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“Content is king, distribution is queen and she wears the pants"

Der erste Tag des 7. VDZ Distribution Summit lieferte wichtige Einsichten und Erfahrungen zu Vertriebsthemen.
Der Kunde steht im Mittelpunkt wie nie zuvor, und um ihn zu gewinnen, bedarf es nicht nur relevanter Produkte, sondern vor allem eines smarten Umgangs mit professionellen Kontaktkanälen und eines richtigen Timings – das war die Eröffnungs-Botschaft von Nils Oberschelp, Sprecher des VDZ-Arbeitskreises PMV und Vorsitzender der Geschäftsführung DPV Deutscher Pressevertrieb.

Während Verlage früher ihre Kunden zu Königen machen wollten, empfinden sich Kunden von heute, insbesondere durch die Möglichkeiten ihrer Smartphones, längst selbst als Könige, als souverän, und selbstbestimmt, so Stephan Grünewald, Geschäftsführer des Rheingold Institutes, auf dem Distribution Summit. Die Kunden sind deutlich besser informiert, sie sind anspruchsvoller und kritischer, sie sind umworbener und begehrter denn je.

Und dennoch ist die Bereitschaft zur Bindung durch Abo-Modelle groß, wenn diese modern, flexibel und erlebnisreich sind, wenn sie die höheren Ansprüche der modernen Kunden bedienen - Beispiele für solchen Bindungswillen zeigten unter anderem Sebastian Hoeflich, Drive Now, vor allem aber Dr. Martin Rusch, XING, und Frederick Knaudt, „Küchenzauber“, in einer von Dr. Olaf Conrad, Tomorrows Excellence.com, moderierten Diskussion.

Eine gute Nachricht für die digitalen Abo-Modelle der Verlage, denen eine deutlich größere Zahlungsbereitschaft als früher entgegenkommt, brachte Susanne Fittkau, Geschäftsführerin Fittkau&Maaß Consulting, mit: War es vor zehn Jahren nur ein Drittel der Nutzer, sind es heute 73 Prozent, die grundsätzlich offen sind für Bezahl-Inhalte, und über die Hälfte zahlt auch tatsächlich schon. Dabei komme es weniger auf Content an als vielmehr „um Aufmerksamkeit an und wer am meisten trommelt“, frei nach dem Motto "Content is king, distribution is queen and she wears the pants", so Fittkau.

Wie aber denken und handeln die Kunden in diesem neuen Umfeld genau? Während früher aufwendige Regelsysteme mögliche Verhaltensweisen der Kunden feststellen wollten, dominieren heute immer mehr Predictive Applications, die dank ihrer Algorhythmen Vorhersagen treffen und präzisere Steuerung ermöglichen. Mehr als die Hälfte aller App-Angebote enthalten heute Predictive Apps. Eine Predictive App, so Ingolf Mollat, Principal Consultant CISSP, Blue Yonder GmbH, bedarf klarer Fragestellungen und einer wissenschaftlichen Begleitung, um eine hervorragende Datenqualität zu erzielen. Ergänzend dazu zeigte Juliette Quadvlieg, Owner Amstelnet LLC, die Möglichkeiten von „Analytics“ – von behaviour dynamic über geotargeting bis zu devicetargeting.

Mit dem anspruchsvollen Kunden müssen nicht nur Verlage umgehen, sondern alle Unternehmen. Ein Beispiel für modernste Kundenbetreuung schilderte Erik Schneider, Senior Vice President Customer Service Sky Deutschland AG. Die entscheidenden Stichworte bei Sky sind Kundenzufriedenheit, Loyalität, Weiterempfehlungskultur. Dafür müsse man den Kunden kennen. Wichtig sei die maßgeschneiderte Betreuung mit Kundenbetreuern, die nicht nur vertrieblich, sondern auch inhaltlich spezialisiert seien, so zum Beispiel etwa für die Fan-Gemeinde von „Games of Thrones“. Und auch für eine optimale Kundenbindung habe Sky „welcome-“, bis „winback-Teams “ entwickelt.

Der Zugang und die Betreuung der Kunden ist kein abgeschlossener Prozess mehr, sondern eine „customer journey“. Konkret bedeute das erfinderisches Denken mit radikaler Kunden- und Nutzenorientierung, so Wolfgang Ernd, Geschäftsführender Partner CrossMedia Consulting. Die Aufgabe sei, den Kunden an allen relevanten Touchpoints positive Erlebnisse im Sinne ihrer Erwartungen erleben zu lassen. Dabei sei Querdenken sehr wichtig.

Neue konkrete Vertriebs-Modelle für Verlage mit Erfahrungen aus dem US-Markt stellte Christina Dohmann, Leitung Digital Unit DPV Deutscher Pressevertrieb, vor. Der US-Markt sei dem deutschen rund drei Jahre voraus, dabei stünden für De-bundling, flatrate-Modelle und paid Content ganz vorne im Focus der US-Verleger. Sie berichtete zugleich von einer eher schwindenden Bedeutung des Apple Newsstands wegen Intransparenz fehlender Partnerschaft und unbefriedigender Kommunikation.

Gute Akzeptanz verzeichnet dagegen Pocketstory, die einzige neue digitale Plattform mit Verlagshintergrund in Deutschland. Pocketstory versteht sich als „Treibstoff für Artikel, für das Beste vom Kiosk und für Bücher“. Es wird nicht alles angeboten, im Gegenteil gibt es eine rigorose Auswahl mit einer Mindestzeichenzahl von 5.000 und inhaltlicher Zeitlosigkeit. „Pocketstory versucht für alle Verlage, eine einfache Zweitverwertung zu ermöglichen“, so Anke Rippert, Geschäftsführerin Pocketstory.

Welche Rolle spielen „Instand Articles“? In einem der wohl ersten Einblicke Facebooks in Deutschland in Instand Articles thematisierte Heiko Hebig, Partnership Manager Facebook, vor allem die zu langen Ladezeiten auf den smartphones bei grundsätzlich großem Interesse an diesem Angebot.

Aber auch der Inhalt ist – bei aller verstärkten Orientierung am Kunden bzw. smartem Vertrieb – entscheidend. Stephan Grünwald sprach von narzisstischer Orientierung mit dem zum Teil „zum neuen Körperteil gewordenen Smartphone“ und der Verwirrung einer personalisierten Dauer-Kommunikation. Hier hätten Publishing-Angebote mit ihrer Ordnungs- und Haltefunktion einen neuen Wert. Passend dazu zeigte Nils Oberschelp, dass mehr als ein Drittel der Magazin-Umsätze bei Gruner+Jahr mit Titeln erzielt würden, die in den vergangenen zehn Jahren gegründet worden seien. Und auch Ulla Strauß, Geschäftsführerin Lese-Auskunft, setzt auf die Inhalte in moderner Präsentation im „Kiosk für den Leser 4.0“.

Der 7. Distribution Summit mit einer Rekordbeteiligung von über 220 Teilnehmerinnen und Teilnehmern und einem Top-Programm von 35 Referenten wird heute fortgesetzt.

Infos zum Kongress finden sich unter www.vdz-distribution-summit.com.