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Mindestlohn nützt der Gesamtwirtschaft

Höherer Konsum, stärkeres Wachstum, mehr Staatseinnahmen.
© Pixabay / moritz320
 
Der Mindestlohn nützt nicht nur Geringverdienern, sondern auch der Gesamtwirtschaft: Er stärkt den Konsum und sorgt so für stabiles Wachstum, von dem auch die Staatskasse profitiert. Das wird in Zukunft so bleiben, vor allem, wenn der Staat die zusätzlichen Einnahmen auch zeitnah wieder ausgibt. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Untersuchung des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.

Die Erfahrungen mit der gesetzlichen Lohnuntergrenze sind nach rund dreieinhalb Jahren gut: Löhne im Niedriglohnsektor sind deutlich gestiegen, vor der Einführung verbreitete Warnungen, der Mindestlohn werde massenhaft Beschäftigung kosten, haben sich nicht bewahrheitet. Wie sind die Aussichten für die Zukunft? Das untersucht ein Report, den Dr. Alexander Herzog-Stein, Patrick Nüß, Dr. Ulrike Stein und Dr. Rudolf Zwiener vom IMK gemeinsam mit Prof. Dr. Camille Logeay von der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Technik erstellt haben. Er basiert auf einer breiter angelegten Studie, die das IMK und das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung im Auftrag der Mindestlohnkommission erstellt haben. Die Ökonomen haben für einen Zeitraum von zehn Jahren Szenarien mit und ohne Mindestlohn durchgerechnet und verglichen. So lässt sich noch genauer abschätzen, was der Mindestlohn bislang bewirkt hat – und welche weiteren langfristigen gesamtwirtschaftlichen Effekte zu erwarten sind.

Der Analyse zufolge ist die Lohnuntergrenze ein Wachstumsverstärker. Das Bruttoinlandsprodukt fällt in dem Szenario mit Mindestlohn durchgehend 0,25 Prozent höher aus. Der Grund: Nicht nur die Löhne der unmittelbar betroffenen Beschäftigten steigen deutlich – im Schnitt um 18 Prozent. Es gibt auch „Spillover-Effekte“ auf die angrenzenden Gehaltsgruppen. Die gesamtwirtschaftliche Lohnsumme erhöht sich dadurch nach zwei Jahren um gut ein Prozent, nach zehn Jahren um zwei Prozent. Da die Konsumquote im unteren Bereich der Lohnverteilung, wo die Steigerungen anfallen, vergleichsweise hoch ist, legt der private Verbrauch um 0,5 bis 0,7 Prozent zu – was sich in einer höheren Wirtschaftsleistung niederschlägt.

Die Wachstumseffekte fallen auch deshalb so positiv aus, weil die Beschäftigung weitestgehend stabil bleibt. Der Studie zufolge dürften zwar Minijobs weggefallen sein. Sie wurden aber zu einem erheblichen Teil umgewandelt in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, sodass sich am Arbeitsvolumen insgesamt nichts änderte. Leichte Änderungen gibt es dagegen beim Preisniveau, das anfänglich 0,2 Prozent, nach zehn Jahren 0,5 Prozent höher liegt. Angesichts der immer noch bestehenden Unterschreitung der Zielinflationsrate der EZB sei dieser Effekt aber zu begrüßen, so die Forscher. Auch der Fiskus profitiert: Die steigenden Steuereinnahmen lassen die Defizitquote sinken.

In einem weiteren Szenario haben die Wissenschaftler zusätzlich untersucht, was passiert, wenn der Staat die entstehenden Mehreinnahmen für höhere Ausgaben nutzt, wie es in der Realität seit 2015 der Fall war. Wächst der Staatsverbrauch so um ein Prozent zusätzlich, fällt der Wachstumseffekt sogar doppelt so hoch aus. Auch die Beschäftigung liegt dann merklich über dem Szenario ohne Mindestlohn.

Laut Studie war der gesetzliche Mindestlohn notwendig zur Absicherung einer „makroökonomisch orientierten Lohnpolitik“. Eine solche Lohnpolitik schöpft den Verteilungsspielraum aus, der sich aus dem trendmäßigen Produktivitätswachstum und der Zielinflationsrate ergibt. Dass entsprechende Lohnsteigerungen lange nicht erreicht wurden, dürfte nach Einschätzung der Ökonomen mit dem Rückgang der Tarifbindung und der Arbeitsmarktpolitik im letzten Jahrzehnt in Deutschland zusammenhängen. Der Mindestlohn verhindert jetzt aber ein Ausfransen der Lohnverteilung nach unten und stabilisiert so das Tarifsystem. Wenn es auf dieser Basis gelingen sollte, eine makroökonomisch orientierte Lohnpolitik durchzusetzen, steigt der private Konsum innerhalb von 10 Jahren um zusätzlich 4,8 Prozent. Die Lohnquote würde gegenüber der Entwicklung in der Vergangenheit steigen, das Staatsdefizit weiter sinken.

Das Fazit der Wissenschaftler: Der Mindestlohn sei ein Gewinn für die Volkswirtschaft. Vorteilhafte Auswirkungen seien bereits jetzt nachweisbar: „Er hat mit dazu beigetragen, dass Deutschland auf einen stabileren Wachstumskurs eingeschwenkt ist, der nicht nur auf Exporterfolgen, sondern auch auf einem stabilen Wachstum der Binnennachfrage beruht.“