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EuGH: Strenge Informationspflichten im E-Commerce

Im Onlinehandel gibt es viele Informationspflichten. Will man nicht abgmahnt werden, sollten alle Informationspflichten erfüllt werden.
Timo Schutt | 20.03.2019
Der Europäische Gerichshof in Luxemburg © Wikipedia / Cédric Puisney, CC BY 2.0
 
Im Onlinehandel (E-Commerce) gibt es viele Informationspflichten. Man könnte spöttisch behaupten, dass der Verbraucher mittlerweile so viel informiert wird, dass er sich im Informationsdschungel nicht mehr zu Recht findet. Aber das mag auch nur meine persönliche Meinung zu dem Thema sein.

Sicher ist, dass alle Informationspflichten erfüllt werden müssen, will man nicht abgemahnt werden oder sonst unschöne Rechtsfolgen in Kauf nehmen. Beispiel für eine unschöne Rechtsfolge: Informiert der Onlinehändler nicht oder nicht richtig über das Widerrufsrecht, kann der Verbraucher auch noch nach einem Jahr widerrufen. Ohne Begründung. Ohne, dass ein Mangel vorliegen muss. Unschön für den Händler, nicht wahr?

Die vielen Informationspflichten haben zumindest den EU-Gesetzgeber dazu bewogen, Ausnahmen für den M-Commerce vorzusehen (Art. 246a § 3 EGBGB). Im Juristendeutsch: die Ausnahme gilt, „wenn aufgrund des verwendeten Fernkommunikationsmittels nur begrenzte Darstellungsmöglichkeiten zur Verfügung“ stehen. Es geht also insbesondere um Mobile-Dienste, wie eben eine App oder Bestellungen per Textnachricht über Messangerdienste o.ä. Denn dort steht ja nur begrenzter Raum zur Verfügung. Kriterium für eine etwas lockere Sicht auf Art und Umfang der Pflichtinformationen ist die Frage, ob dem Händler nur begrenzter Raum bzw. begrenzte Zeit zur Verfügung steht.

Genau darum ging es jetzt in einem Fall, den der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden musste (EuGH 3. Kammer, Urteil vom 23.01.2019 - C-430/17).

Geklagt hatte ein Wettbewerbsverband gegen ein Unternehmen. Das Unternehmen hat als Beilage zu verschiedenen Zeitschriften und Zeitungen ein ausklappbares Werbeprospekt von etwa drei DIN-A4-Seiten verbreitet, der eine heraustrennbare Bestellpostkarte enthielt. Sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite der Postkarte wurde auf das gesetzliche Widerrufsrecht hingewiesen. Eine Widerrufsbelehrung und ein Muster-Widerrufsformular waren aber nur auf einer Website abrufbar. Die Adresse der Seite war angegeben. Aber es fehlte ein gesonderter Hinweis, dass man dort die Informationen bekommen kann.

Der Wettbewerbsverband beanstandet das Prospekt als unlauter. Es hat keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung und das Muster-Widerrufsformular ist nicht beigefügt.

Da der begrenzte Raum sowohl objektiv und abstrakt begrenzt sein kann (z.B. beim Mobile Shopping) oder allein durch die vom Unternehmer konkret gewählte Gestaltung (wie vorliegend ein kleiner Prospekt), fragte der BGH den EuGH, ob es für die Möglichkeit zur Gewährung von Erleichterungen bei den Informationspflichten auf die abstrakte oder die konkrete Beschränkung ankomme.
Mit der zweiten Vorlagefrage möchte der BGH wissen, ob es im Fall begrenzter Darstellungsmöglichkeit möglich sei, statt einer ausführlichen Widerrufsbelehrung einen Hinweis zum Bestehen des Widerrufsrechts mit einem Verweis auf anderweitig zu findende Informationen zu verbinden. Die dritte Frage hakt nach, ob in diesem Fall zumindest das beizufügende Muster-Widerrufsformular anderweitig vorgehalten werden könne.

Die Frage, ob der vom Unternehmer selbst gewählte enge Raum – ein Flugblatt anstelle eines mehrseitigen Prospekts – bzw. begrenzte Zeit zur Verfügung steht, beantwortet der EuGH mit einem „es kommt darauf an“. Hier nämlich darauf, ob die Informationen objektiv integriert werden könnten. Die vom Unternehmer getroffenen Entscheidungen hinsichtlich der Aufteilung und Nutzung von Raum und Zeit seien irrelevant.
Sofern diese Prüfung ergebe, dass nur begrenzter Raum oder begrenzte Zeit zur Verfügung stünden, sei zu prüfen, ob der Unternehmer die erforderlichen Informationen auf andere Weise klar und verständlich erteilt habe. Der EuGH weist darauf hin, dass die Informationen nicht nur zum Bestehen, sondern auch zu den Umständen des Widerrufsrechts essentiell seien. Um von dieser Information profitieren zu können, müsse der Verbraucher im Vorhinein die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts kennen – diese Informationen müssten sich also auch auf begrenztem Raum finden. Das Muster-Widerrufsformular hingegen könne bei begrenztem Raum bzw. begrenzter Zeit auch anderweitig zur Verfügung gestellt werden.

Unser Fazit

Für die Prospektwerbung gilt die Ausnahme für erleichterte Informationspflichten nicht. Die Ausnahme hat nur einen sehr engen Anwendungsbereich.

Auch die zweite Antwort des Gerichts ist keine Erleichterung für Werbemaßnahmen: Auch bei begrenztem Raum sind Informationen zu Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts zu erteilen.

Immerhin gestattet die dritte Antwort es, das Muster-Widerrufsformular anderweitig bereitzuhalten. Aber so viele Zeilen werden damit auch nicht eingespart.

Das Urteil ist also ein Schlag gegen die werbetreibende Wirtschaft. Der BGH hatte eine Erleichterung der gesetzlichen Anforderungen in Bezug auf Informationspflichten angeregt. Dem ist der EuGH aber jetzt nicht gefolgt.

Jeder Verstoß gegen die Informationspflichten ist auch ein Verstoß gegen Wettbewerbsrecht und kann kostenpflichtig abgemahnt werden. Daher muss viel Wert auf die Einhaltung aller Regeln zur Information der Verbraucher gelegt werden.

Wir beraten Webshopbetreiber, Onlinehändler und solche, die es werden wollen über alle erforderlichen Maßnahmen und die besten Wege rechtskonform zu arbeiten. Rufen Sie uns an.

Timo Schutt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für IT-Recht