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Dumm gelaufen = 1,3 Million Euro Schaden!

Timo Schutt | 31.08.2015
Ein 12-Jähriger hat in einem Museum in Taiwan ein 1,3-Million Euro teures Gemälde von Paolo Porpora zerstört, als er mit einem Getränkebecher in der Hand seitlich am Gemälde vorbeischlenderte – besser: vorbeischlendern wollte – und über ein kleines Podest vor dem Gemälde stolperte. Dabei schüttete er den Becherinhalt auf das Gemälde und stützte sich am/im Gemälde ab.

Eigentlich war das kleine Podest als Absperrung gedacht: Auf dem Boden lag eine etwas erhöhte weiße Bodenplatte, auf der auch zwei Kordelständer standen.

Glück für das Museum, das Bild ist versichert. Wie aber würde die Rechtslage (in Deutschland) aussehen?

Ansprüche gegen den Jungen

Schadenersatz gibt es grundsätzlich nur (= es gibt wenige Ausnahmen), wenn der Schädiger fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat, wobei leichteste Fahrlässigkeit schon ausreicht, um 1,3 Million Euro ersetzen zu müssen.

In einem Video ist zu sehen, dass der Junge neben einer Gruppe herläuft und dabei einer Audio-Führung über seinen Kopfhörer zuhört und sich wohl etwas zu sehr darin vertieft. Er bleibt mit einem Fuß beim Vorbeigehen an der Bodenplatte hängen und stolpert.

Dies könnte ein Fall des klassischen “dumm gelaufen” sein, an dem man dem Jungen keinen Schuldvorwurf machen kann, zu berücksichtigen ist nämlich auch sein Alter. Selbst wenn man dem Jungen aber vorwerfen könnte, er hätte besser aufpassen müssen, ist fraglich, ob man ihm einen Vorwurf in Bezug auf das teure Gemälde machen kann: Inwieweit war es für ihn vorhersehbar, dass er dieses Bild zerstören würde, wenn er an der Bodenplatte stolpert, weil er nicht richtig aufpasst? Wohl kaum.

Ansprüche gegen das Museum?

Grundsätzlich sind im Rahmen der Verkehrssicherung Stolperfallen zu vermeiden.

Allerdings darf der Verkehrssicherungspflichtige (hier das Museum) von einem durchschnittlich aufmerksamen Besucher ausgehen. Es kommt also darauf an, ob der durchschnittlich aufmerksame Besucher davon hätte ausgehen dürfen, dass auf dem Boden keine Stolperfalle ist und er also nicht auf den Boden schauen muss.

Aufbauhöhen bei einem Stand, der erkennbar auf einen festen Untergrund aufgebracht ist, sind grundsätzlich als ein zu erwartendes Hindernis hinzunehmen, so bspw. das Oberlandesgericht Naumburg: Eine Verletzung der Verkehrssicherung liegt dann nicht vor, wenn der Stand bzw. die Kante nach Farbe und Struktur vom normalen Bodenbelag unterscheidbar ist.

Maßgeblich für Stolperfallen können folgende Umstände sein:

• Zumindest im Arbeitsschutz akzeptiert man eine Höhe von bis zu 4 mm als noch hinnehmbar (vgl. ASR A1.5 3.4), darüber muss der Höhenunterschied zumindest rampenförmig angeglichen werden (ASR A1.5, 5.1). Technisch nicht vermeidbare Stolperstellen sind entsprechend zu kennzeichnen (ASR A1.5, 5.3).
• In der Rechtsprechung spielt eine wesentliche Rolle,
o ob der Geschädigte die Gefahrenstelle hat erkennen können und ihr unschwer hätte ausweichen können,
o ob der Geschädigte hat damit rechnen müssen, dass es an dieser Stelle eine Stolperstelle gibt: Bspw. weil erkennbar ist, dass ein Stand auf den Fliesenboden aufgestellt wurde,
o ob der Geschädigte die Gefahrenstelle gekannt hatte (z.B. weil er jeden Tag dort entlang geht).

Bei dem Argument, dass der Geschädigte der Gefahrenstelle ausweichen könne, muss u.a. beachtet werden:

• Ist es hell genug, dass er sie überhaupt erkennen kann, bzw. ist die Gefahrenstelle ausreichend beleuchtet?
• Ist er ggf. abgelenkt (bspw. durch einen Getränkestand)?
• Kann er überhaupt realistisch ausweichen oder würde er bspw. durch die Besuchermassen zwangsläufig auf die Gefahrenstelle geschoben?

Thomas Waetke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Autor eventfaq
Justitiar des Bundesverbandes Veranstaltungssicherheit (bvvs.org)