 1990ern das jährliche Scirocco-Treffen ein Dorn im Auge („Die sollen endlich unseren Corrado kaufen“). Mittlerweile hat die ausschließlich von Fans organisierte Veranstaltung für VW den Status einer A-Messe.
Mitglieder einer Gemeinschaft entziehen sich per se der Managementkontrolle. Das gilt genauso für organisierte Markengemeinschaften. Deren Eigendynamik ist nur systemisch zu verstehen. Enttäuschte Fans können im Handumdrehen zu Saboteuren werden (Brand Spurning).
Das Markenmanagement kann sich um die Teilnahme an der Gemeinschaft „bewerben“, indem es deren Markenkommunikation hackt. Je nach dem, wie die Gemeinschaft auf diese Irritationen reagiert, erfährt das Markenmanagement ob sich die Gemeinschaft abgrenzt oder an die Kommunikation anschließt.
Die Bedeutung des Brand Hacking hat sich durch Social Media noch einmal vergrößert. Der hackbare Bereich bekommt eine höhere Kontaktchance als buchbare Werbeplätze: Gehackte Markenkommunikation ist sehr wahrscheinlich. Marken können nicht nicht manipuliert werden (Holm Friebe).

Brand Explore Hacking

Brand Hacking ist die zeitgemäße Technik der Markenerforschung. Es überwindet die durch die Alte-Massenmedien-Realität geschaffene Trennung zwischen Markenexploration und Markenführung. Beides erzeugt Markenkommunikation und kann unkompliziert zusammen gedacht und vollzogen werden.
Hacking legt offen, was schon vermittelbar ist und was derzeit noch zu weit geht. Immer mehr Unternehmen beauftragen jemanden mit künstlerischem Hintergrund, sich auszumalen wie die Marke in zwanzig Jahren aussehen könnte. Welche neuen Geschäftsfelder passen zu ihr? Wie weit lässt sich die Marke dehnen?
Der Franzose Ora-ïto entwickelt eigenmächtig Brand Extensions. Er hat bereits Tickets für Marsflüge entworfen.
Andere Künstler kreuzen oder collagieren Logos und Symbole verschiedener Marken. Solche Experimente unterstützen z.B. die Suche nach Partnern für branchenübergreifende Marken-Allianzen. Ebenso können durch Mixen von Stilelementen konkurrierender Marken die Verhältnisse zueinander ausgelotet werden (Wolfgang Ullrich).
Immer mehr Firmen trauen sich, das sichere Gewand des Corporate Design episodenweise zu verlassen, um gerade dadurch die Bedeutung von Namen, Bild- und Soundlogo im Feld zu untersuchen. Ein hoher Irritationsfaktor könnte Indiz für einen klaren und prägnanten Markenauftritt sein. Fällt hingegen gar nicht auf, dass am CD manipuliert wurde, taugt es womöglich ohnehin nicht viel.
Die Deutsche Telekom betreibt in Berlin den Shop 4010. 4010 ist der RAL-Code der Hausfarbe Magenta – die einzige Konstante im Shop. Alle anderen Elemente der Markenkommunikation stehen zur Disposition. Künstler können sich am Hacking der Marke beteiligen. Hier dient Brand Hacking vor allem dazu, neue Zugangsformen zum Kunden zu erforschen.

Brand Hacking Management

Mit Brand Hacking beschäftigen Sie sich auf eine kreative und neugierige Art und Weise damit, wie die Menschen auf Ihre Marke reagieren und mit ihr agieren. Die Lerneffekte sind nicht zu unterschätzen.
Wer die Möglichkeiten des Brand Hacking ignoriert, verschenkt nicht nur Chancen auf einen Einfluss auf das, was andere mit seiner Marke machen. Er fordert damit diejenigen heraus, die der Marke nicht wohlgesonnen sind.
Schließlich können Markenmanager als vom Unternehmen bezahlte Brand Hacker betrachtet werden, die nichts anderes tun, als die Marke im Kommunikationswettbewerb zu behaupten. Mit Kommunikationsangeboten verführen sie andere, an die Kommunikationsangebote anzuschließen.
Die Kompetenz des Brand Hacking beinhaltet das Fingerspitzengefühl für den schmalen Grad an dessen einer Seite die Schutzimpfungsfunktion der Marke und auf dessen anderer Seite der Abgrund einer Schutzfilter-Verletzung (Holm Friebe) der Marke liegt.
Geschicktes Brand Hacking ist eine Schutzimpfung gegen markenfeindliche Angriffe durch Erhöhung der Binnensouveränität der Marke.

Brand Hacking = Brand Description Hacking

Bis hierhin haben wir Brand Hacking nur als neue Bezeichnung für jede Markenkommunikation und Markenexploration eingeführt. Um wirklich aus dem Hacking zu lernen, wird es darauf ankommen, einen wichtigen Unterschied wahrzunehmen:
Hacken lassen Sie genau genommen nicht die Marke selbst, denn diese ist immateriell. Was gehackt werden kann, sind deren Materialisierungen: meistens visuelle Kommunikationen, die sich auf die Marke beziehen. Brand Hacking ist das gezielte Einbauen einer Störung in Markenkommunikationen.
Die Analogie mit dem Hacken von Programmcodes hinkt genau an einer Stelle: Eine Marke hat eben keinen (genetischen) Code. Wird ein solcher definiert, wie das Markentechniker tun, so ist das eine Beschreibung, eine Materialisierung, eine Kommunikation über die Marke.
Nach einem konstruktivistischen Verständnis ist jedoch die semiotische Unterscheidung zwischen Bezeichnetes und Bezeichnendes hinfällig. Von daher tritt die Unterscheidung zwischen Brand Hacking und Brand Description Hacking wieder in die Form ihrer selbst ein.
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Über Klaas Kramer

Vermittlung von Konzepten, Denk- und Handlungsmodellen für Bewusstwerdungsprozesse zur Vorbereitung auf künftige Herausforderungen im Marketing-Mana