print logo

WWW-Nachwuchs in Unternehmen

Technologische Restriktionen können sich bei Rekrutierung negativ auswirken.
Gunnar Sohn | 31.08.2011
Der von Karrierebibel-Blogger Jochen Mai vorgestellte Cisco Connected World Technology Report http://bit.ly/ogoSP2 ist für Personalabteilungen sehr erhellend. An die Arbeitswelt stellen die WWW-Studenten mittlerweile klare Ansprüche: Sieben von zehn Befragten erwarten, dass ihre Arbeitsgeräte wie Büro-PCs und Smartphones auch privaten Zugang zu den Sozialen Netzwerken erlauben, da sich Arbeitszeiten und Freizeit ohnehin zunehmend überschneiden. Fast die Hälfte der Studenten möchte keine festgelegten Arbeitszeiten haben sowie an jedem beliebigen Ort tätig sein können.


29 Prozent der Studenten würden daher nicht für ein Unternehmen arbeiten, dass die Nutzung Sozialer Medien während der Arbeitszeit mit Arbeitsgeräten verbietet. Ebenfalls etwa ein Drittel ist bei der späteren Jobsuche Flexibilität, Zugang zu Sozialen Medien oder die Nutzung privater Geräte am Arbeitsplatz wichtiger als das Gehalt. Rund 64 Prozent der Studenten wollen gar ihren späteren Arbeitgeber zu den Richtlinien für soziale Medien und der Nutzung privater Geräte am Arbeitsplatz befragen – auch wenn für 40 Prozent die Antwort keinen Einfluss auf ihre Arbeitgeberwahl hat.


Dieser Befund wird von Experten der Technologiebranche bestätigt: „Es wird immer mehr Mitarbeiter in Unternehmen geben, die mobil arbeiten und höchst unterschiedliche Endgeräte einsetzen. Für unsere Lösungen ist es daher unabdingbar, hier eine Integrationsleistung zu bringen. Ein CIO tut sich in Zukunft keinen Gefallen, wenn er versucht, sich auf ganz wenige Standard-Endgeräte zu konzentrieren. Das wird er nicht durchhalten können gegen die Anwender. Es rücken viele junge Mitarbeiter nach, die technologisch das nachfragen, was sie auch privat schon lange nutzen. Ein CIO sollte diese Dienste in seine IT-Infrastruktur einbauen, sonst entstehen Probleme bei der Rekrutierung von neuem Personal“, erklärt Jürgen Signer von Aastra in Berlin. Beim Kampf um die jungen Talente könnten sich die technologischen Restriktionen negativ auswirken. Das sei auch ein Indikator für die gesamte Unternehmenskultur.


Vonnöten wäre mehr Offenheit bei den IT-Chefs für technologische Veränderungen, die das Web 2.0 losgetreten hat, so der Silicon-Blogger Siegfried Lautenbacher http://bit.ly/pFUtQW. „Statt auf Bedürfnisse zu schauen, bügelt die IT ein Standardmodell drüber. Das führt naturgemäß zu Frustrationen. Bis nämlich das neue Smartphone durchgetestet und auf Sicherheit überprüft ist, hat es der Anbieter schon längst wieder gekündigt. Bindet man das iPhone in die Standardprozesse des Unternehmens ein, ist der Spaß auch gleich wieder vorbei. In solchem Denkraster sind Cloud & SaaS, Skype & Social Media, Tablets und ähnliche aus der Consumer IT importierten Werkzeuge die natürlichen Feinde der IT-Abteilung. Sie gelten als verwerfliche Schatten-IT. Umgekehrt schimpfen die Endanwender auf die starre unflexible IT“, führt Lautenbacher aus.


Das anbrechende „Post-PC-Zeitalter“ werde indes alle zwingen, neu über die Beziehung zwischen der Kommunikationstechnologie in Unternehmen und dem Nutzer nachzudenken. Der Biergarten als lichter Ort der lockeren Liberalität wäre kein schlechtes Vorbild für die Zukunft der Unternehmens-IT. „Viel Self Service, viel Freiheit und alles an Infrastruktur, was der Nutzer braucht“, so das Credo von Lautenbacher. „Organisationen, die das nicht leisten, verlieren hoffnungsvolle Talente und verspielen über kurz oder lang ihre eigenen Zukunftschancen“, sagt der IT-Personalexperte Udo Nadolski, Geschäftsführer von Harvey Nash in Düsseldorf.


Über die Erfahrungswelten, die vor allen Dingen die jungen Menschen aus sozialen Netzwerken und der Anwendung von Web 2.0-Technologien mitbringen, werde nicht nur das Zusammenspiel von Verbrauchern und Unternehmen radikal verändert. „Es verändern sich auch die Spielregeln in den Organisationen von Staat und Wirtschaft. Wer hier weiter auf starre Kommandostrukturen setzt, verliert als Arbeitgeber an Attraktivität und bekommt auf dem Arbeitsmarkt nicht die besten Köpfe“, prognostiziert der Harvey Nash-Chef.


Wer sich als Unternehmen auf die Social Media-Welt einlässt, sollte sich darüber hinaus in allen Geschäftseinheiten vom Mythos der absoluten Kontrolle, Rationalität und Planbarkeit verabschieden, empfiehlt der Kölner Softwareexperte Andreas Klug. „Es reicht nicht aus, für die Kulisse ein kleines Twitter-Team im Kundenservice zu bilden und alles andere beim Alten zu belassen. Damit wird man kläglich scheitern. Der amerikanische Organisationspsychologe James C. March plädiert für eine ‚Technologie der Torheit‘. Er meint damit aber nicht Albernheit, sondern Verspieltheit, um Raum für Experimente zu schaffen“, so Klug, Mitglied der Geschäftsführung von Ityx.