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Events - Kein Spielraum für subjektive Einschätzungen?

Timo Schutt | 07.10.2014
Beim Großen Preis der Formel 1 in Japan wurde am Wochenende Jules Bianchi bei einem Unfall schwer verletzt, als er auf nasser Fahrbahn gegen einen Bergungskran knallte. Prompt gibt es von der einen Seite Vorwürfe, die andere Seite beschwichtigt – ein Phänomen, das jeden Verantwortlichen trifft, der Entscheidungen treffen muss:

Letztlich ist auch die Formel 1 eine Veranstaltung, bei der man sich bei schlechtem Wetter genauso wie bei einem Open Air-Konzert die Frage stellen muss, ob man sie ausfallen lässt oder doch durchzieht.

Abbruch der Veranstaltung?
Natürlich stehen hinter einer solchen Frage immer auch immense wirtschaftliche Interessen: Ein Ausfall der Veranstaltung kann den Veranstalter teuer zu stehen kommen.

In Japan hat man sich dazu entschlossen, trotz Regens das Rennen zu starten. Teilweise haben Fahrer die schlechte Sicht und die schlechten Streckenverhältnisse moniert, während andere Fahrer an die Rennleitung funkten, es sei alles in Ordnung.

Das Ergebnis ist nun ein schwer verletzter Fahrer, der aufgrund der schlechten Wetterverhältnisse von der Strecke abgekommen ist. Kann man derlei Unfälle damit erklären, dass Motorsport eben ein gefährlicher Sport ist?

Der ehemalige Fahrer Jacques Villeneuve äußerte sich denn auch kritisch zu dem Umstand, dass in Japan nach dem Unfall keine Safety-Car-Phase gefahren wurde: “Die Safety Car-Regeln müssen geändert werden, da sollte man sich Amerika zum Vorbild nehmen. Dort kommt das Safety Car jedes Mal, wenn es einen Unfall gibt, auf die Strecke. Es sollte keinen Spielraum mehr für subjektive Einschätzungen geben.”

Dieser letzte Satz „Es sollte keinen Spielraum mehr für subjektive Einschätzungen geben.” trifft genau das Problem: Wo ein Entscheidungsspielraum bleibt, bleibt auch Raum für falsche oder ungeschickte Entscheidungen. Wo ein Mensch, der unter Zugzwang, politischem und wirtschaftlichem Druck steht, entscheiden muss, kommen Fehlentscheidungen vor.

Daran wird man nur etwas ändern können, wenn das Bewusstsein stärker wird, dass man auch eine große Verantwortung für seine Besucher hat und nicht nur für die eigene Kasse. Die Frage ist, ob und inwieweit man aber diesen Spielraum tatsächlich verkleinern kann, wie eben bei der Formel 1 einen Automatismus einzuführen: Unfall = Safety Car-Phase. Derlei Automatismen auf eine normale Veranstaltung zu übertragen, ist aber nicht so einfach, da hierfür oftmals anerkannte Regeln fehlen. Die Formel “Gewitter = Abbruch” ist zu kurz gedacht, denn es fehlt eine räumliche Definition.

Fakt ist, dass man wohl mit einem gewissen Unsicherheitsfaktor “Mensch” leben muss. Aber vielleicht lassen sich doch noch bestimmte Kriterien aufstellen, die zu gewissen Automatismen führen können – nicht nur zum Vorteil der Besuchersicherheit, sondern auch zu Gunsten der Verantwortlichen – ohne zugleich alles zu überreglementieren.

Thomas Waetke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Autor eventfaq
Justitiar des Bundesverbandes Veranstaltungssicherheit (bvvs.org)