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Hohe Versichertenzufriedenheit und -bindung erschweren Differenzierung

Private Krankenversicherungen konnten in punkto Kundenzufriedenheit und -bindung deutlich zulegen.
Fritz Lechelt | 29.07.2005
Eine empirische Studie der Forschungsgruppe Management + Marketing in Kassel zur Zufriedenheit von Versicherten mit ihrer Krankenkasse bzw. -versicherung belegt klar: Private Krankenversicherungen konnten in punkto Kundenzufriedenheit und -bindung deutlich zulegen. Die gesetzlichen Krankenkassen liegen aber in nahezu allen Bereichen auf einem fast gleich hohen Niveau. Von daher wird der Wettbewerb härter und die Qualität der Kundenbindungsmaßnahmen ist entscheidend.


Statistiken weisen aus, dass die privaten Krankenversicherungen in den letzten Jahren durchschnittlich jährlich über 300.000 Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen durch Übertritte gewinnen konnten (Quelle: Die private Krankenversicherung, Zahlenbericht 2003/2004).

Ein umfangreiches Leistungsangebot, attraktive Konditionen und glaubhaft vermittelte Leistungsversprechen haben dies bewirkt; zugleich wurden hierdurch aber auch hohe Erwartungen bei den Versicherten ge-weckt. Für die privaten Krankenversicherungen wird es jetzt trotz der bestehenden Wechselbarrieren darauf ankommen, diese Erwartungen der neuen Versicherten in vollem Umfang zu erfüllen und die Mitglieder an ihre Versicherung langfristig zu binden.

Genau hier setzt die M+M-Versichertenstudie an. Im Januar 2005 wurden in einer repräsentativen Befragung 1.001 gesetzlich und privat versicherte Bundesbürger im Alter ab 18 Jahren interviewt, und zwar bezogen auf ihre Wahrnehmung der Krankenkasse bzw. -versicherung, bei der sie derzeit versichert sind. Die Befragung erfolgte in strukturierten Telefoninterviews nach der Methode des Computer Aided Telephone Interviewing (CATI) anhand eines eigens entwickelten Fragebogens. Die Befragten wurden nach einer mehrstufig geschichteten Zufallsauswahl repräsentativ ermittelt. Damit liegen valide Aussagen über den aktuellen Stand der Zufriedenheit mit deutschen Krankenversicherungen, das Bindungsniveau der Versicherten sowie zu deren Wertvorstellungen und Erwartungen vor.

Die Planung und Durchführung der Studie war ein Gemeinschaftsprojekt der Forschungsgruppe Management + Marketing in Kassel, der TU Dresden und der USUMA GmbH in Berlin. Sie schließt sich an eine bereits im Jahr 2000 durchgeführte umfassende Studie im Krankenkassenmarkt mit über 9000 befragten Versicherten an und erlaubt somit auch wichtige Trendaussagen.


Zufriedenheitsniveau und Versichertenbindung

In einem Markt ohne gravierende Differenzierungsmöglichkeiten im Leistungsbereich ist eine reine Zufriedenheitsmessung nicht hinreichend aussagefähig, da der Stellenwert und damit die Wichtigkeit der einzelnen Sachverhalte für eine dauerhafte Geschäftsbeziehung keine Berücksichtigung findet. Entscheidend ist deshalb, wie gut die unterschiedlichen individuellen Erwartungen der Versicherten erfüllt werden. Dazu liefert der M+M CSI® (Customer Satis-faction Index) eine klare Aussage, indem – auf der Basis eines validen mathematischen Modells – die Wichtigkeit eines Kriteriums direkt mit der damit verbundenen Zufriedenheit statistisch in Beziehung gesetzt wird. Da im Modell ein Wert > 100 nicht möglich ist, führt das Übererfüllen von einzelnen Kriterien – statistisch gesehen – nicht zur Kompensation von Defiziten bei anderen wichtigen Kriterien. Somit ist der M+M CSI® im Ergebnis deutlich aussagefähiger und bezogen auf die tatsächliche Zufriedenheit der Versicherten verlässlicher als reine Zufriedenheitswerte.

Die Höhe des erreichten M+M CSI® mit einem Wert von 87,0 (auf einer Skala von 0 bis 100) für die Befragungsgruppe der Privatversicherten zeigt, dass die Anforderungen der Versicherten auf einem sehr hohen Niveau erfüllt werden. Bei ca. einem Drittel der Versicherten werden alle Kundenanforderungen gut erfüllt (CSI > 95). Lediglich ca. 1% der Versi-cherten sind mit einem CSI  60 (sehr) unzufrieden und somit potenziell motiviert zum Wechsel der Krankenversicherung.

Privatversicherte sind – im Gegensatz zu den Ergebnissen der M+M-Studie 2000 – inzwischen tendenziell etwas zufriedener als gesetzlich Versicherte. Verglichen mit dem Wert der M+M-Studie aus dem Jahr 2000 hat sich der CSI insgesamt um über 10-Indexpunkte verbessert. Damit honorieren die Befragten die Anstrengungen der Krankenversicherungen in den letzten Jahren im Bemühen um mehr Servicequalität und Kundenzufriedenheit.

