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Höhere Anforderungen an Bewertungsportale

Timo Schutt | 23.05.2016
In einem Rechtsstreit um ein Ärztebewertungsportal hat der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt die Anforderungen an die Betreiber solcher Portale erhöht und gleichzeitig die Persönlichkeitsrechte der Bewerteten gestärkt. Portalbetreiber werden solche Beanstandungen künftig strenger prüfen müssen.

Ist die Beanstandung des Bewerteten so konkret, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Beanstandung unschwer bejaht werden kann, so der BGH, dann ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des bewertenden Nutzers erforderlich. Der Überprüfungsaufwand des Portalbetreibers hängt im Einzelfall von einer umfassenden Interessenabwägung ab. An die Prüfungspflicht sind dabei strenge Anforderungen zu stellen.

Der BGH stellt dabei zunächst fest, dass ein Ärztebewertungsportal eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion erfülle. Der vom Portalbetreiber zu erbringende Prüfaufwand dürfe den Portalbetrieb daher weder wirtschaftlich gefährden noch unverhältnismäßig erschweren. Der Betrieb eines Ärztebewertungsportals würde aber im Vergleich zu anderen Portalen von vornherein ein gesteigertes Risiko für Persönlichkeitsrechtsverletzungen mit sich bringen. Das Portal berge die Gefahr, dass es auch für nicht unerhebliche persönlichkeitsrechtsverletzende Äußerungen missbraucht werden würde. Wegen dieser Gefahr müsse der Portalbetreiber von Anfang an mit Beanstandungen rechnen. Die Missbrauchsgefahr werde durch die Möglichkeit der verdeckten Bewertungen verstärkt.

Deshalb fordert der BGH eine gewissenhafte Prüfung der Beanstandungen von betroffenen Ärzten durch den Portalbetreiber. Der Portalbetreiber muss dabei ernsthaft versuchen, sich die notwendige Tatsachengrundlage zu verschaffen, um die Berechtigung der Beanstandung des betroffenen Arztes zu klären. Eine rein formale Prüfung reicht nicht aus. Der BGH verlangt weiter, dass der Portalbetreiber dem Arzt die Informationen und Unterlagen über den behaupteten Behandlungskontakt weiterleiten muss, zu deren Weiterleitung er ohne Rechtsverstoß in der Lage ist. Die Portalbetreiberin hätte den Bewertenden also auffordern müssen, ihr den angeblichen Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben und ihr dazu Unterlagen – soweit vom Bewertenden für nötig erachtet gegebenenfalls teilweise geschwärzt – zu übermitteln. Erfüllt der Portalbetreiber seine Obliegenheiten nicht, ist die Behauptung des Arztes als zugestanden zu bewerten.

(BGH, Urteil vom 01.03.2016 , Aktenzeichen VI ZR 34/15 - Ärztebewertung III)

Unsere Meinung

Das Urteil hat weitreichende Folgen. Portalbetreiber müssen ihre konkreten Prüfprozesse in Bezug auf die jeweiligen Anforderungen prüfen und gegebenenfalls entsprechend anpassen. Das gilt nicht nur für Ärztebewertungsportale, sondern für alle vergleichbaren Portale. Die Nutzer solcher Portale werden daher künftig mit mehr Nachfragen der Portalbetreiber im Falle von Beanstandungen der Bewerteten rechnen müssen.

Das Urteil ist daher als Handlungsanweisung für die Portalbetreiber zu verstehen. Sie werden darin klar auf ihre erhebliche Verantwortung und ihre besonderen Pflichten hingewiesen. Es eignet sich umgekehrt aber auch als Argumentationsgrundlage für all diejenigen, die sich gegen rechtswidrige Bewertungen wehren wollen.

Timo Schutt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für IT-Recht