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Servicekultur als Prozess begreifen

Service ist das Zauberwort des Erfolgs. Aufbau einer Servicekultur muss jedoch Schritt für Schritt geschehen – und er bedarf der ständigen Pflege.
Sabine Hübner | 07.10.2008
Den Begriff Servicekultur führen heute viele Unternehmen im Munde, doch für einige ist er nicht mehr als ein Schlagwort. Während manche Änderungen sich ziemlich schnell umsetzen lassen, gilt das für den Bereich Service nicht. Statt nur einen Schalter umzulegen, muss der Aufbau einer Servicekultur Schritt für Schritt geschehen – und er bedarf der ständigen Pflege. Ebenso wichtig wie die zeitliche Dimension ist die Erfassung aller Unternehmensebenen. So verfestigt sich eine neue Servicementalität nur dann, wenn von der Empfangssekretärin bis zum Geschäftsführer alle mit Elan und innerer Überzeugung bei der Sache sind.

In der Praxis funktioniert die Etablierung einer Servicekultur nur mit Systematik, nicht aber mit spontan ausgewählten Maßnahmen. Einen Kunden ab und zu mit einer netten Geste zu erfreuen, ist zu wenig. Es geht vielmehr um einen geplanten exzellenten Service, der unabhängig von der Laune des jeweiligen Mitarbeiters ist. Selbstverständlich kann und sollte der Kunde positiv überrascht werden, während alle Mitarbeiter des Unternehmens immer genau wissen müssen, was ihr Beitrag in punkto Service ist.
Verständlicherweise reichen allgemeine Aufforderungen der Art „Wir sind immer freundlich zu unseren Kunden“, beispielsweise niedergelegt in einem entsprechenden Handbuch, nicht aus. Nötig sind stattdessen konkrete, detaillierte und vor allem auf das jeweilige Unternehmen zugeschnittene Spielregeln und Abläufe.

Konkrete Leitlinien definieren
Als erster Schritt empfiehlt sich die Bildung von Mitarbeiter-Teams, deren Größe von der des Unternehmens abhängig ist. Diese Teams identifizieren Handlungsfelder zur Verbesserung der Servicequalität. Die Aufgaben, die sich daraus ergeben, werden wiederum von „Umsetzungsteams“ realisiert. In einem mittelständischen Unternehmen könnte sich ein Team um die kundenfreundlichere Gestaltung von Kundeninformationen kümmern und ein anderes um die zielgruppengerechte Ansprache bei der Verteilung von Broschüren. Im produzierenden Betrieb wären mögliche Themen die Behandlung von Reklamationen oder die einladendere Gestaltung des Betriebsgebäudes.
In jedem Fall gilt es, auf eine gute Durchmischung der Teams zu achten, also in jeder Gruppe Mitarbeiter aus allen Hierarchieebenen und den verschiedenen Bereichen zu versammeln. Bei den ersten Treffen dieser Teams steht in der Regel die Analyse der aktuellen Situation auf der Tagesordnung. Wie wird Serviceorientierung momentan definiert und gelebt? Was genau tun wir und geht dies über eine nicht näher erläuterte Freundlichkeit im Kundenkontakt hinaus? Wo gibt es „Schmerzpunkte“ wie Wartezeizten, schlechte Erreichbarkeit, mangelnde Transparenz für den Kunden?
Sind Fragen wie diese beantwortet und ist die erste Bestandsaufnahme abgeschlossen, richtet sich der Blick in die Zukunft. Die Leitlinien der Servicekultur müssen entwickelt und exakt definiert werden, wobei die Orientierung an der Praxis Vorrang hat. Anstelle wohl klingender Phrasen sind für jeden Mitarbeiter verständliche und sofort im Alltag umsetzbare Formulierungen gefragt. Zudem sorgt allein eine Ausrichtung an der eigenen Branche, den eigenen Leistungen und den eigenen Zielgruppen für Differenzierung von den Wettbewerbern. Und die wiederum ist das A und O, will ein Unternehmen Service-Marktführer werden.

Verantwortliche in den Teams benennen
Die Entscheidung über Erfolg oder Misserfolg beim Aufbau der Servicekultur fällt im dritten Schritt, der Übertragung der schriftlich fixierten Leitlinien und Maßnahmen in die Praxis. Beschleunigt wird dieser Prozess, wenn in jedem Team ein Mitglied die Projektverantwortung für die Umsetzung eines der definierten Standards übernimmt. So wird vermieden, dass jeder auf den anderen wartet und niemand bei sich selbst mit den notwendigen Änderungen beginnt. Als sinnvoll haben sich regelmäßige Mikro-Workshops erwiesen, in denen die Theorie mit Leben erfüllt wird und in denen Mitarbeiter aus den unterschiedlichsten Bereichen mit ihren Ideen neue Impulse geben können.
Hintergrund: Nur wer die Servicekultur selbst mit geschaffen hat, der wird sich hundertprozentig mit ihr identifizieren und sie mit Leidenschaft in Taten umsetzen. Servicekultur steht und fällt aber vor allem mit der Vorbildfunktion der Führungskräfte bis hin zum Geschäftsführer. Akzeptiert werden letztlich nur Grundsätze, welche auch die Vorgesetzten konsequent mittragen, ja vorleben.

Nachhaltigen Prozess sichern
Ist die Umsetzung der Service-Philosophie in die Wege geleitet, muss die Nachhaltigkeit gesichert werden. Das erfordert eine Systematisierung der Erfolgskontrolle, die allein garantiert, dass aus dem Projekt Servicekultur eine permanent wirksame Grundhaltung wird. Service jenseits des Mittelmaßes ist kein Selbstläufer, sondern braucht den ständigen Input, permanente Weiterentwicklung und das wiederholte Training. Sehr förderlich sind tägliche – oder in kleineren Betrieben wöchentliche – Besprechungen sowie Protokolle jedes Mitarbeiters, in denen dieser beobachtete Abweichungen von den Leitlinien festhält. Das dient nicht etwa der Überwachung des Einzelnen, sondern der kritischen Überprüfung der gemeinsam beschlossenen Regeln und Standards. Noch mehr Struktur bringen für jeweils ein Jahr im Voraus ausgewählte Themen des Monats, die für jeweils vier Wochen im Fokus stehen sollen.
Unabdingbar sind schließlich die Messung und Dokumentation der Ergebnisse. Direkte Befragungen oder Indizien – wie die Entwicklung der Zahl der Empfehlungen – lassen auf den Grad der Zufriedenheit der Kunden schließen. Im Idealfall sollte deren Begeisterung eindeutig mit fortschreitender Vertiefung der Servicekultur korrelieren. Doch auch bei Spitzenwerten darf der Prozess niemals gestoppt werden, bedeutet doch Stillstand auch beim Service stets Rückschritt.