Da es dem Gesamtergebnis des CSI zu Folge den privaten Krankenversicherungen im wesentlichen gelingt, die Kundenanforderungen mit relativ hoher Zufriedenheit zu erfüllen, stellt sich nun die entscheidende Frage, wie stark die daraus erwachsende Loyalität und Bindung der Versicherten an ihre Kasse tatsächlich ist.

Diese aus Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität erwachsende Kundenbindung ist insbesondere in stark wettbewerbsintensiven Märkten entscheidend für den dauerhaften Unternehmenserfolg. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Versichertenbindung auf einem ebenfalls hohen Niveau liegt (M+M KBI® = 83,3). Soviel zu den guten Ergebnissen. Bezogen auf die zahlenmäßigen Anteile der Versicherten bedeutet dies im Detail, dass zwei Drittel der Versicherten von privaten Krankenversicherungen eine (sehr) ausgeprägte Kundenbindung zu ihrer Krankenversicherung haben. 29,6% weisen jedoch lediglich eine eingeschränkte und 3,5% nur eine geringe bzw. keine Kundenbindung zu ihrer jetzigen Krankenversicherung auf. Allein wenn man den letzten Prozentsatz auf die absolute Anzahl der Versicherten einer Krankenversicherung bezieht, dann wird konkret nachvollziehbar, wie groß die Auswirkung dieses Wechselpotenzials auf Umsatz und Ertrag sein kann. Dies relativiert die Ergebnisse deutlich.

Wichtige Indikatoren für die Kundenbindung sind neben einer hohen Kundenzufriedenheit auch Faktoren wie Loyalität, Sympathie, Wiederwahl und Weiterempfehlung. Wie stark sich die Bewertung der genannten Indikatoren für die Kundenbindung zwischen gesetzlich und privat Versicherten unterscheidet, zeigt die folgende Abbildung.

Erwartungsgemäß ist der größte Unterschied im Cross Buying festzustellen. 82% der Versicherten einer privaten Krankenversicherung würden eine neue, zusätzliche Versicherung bei ihrer jetzigen Krankenversicherung abschließen, dagegen nur 66% der Versicherten einer gesetzlichen Krankenkasse.


Stärken-Schwächen-Analyse

Wie bedeutungsvoll das Verhalten der Mitarbeiter für den Unterneh-menserfolg ist, zeigt sich daran, dass die Kompetenz und fachliche Qualifikation der Mitarbeiter die insgesamt höchste Anforderung der Versicherten ausmacht. Für fast alle Befragten (97%) ist dieses Kriterium wichtig oder sehr wichtig. Hier liegt für viele Krankenversicherungen eine zentrale Herausforderung, um den Anforderungen der Versicherten, auch im Vergleich zum Wettbewerb, in vollem Umfang zu entsprechen.

Weitere Kriterien mit hoher Wichtigkeit und somit auch hoher Erwartungshaltung der Befragten an die Servicebereitschaft und -orientierung der Mitarbeiter sind:
- Zuverlässigkeit von Zusagen und Informationen
- Schnelle und unbürokratische Bearbeitung der Anliegen/ Leistungsanträge.

Generell lassen sich die Anforderungen der Versicherten in der folgenden Weise auf den Punkt bringen: Die Versicherten erwarten, dass Sie mit Ihren Bedürfnissen, Wünschen und Anliegen auf Verständnis und Hilfsbereitschaft stoßen, dass diese einer schnellen, unbürokratischen und kompetenten Bearbeitung unterzogen werden und dass sie sich auf gegebene Informationen und Zusagen ihrer Krankenversicherung verlassen können. Entscheidend für Zufriedenheit und Bindung ist damit der gesamte Prozess des Kontaktes mit dem Kunden.

Im Vergleich der Zufriedenheitswerte mit den Wichtigkeiten bei diesen Kriterien zeigen sich immer noch Defizite, obwohl sich, gemessen an den Ergebnissen der M+M Studie aus dem Jahr 2000, vieles verbessert hat. Die größte Schwäche bei den genannten mitarbeiterbezogenen Kriterien existiert bei der schnellen und unbürokratischen Bearbeitung der Anliegen/ Leistungsanträge. Jeder 7. befragte Privatversicherte ist damit nicht oder nur teilweise zufrieden.

Auch die Freundlichkeit/ Hilfsbereitschaft der Ansprechpartner und deren Engagement sowie die individuelle Beratung und Betreuung durch die Mitarbeiter werden von den befragten Versicherten noch nicht uneingeschränkt positiv wahrgenommen, d.h. hier besteht ebenfalls noch Spielraum für Ver-besserung und Differenzierung vom Wettbewerb.

Die Qualität der persönlichen Kontakte spielt bei diesen Kriterien eine entscheidende Rolle, damit ausgeprägte Zufriedenheit und Bindung entsteht. Diese Anforderungen werden bisher jedoch nicht alle hinreichend erfüllt.

