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Verkehrssicherung auch für unbefugte Nutzer?

Timo Schutt | 05.08.2014
Das Amtsgericht München hat entschieden, dass der Betreiber (hier eines Supermarktes) für einen Notausgang dann nicht verkehrssicherungspflichtig sei, wenn dieser eigentlich für den Zutritt von Kunden nicht bestimmt sei, aber dennoch genutzt würde. Ein Kunde betrat über einen Notausgang den Supermarkt und rutschte dort auf einer Wasserlache aus, da es geregnet hatte. Das AG München hat konsequent die Rechtsprechung zur Verkehrssicherungspflicht angewendet – allerdings mit einer (zumindest scheinbaren) Ignoranz gegenüber der Tatsache „Notausgang“.

Das AG München hatte den Betreiber des Marktes richtigerweise als grundsätzlich verkehrssicherungspflichtig angesehen. Damit ist der Betreiber auch grundsätzlich gehalten, Maßnahmen gegen das Ausrutschen zu treffen.

Aber:
Hier hatte es sich um einen Notausgang gehandelt, der – so das AG München – erkennbar nicht zum Betreten des Marktes gedacht war. Der Betreiber habe seinen Verkehrssicherungspflichten genüge getan, da er ein Reinigungsunternehmen beauftragt hatte, das nachweislich alle 30 Minuten die fraglichen Stellen auf stehendes Wasser hin überprüfe und ggf. beseitige.

Nach Auffassung des AG München reicht diese Zeitspanne aus, Prüfungen in einem engeren Zeittakt seien nicht erforderlich, ebenso nicht das Aufstellen von Warnschildern oder Rutschmatten – eben weil es sich um einen Notausgang gehandelt habe, der nicht zum Betreten des Einkaufsmarktes bestimmt sei.

Kommentar von Rechtsanwalt Thomas Waetke

Ich möchte nicht sagen, dass die Bayern etwa nur einspurig denken, aber: Der Notausgang mag nicht zum Betreten gedacht sein, er ist aber kraft Bestimmung zum Verlassen da, idealerweise zu einem schnellen Verlassen des Marktes.

Daher ist fraglich, ob eine nur 30-minütige Prüffrequenz ausreicht, insbesondere wenn keine Rutschmatten ausgelegt sind, die das Ausrutschen flüchtender Personen verhindern helfen könnten.
So stellt sich die Frage, ob vielleicht nicht in Bezug auf den regelwidrigen Nutzer, aber in Bezug auf den regelkonformen Nutzer eine Verkehrssicherungspflicht besteht, die aber dann wiederum den regelwidrigen Nutzer mit erfasst: Denn wenn der regelwidrige Nutzer ausrutscht, rutscht auch der regelkonforme Nutzer aus.

Grundsätzlich besteht eine Verkehrssicherungspflicht nur gegenüber dem Adressatenkreis der Verkehrssicherung: Stellt ein Veranstalter eine kleine Kinderrutsche auf, zwängt sich aber ein Erwachsener hinunter und verletzt sich dabei, so kann man dem Veranstalter keinen Vorwurf machen.

So wäre das auch grundsätzlich bei einem Notausgang: Nutzt jemand den Ausgang von der falschen Seite regelwidrig, so wird er grundsätzlich von der Verkehrssicherungspflicht nicht erfasst. Anders als im Fall der Rutsche birgt der Notausgang-Fall aber das Problem, dass der regelwidrige Nutzer nicht ausgerutscht wäre, wenn der Betreiber seinen Pflichten gegenüber den regelkonformen Nutzern (Flüchtenden) nachgekommen wäre und für einen rutschfesten Ausgang gesorgt hätte.

So hatte dies einmal das Oberlandesgericht Dresden 2007 entschieden: Der unbefugte Nutzer (Kunde kommt von außen) wird einem befugten Nutzer (Kunde flüchtet nach außen) gleichgestellt, wenn sich die Gefahr beim befugten Nutzer ebenso verwirklich hätte.

Das Landgericht Heidelberg hatte 2010 dieser Entscheidung entgegengehalten, dass es dann dem Betreiber verwehrt bliebe, über eine Zugangsbeschränkung sein Haftungsrisiko zu steuern.

Im Fall des AG München kommt hinzu, dass der Betreiber offenbar davon wusste, dass Kunden den Notausgang regelwidrig nutzen – der gestürzte Kunde war also nicht der erste, aufgrund dessen der Betreiber erstmals auf das vorhandene Risiko überhaupt aufmerksam gemacht worden wäre. Das Oberlandesgericht Hamm hatte 2009 darin – dem OLG Dresden folgend – eine Verkehrssicherungspflichtverletzung gesehen.

Zum Verständnis: Hier ging es um die Frage, ob der unbefugte/regelwidrige Nutzer in den Genuss der Verkehrssicherung kommen kann, oder ob dies nur für den befugten/regelkonformen Nutzer gilt – bzw. ob der Verkehrssicherungspflichtige auch für den Schutz des unbefugten Nutzers verantwortlich ist.

M.E. kann man das jedenfalls in den Fällen bejahen, in denen der Verkehrssicherungspflichtige Kenntnis von der unbefugten Nutzung hatte und nichts gegen sie unternommen, sie also geduldet hatte. Denn dann könnte man aus Sicht des unbefugten Nutzers durchaus anerkennen, dass der sich nun als befugt betrachten darf, jedenfalls dann, wenn er erkennt, dass der Betreiber von der eigentlich unbefugten Nutzung weiß.

Thomas Waetke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Autor eventfaq
Justitiar des Bundesverbandes Veranstaltungssicherheit (bvvs.org)