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Header Bidding ist eine Utopie

Header Bidding - das Non Plus Ultra der Adtech-Industrie oder nur noch eine utopische Idee?
Gerd Mittmann | 21.03.2018
Wenn man einen Blick auf die Nachrichten über Header Bidding der letzten zwölf Monate wirft, kann man leicht zu dem Schluss kommen, dass alles wunderbar ist: Header Bidding hat weltweit den programmatischen Marktplatz zu einer egalitären Utopie gemacht. Ein Ort, an dem alle Käufer eine faire Chance haben, die für sie relevanten Impressionen zu gewinnen und Verkäufer endlich die Preise erzielen, die den Wert ihres Inventars wiederspiegeln. Anders ausgedrückt: Ist Header Bidding auf dem Weg ein meritokratisches System zu werden? Neuste Statistiken bestätigen diese Richtung: letzten November veröffentlichte PubMatic Daten, nach denen die Zahl der Impressionen, die über Header Bidding verkauft werden, im 3. Quartal 2017 um 220 % im Vergleich zum Vorjahr gestiegen ist. Mobile Web Header Bidding Impressionen stiegen sogar um 252 % zum Vorjahr.

Leider ist die Utopie „Header Bidding“ bis jetzt trotzdem nur ein Wunschtraum: ein Ideal, zu dem wir hinstreben, das wir aber noch lange nicht erreicht haben. Auch wenn man aus dem stetigen Wachstum des Header Biddings schließen kann, dass alle Teilnehmer den Prozess fairer gestalten wollen, sind wir trotzdem noch lange nicht an diesem Punkt angekommen.

Woran liegt das? Wer oder was zieht momentan noch die Bremse? Um die Antwort zu finden, müssen wir die programmatische Landschaft als Ganze betrachten. Dabei fällt der Blick direkt auf den immensen Mangel an Transparenz.

Viele Systeme – ein grundlegender Fehler

Hier nur ein Beispiel: Während der Anfänge des programmatischen Werbens fanden die Auktionen nach dem Second Price-Prinzip statt. Damals ersteigerte der höchste Bieter die Impression, musste dafür aber nur den Preis des nächsthöchsten Gebots bezahlen. Die Kauf-Seite passte ihre Auktionsstrategien an, um auf Grundlage dieses Prinzips die besten Chancen zu haben.

Mit der Einführung des Header Biddings konnten die Publisher erstmals sehen, wer mit welchem Gebot die Auktion gewonnen hatte. Einige Exchanges wechselten daraufhin zu einer First Price-Auktion. Warum auch nicht? Publisher sind selbstverständlich daran interessiert, den höchstmöglichen Preis für ihre Impressionen zu erzielen. Auf dieser Grundlage wurde Header Bidding ja entwickelt. In einem First Price-System kommen allerdings andere Auktionsstrategien zum Zug. Das bereitet an sich kein Problem – so denn die Käufer wissen, an welcher Auktionsart sie sich beteiligen. Doch die Krux liegt im Detail: Genau diese Information bleibt ihnen verwehrt.

Dazu kommt, dass mit der Einführung des Header Biddings neue Adtech-Unternehmen auf den Markt drängten und den Wettbewerb für die bestehenden SSPs erhöhten. Die SSPs reagierten auf ihren schwindenden Umsatz mit neuen und teilweise absichtlich verwirrenden Preisstrukturen, versteckten Gebühren und flexiblen Mindestgeboten.
Doch wie soll ein Käufer seine Auktionsstrategie planen, wenn die SSP ihre Mindestgebote nochmals ändert, nachdem bereits die Teilnehmer ihre Gebote eingereicht haben?

Dies sind nur einige der Transparenzprobleme. Einfache Wirtschaftsgrundlagen zeigen, dass ein Markt nur dann einwandfrei und fair funktioniert, wenn die Teilnehmer freien Zugang zu allen verfügbaren Informationen haben. Können wir daraus schließen, dass die momentanen programmatischen Auktionen – auch unter dem Header Bidding-Prinzip – nicht fair ablaufen? Definitiv – und die oben erwähnten Gründe sind nur einige unter vielen, die das beweisen.

