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Erwartung der Besucher: Was haben Piloten und Veranstalter gemeinsam?

Timo Schutt | 03.04.2014
Zumindest einmal nicht das Gehalt. Die Piloten der Lufthansa streiken aktuell. Es geht vorrangig bei diesem Streik um die Erhöhung des Alters, ab dem ein Pilot frühzeitig in (Teil-) Rente gehen kann, von 55 auf 60 Jahre. Ein Argument ist dabei oft, dass es einem Fluggast nicht zuzumuten sei, mit einem überalterten Piloten bzw. unmotivierten Piloten fliegen zu müssen.

Überträgt man das auf die Veranstaltungsbranche, so könnte man sich dort auch fragen, ob es einem Besucher zuzumuten ist, wenn…
• die Veranstaltung von Ordnern „geschützt“ wird, die ein paar Euro Stundenlohn bekommen,
• die Veranstaltung von Auszubildenden oder Personen organisiert wird, die bspw. von Veranstaltungssicherheit keine Ahnung haben,
• die Organisation der Veranstaltung maßgeblich von Profitmaximierung geprägt ist und zu wenig Investitionen in die Sicherheit von Besuchern und Mitarbeitern getätigt werden,
• beteiligte Verantwortliche wenig Berufserfahrung und Ahnung vom Veranstaltungshandwerk haben und auch kein Interesse, dies zu erhöhen,
• Personen an wichtigen Positionen aufgrund überlanger Arbeit, die vermeintlich typisch sein soll für die Branche, übermüdet und unkonzentriert sind.

Erwartung der Besucher?
Steigt ein Fluggast ins Flugzeug, erwartet er natürlich hochprofessionelle Technik und topausgebildete Piloten.

Besucht ein Besucher eine Veranstaltung, erwartet er eine tolle Veranstaltung – erwartet er auch die bestmögliche Organisation und topausgebildete Veranstaltungs- planer, Security, Veranstaltungsleiter und Veranstaltungstechniker…?

Auswirkung auf die Verantwortung des Veranstalters
Die Frage, was ein Besucher vom Veranstalter bzw. von der Veranstaltung erwartet, hat eine versteckte, aber sehr erhebliche juristische Brisanz: Die berechtigte Erwartungshaltung des Vertragspartners „Besucher“ spielt eine große Rolle für die Frage, welches Ausmaß die Verkehrssicherungspflichten des Veranstalters haben.

Ein Gast geht bei einer kleinen privaten Geburtstagsfeier nicht davon aus, dass das Geburtstagskind einen Sicherheitsdienst und Sanitätsdienst engagiert hat. Wenn der Gast dies aber typischerweise nicht erwartet, muss der Veranstalter dies auch regelmäßig nicht leisten.

Ein anderes Beispiel: Ein volljähriger Teilnehmer einer Radtour erwartet nicht, dass der Veranstalter der Tour für ihn als Nachzügler an den Straßenkreuzungen Sicherheitsposten aufstellt, wenn er aufgrund einer Reifenpanne hinter der Gruppe zurückbleibt. Dann muss aber auch der Veranstalter keine solchen Sicherheitsposten stellen (siehe unseren Beitrag Absicherung einer Radtour).

Was ein Besucher erwartet, wird vom Gericht objektiv bewertet, geschätzt, geglaubt oder ggf. durch ein Sachverständigengutachten ermittelt. Vielfach entscheiden Richter aber auch aufgrund ihrer eigenen Erfahrung (das kann eine gute Idee sein, muss es aber nicht…).

Thomas Waetke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Autor eventfaq
Justitiar des Bundesverbandes Veranstaltungssicherheit (bvvs.org)