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Panoramafreiheit – Was uns vielleicht verloren geht

Timo Schutt | 29.06.2015
Sie sind in Berlin, machen ein Bild vom neuen Stadtschloss und posten es auf Facebook. Ein Problem? Nein, kein Problem. Jedenfalls solange Sie das Bild von einer Stelle aus machen, die der Öffentlichkeit zugänglich ist.

Ist doch normal, höre ich Sie jetzt sagen. Naja, so normal ist das eben nicht, weil der Architekt als Künstler das so genannte ausschließliche Recht auf jedwede Vervielfältigung und Verwertung seines geistigen Eigentums hat. Ermöglicht wird aber das Vorgehen durch die so genannte Panoramafreiheit in § 59 Absatz 1 des Urheberrechtsgesetzes.

Dort heißt es:

„Zulässig ist, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Bei Bauwerken erstrecken sich diese Befugnisse nur auf die äußere Ansicht.“

Gäbe es diese Vorschrift nicht, dann dürfte Sie der Architekt also abmahnen. Dasselbe würde gelten für Denkmäler, Statuen, Kunstobjekte aller Art im öffentlichen Raum etc.

Würden Sie dasselbe, wie in unserem obigen Beispiel mit dem Eiffelturm in Paris machen, dann wäre das zunächst deswegen unproblematisch, weil der gute Herr Eiffel schon ausreichend lange das zeitliche gesegnet hat, die Ansicht des Eiffelturms also „gemeinfrei“ geworden ist, es kein Urheberrecht auf diese Ansicht mehr gibt. Aber, wenn Sie dasselbe bei Nacht machen, bekommen Sie ein Problem, da es auch auf die umfangreiche Lichtinstallation ein Urheberrecht desjenigen gibt, der sich das alles ausgedacht hat. Und derjenige lebt eben noch. Und da es in Frankreich keine Panoramafreiheit gibt, begehen Sie eine Urheberrechtsverletzung.

Die Panoramafreiheit ist also grundsätzlich eine schöne Sache. Praxisnah und sinnvoll ist sie letztendlich auch. Doch aktuell gibt es Aufruhr. Die Panoramafreiheit soll abgeschafft werden heißt es.

Worum geht es? Nun, es liegt ein Berichtsentwurf des EU-Parlaments zur Urheberrechtsreform vor, der künftig die sogenannte Panoramafreiheit in den Mitgliedsstaaten der EU infrage stellt. Am 9. Juli 2015 soll das Parlament über die finale Fassung dieses Berichts abstimmen. Der hat zwar zunächst keine rechtsbindende Wirkung, dient aber als Vorgabe für die künftige Urheberrechtsgesetzgebung in den EU-Mitgliedsländern. Es soll dem Modell Frankreichs (Beispiel Eiffelturm) und Italiens gefolgt werden. Beide Länder kennen die Panoramafreiheit nicht. Die Folge wäre, dass ohne Zustimmung des Urhebers oder Rechtinhabers keine Bilder mehr von Gebäuden, Kunstwerken o.ä. im öffentlichen Raum verbreitet, vervielfältigt, veröffentlicht, öffentlich zugänglich gemacht werden dürften. Selbst aus der Sicht eines Juristen, der überwiegend für die Belange der Urheber kämpft, keine schöne Vorstellung.

Bleibt zu hoffen, dass die Panoramafreiheit als Ausdruck der sinnvollen und im Alltag notwendigen Schranken des Urheberrechtes erhalten bleibt.

Timo Schutt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für IT-Recht