Header Bidding – der Wolf im Schafspelz?

Tatsächlich sind viele Header Bidding Tools nur ein ‚Hack‘ – sie sind schlichtweg eine Server-Side Integration, kombiniert mit einer Exchange-Plattform. Das funktioniert vielleicht auf dem Desktop, aber sobald dieses Prinzip bei mobilen Apps angewendet wird, wird so ein riesiger Teil der Nachfrage nicht miteinbezogen. Besonders trifft das die Käufer, die eigentlich über die SDK der App an einer Wasserfall-Auktion teilnehmen sollen. So löst sich das Versprechen der erhöhten Nachfrage und der steigenden CPMs in Luft auf!

Die vielen Mischformen, die momentan auf den Markt drängen, haben auch noch lange nichts mit der simultanen Auktion zu tun, die Header Bidding eigentlich verspricht. Sie sind nichts mehr als ein zweiteiliges Wasserfall-System, bei dem zuerst die Exchanges an einer gemeinsamen Auktion teilnehmen und dann die restlichen Impressionen über das herkömmliche Wasserfall-System angeboten werden. Können wir davon ausgehen, dass durch den Wettbewerb zwischen Exchanges und Käufern im Mediations-Netzwerk ein fairer Preis entsteht? Nicht wirklich; vor allem nicht, wenn die Auktion nach dem Second-Price Prinzip abläuft. Gehen wir einmal davon aus, dass eine Impression einen Preis von 9€ CPM in der Exchange Auktion erzielt. Dieser Preis ist nun das Mindestgebot, dass das Mediations-Netzwerk im Wasserfall-System übertreffen muss. Gehen wir jetzt davon aus, dass es innerhalb des Mediations-Netzwerks einen Käufer gibt, der diesen speziellen Verbraucher mit einer wichtigen Retargeting-Kampagne erreichen möchte und dafür bereit ist, ganze 50€ zu bieten. Aber weiter oben in der Wasserfall-Hierarchie wird die Impression als weniger attraktiv gesehen und als zweithöchstes Gebot wird nur 8,90€ erzielt. In diesem Szenario – das tatsächlich sehr häufig eintritt – wird nicht der ideale Preis erzielt, da die Header-Bidding Auktion das Gebot der obersten Ebene des Wasserfall-Systems als Mindestgebot verwendet.

Blick in die Kristallkugel – ein programmatisch-loser Markt?

Immerhin – es gab bereits erste kleine Schritte um die grundlegenden Ungleichheiten des Header Biddings aufzuarbeiten. Zum Beispiel haben die SSPs mittlerweile angekündigt, dass sie die Art der Auktion (First Price oder Second Price) bei dem Aufruf für Gebote erwähnen. Aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Es gibt immer noch einiges zu tun.

Die momentanen Tools, die sich zwar Header Bidding nennen, aber de facto Wasserfall-Systeme sind, sind rigide und protektionistisch – und das oft aus Absicht. Header Bidding verspricht in der Theorie einen fundamentalen Machtwechsel; Publisher, nicht ihre Stellvertreter, haben die Wahl, an wen sie ihr Inventar verkaufen. Dieser Wandel stellt das Geschäftsmodell vieler Teilnehmer in der Adtech-Sphäre auf den Kopf. Kein Wunder, 2. dass die sich Mittel und Wege überlegen, weiterhin relevant zu bleiben. Aber diese Strategie ist die falsche, denn sie geht gegen die grundlegenden Marktgesetze. Transparenz und Gleichheit sind es, die den Markt am Laufen halten – und nicht Verwirrung und Protektionismus. Nur ein Narr würde denken, dass die digitale Werbebranche eine Ausnahme dieser Regel ist.

Der erste Schritt in die richtige Richtung wäre, dass sich die gesamte Branche endlich auf eine einzige simultane Auktion einigt, bei der alle Nachfragequellen einen gleichberechtigten Zugang zu den Impressionen haben. Nur so können Publisher den höchsten Preis für ihr Inventar erzielen und Käufer die Verbraucher erreichen, die ihnen am wichtigsten sind.