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Customer Touchpoint: Erfahrungen und Erlebnisse der Kunden managen

Viele Unternehmen kennen die wichtigen Kundenkontaktpunkte gar nicht alle. Doch sie sollten die Mikroprozesse der Kunden genau verstehen.
Jürgen Fleig | 05.08.2010
Der Kunde – noch immer das unbekannte Wesen? Trotz aller Befragungen, Studien und Analysen gewinnt man häufig den Eindruck: Unternehmen kennen ihre Kunden nicht. Testfrage: Was tut Ihr Kunde in den drei Minuten bevor und in den drei Minuten nachdem er mit Ihrem Unternehmen, mit Ihrem Produkt oder mit Ihrem Servicemitarbeiter in Kontakt kommt?

Beispiel Thomson Reuters: Das Unternehmen versorgt unter anderem Medien und Banken mit Wirtschaftsinformationen. Die Kunden bekommen die Daten und importieren diese gleich in ihre Excel-Tabellen. Die werden dann angepasst und neu formatiert. Als die Produktmanager von Thomson Reuters das erkannten, entwickelten sie Werkzeuge (Excel-Plugin), um den Import und die Formatierung erheblich zu vereinfachen. Das Ergebnis: Der Umsatz mit den Daten zog sofort deutlich an.

Aus dieser einfachen Drei-Minuten-Technik lässt sich eine Fülle von Maßnahmen ableiten, die dem Unternehmen helfen, die Kundenzufriedenheit zu verbessern, die Kundenbindung zu erhöhen, Umsätze zu steigern oder innovative Produkte zu entwickeln.
Ein ganz simples Beispiel kann das illustrieren.

Sicherlich kennen Sie die Menschen, die aus welchen Gründen auch immer beim Betreten eines Lebensmittelgeschäfts keinen Einkaufswagen oder Einkaufskorb nehmen. Stattdessen stapeln sie ihre Einkäufe auf ihren Unterarmen, bis sie nichts mehr tragen können und deshalb schnell zur Kasse eilen. Leicht gestresst sind sie froh, wenn sie ihre Last endlich an der Kasse abladen können. Viele von ihnen hätten vielleicht noch etwas mehr gekauft, wenn ihre Ladekapazität nicht erschöpft gewesen wäre. Die Lösung: Einzelhändler sollten im Geschäft einfach an mehrere Stellen Einkaufskörbe anbieten.

Unternehmen zwingen ihre Kunden in ausgedachte Abläufe

Was der Kunde mit dem Produkt, der Dienstleistung, dem Service oder dem Mitarbeiter des Unternehmens erlebt, ist ganz entscheidend für seine Einstellung und Bewertung. Daraus leiten sich die Kundenzufriedenheit, die Kundenbindung, die Kundenloyalität und auch die Markenidentifikation ab. Der Marketingexperte und Professor am Institut für Marketing der Universität St. Gallen, Marcus Schögel, fasst es im Interview mit der Zeitschrift Marketing Review (2/2010) prägnant zusammen: „Der Kauf ist für das Unternehmen der Endpunkt, für den Kunden ist er aber erst der Beginn.“

Doch viele Unternehmen haben das immer noch nicht erkannt. Trotz aller Bekundungen zur Kundenorientierung und dem mantraartigen Wiederholen der Floskel: „Der Kunde ist König.“ Christian Belz, ebenfalls Professor in St. Gallen, weiß: „Auch Touchpoints werden quasi als Angebot definiert und es wird oft versucht, den Kunden in diese Kontaktpunkte und ausgedachte Abläufe zu zwängen. Man würde gut daran tun, das natürliche Verhalten der Kunden zu nutzen.“

Und doch sind diese Kundenkontaktpunkte der Schauplatz, an denen sich Wohl und Wehe eines Unternehmens entscheiden. Denn nur hier macht der Kunde die Erfahrungen, die seine Einstellung und Beurteilung zum Produkt, zum Unternehmen und seinem Service festlegen. Ihnen widmet die Zeitschrift Marketing Review mit der Ausgabe 2/2010 einen Schwerpunkt.

Es gibt unzählige Gelegenheiten, mit dem Kunden in Kontakt zu kommen – und dem entsprechend viele Chancen und Risiken, es als Anbieter eines Produkts oder einer Dienstleistung richtig oder falsch zu machen. Ein paar Beispiele:

- Der Kunde möchte sich über ein Produkt informieren, das er kaufen will, bekommt aber nur sehr allgemeines Werbe-Blabla.

- Der Kunde würde gerne seinen Mobilfunkvertrag ändern und aufstocken, wird aber erst einmal fünf Minuten in der Warteschleife festgehalten.

- Der Kunde will seinen TV-Receiver für seine Lieblingsserie programmieren, muss sich aber erst einmal durch unverständliches Fachchinesisch der 200-seitigen Bedienungsanleitung quälen (Wo war das nochmal?).

Alle indirekten Kontaktpunkte kann das Unternehmen mit seinem Marketing nur schwer oder gar nicht beeinflussen. Was sich dort tut, kann aber wichtige Hinweise liefern, wenn es Defizite im Verhältnis zum Kunden gibt (Radarfunktion). Die direkten Einflussfaktoren lassen sich aktiv gestalten. Je stärker der Kunde dabei mit einbezogen wird – das sogenannte Kunden-Involvement – desto besser lassen sich seine Bedürfnisse und Anforderungen sowie Verbesserungspotenziale erkennen.

Die Mikrokundenprozesse erkennen und verstehen

Das Problem ist, dass die Kontaktpunkte gar nicht so leicht zu identifizieren sind. Vieles spielt sich beiläufig oder im Verborgenen ab. Worauf es ankommt, sind die Mikrokundenprozesse, also die Details und Feinheiten, wenn der Kunde mit dem Unternehmen in Kontakt kommt. Um sie zu erkunden, braucht es eine genaue Beobachtungsgabe. Ethnologen haben das gelernt. Sie interpretieren das Verhalten der Menschen, das sie beobachten, vor dem Hintergrund von Umfeld, Werten, Einstellungen oder Kompetenzen und können daraus ableiten, warum sich jemand so verhält, wie er es gerade tut. Wenn die Menschen Kunden eines Unternehmens oder Anwender eines Produkts sind, dann können Ethnologen erklären, was diese gerade beim Kontakt beschäftigt.

Beispiel Stromrechnung: Jedes Jahr erhält der Kunde von seinem Stromlieferanten eine Rechnung. Er reißt das Kuvert auf und versucht herauszufinden, was er nachbezahlen muss. Bekommt er eine Gutschrift, freut in das umso mehr. Warum also die Abschläge nicht gleich so kalkulieren, dass im Normalfall am Jahresende immer eine Gutschrift rausspringt? Dann will er wissen, warum er so viel bezahlen muss: Was hat er verbraucht? War das mehr oder weniger als in den vorigen Jahren? Was kostet die Kilowattstunde? Was sind die Grundgebühren? Was hat sich hier im Laufe des Jahres verändert? Zentrale Frage ist: Wo lässt sich das in der Rechnung in all den Tabellen und Zahlen erkennen? Am Ende heftet der ordentliche Kunde seine Rechnung ab (ist sie schon gelocht?) und merkt sich sein Erlebnis und seine Erfahrung mit diesem Anbieterkontakt.

Um die richtigen Stellhebel zu erkennen und zu verbessern, muss das Marketing systematisch vorgehen. Dazu erfahren Sie hier mehr:

http://www.business-wissen.de/index.php?id=6921