Als Zwischenfazit lässt sich festhalten: Aufgrund der relativ wenigen Kontakten der Versicherten mit ihrer Krankenversicherung messen diese dem Verhalten der Mitarbeiter und Ansprechpartner beim Kontakt einen sehr hohen Stellenwert bei. Es besteht also nur selten die Möglichkeit, einen Versicherten durch ausgesprochen guten Service zu begeistern, aber dabei immer ausreichend Gelegenheit, ihn durch schlechten Service nachhaltig zu verärgern.


Image der Krankenversicherungen

Aus Sicht der Versicherten sind das Erscheinungsbild und Auftreten ihrer Krankenversicherung vor allem geprägt durch Zuverlässigkeit (99%), Leistungsstärke (97%), Freundlichkeit/ Hilfsbereitschaft (97%), Kompetenz (96%) und Engagement (96%). Dagegen werden Kriterien wie günstig, unbürokratisch und persönlich als Imagemerkmale oftmals verneint, wobei Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen signifikant häufiger der Ansicht sind, dass ihre Krankenkasse „persönlich“ ist. Privatversicherte charakterisieren ihre Versicherung dagegen wesentlich häufiger als „leistungsstark“.

Zusammenfassend kann folgende Schlussfolgerung getroffen werden: Die privaten Krankenversicherungen befinden sich wie die gesetzlichen Krankenkassen in einem Markt mit dichtem Wettbewerbsumfeld und relativ begrenzten Potenzialen der Neukundengewinnung. Eine Differenzierung von den Mitbewerbern ist aufgrund der durchgeführten Maßnahmen aller Krankenversicherungen zur Steigerung der Kundenzufriedenheit und angesichts der hohen gesetzlich bedingten Standardisierung bei den Leistungen nur schwer möglich. Das Herausbilden von Alleinstellungsmerkmalen zur Steigerung der Attraktivität für ausgewählte Zielgruppen wird demnach eine der zentralen Herausforderungen für den Fortbestand sein. Ein gezieltes, systematisches Vorgehen setzt dabei eine fundierte Datenbasis im Benchmarking voraus, und zwar wie die eigene Versicherung von den Kunden wahrgenommen und im Wettbewerbsvergleich eingeschätzt wird.

Trotz der erheblichen gesetzlichen Reglementierungen im Leistungsbereich nehmen die Versicherten heute die Krankenkassen und -versicherungen bereits differenzierter wahr. Das erklärt einerseits, dass nach einer Welle des Kassen-Hoppings nach der Marktöffnung die meisten Versicherten glauben, „ihre Kasse“ gefunden zu haben, die ihren individuellen Bedürfnissen am besten entspricht. Damit wird die aktuell zu verzeichnende hohe Bindung der Versicherten nahezu über alle Kassen nachvollziehbar und der Markt hat sich wieder stabilisiert. Zugleich ist dadurch allerdings auch das Potenzial für das Gewinnen von Neukunden auf den geringen Anteil der unzufriedenen Versicherten anderer Kassen und der zeitlich neu hinzugekommenen Versicherten begrenzt.

Die Bindung der Versicherten an die Kasse wird dadurch
noch mehr als bisher zur existenziellen Herausforderung. Bei dem sehr hohen Niveau an realisierter Kundenzufriedenheit über alle Kassen hinweg wird jede operative Schwäche in der Interaktion mit Kunden über kurz oder lang zum Risiko.



Die Autoren:

Prof. Dr. Armin Töpfer ist Leiter des Lehrstuhls für Marktorientierte Unternehmensführung an der TU Dresden und der Forschungsgruppe Management + Marketing in Kassel (töpfer@m-plus-m.de).

Frank Opitz ist Berater in der Marktforschungs-Unit bei der M+M Management + Marketing Consulting GmbH (opitz@m-plus-m.de).


Folgende Studien können über www.m-plus-m.de bzw. 0561 / 70 97 9-0 angefordert werden:

1. Versichertenbefragung 2005:
Wie zufrieden sind die Versicherungskunden mit deutschen Krankenversicherungen?

2. HRM-Befragung 2004:
Mitarbeiterbefragungen – modern, aber nicht konsequent genutzt –




M+M – Das Unternehmen:

Die M+M Management + Marketing Consulting GmbH wurde 1996 gegründet. Sie ist die Tochter der seit 1984 von Prof. Dr. Armin Töpfer geführten Forschungsgruppe Management + Marketing. M+M berät namhafte Unternehmen auf nationaler und internationaler Ebene.

M+M verbindet in seinem ganzheitlichen Beratungsansatz Marktforschungs- und Managementkonzepte mit dem Ziel, Business Excellence umzusetzen, den Unternehmenserfolg zu steigern und den Unternehmenswert zu erhöhen.

Aktuelle Neuigkeiten und kostenlose Downloads zum Thema Versichertenbefragungen, Kundenzufriedenheitsanalysen sowie zum gesamten Leistungsspektrum von M+M (Management der Kundenbindung, Mitarbeiterbefragungen, Patientenbefragungen, Vorgesetztenbewertungen, Balanced Scorecard (BSC), Six Sigma, Werttreiber-Management, Prozessoptimierung etc.) finden Sie auf unserer Homepage www.m-plus-m.de oder www.six-sigma-akademie.de.