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Boston Consulting: Ausbau von E-Government und E-Health steigert Produktivität

Gemeinsame Studie von BCG, Deutscher Telekom und Siemens zeigt deutliche Wachstumschancen auf – ICT-Nutzung in Deutschland nur im Mittelfeld
marketing-BÖRSE | 15.12.2005

Durch den konsequenten Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) in Staat und Wirtschaft könnten in Deutschland bis zum Jahr 2008 rund 75 Mrd. Euro zusätzliche Wirtschaftsleistung erbracht werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die The Boston Consulting Group (BCG), Deutsche Telekom und Siemens Communications (Com) heute in Berlin vorstell­ten. Realisieren ließe sich dieses Ziel auf Basis eines „ICT-Masterplans“, der eine E-Strategie und Umsetzungsmaßnahmen für die Nutzung von Wachstumschancen im ICT-Sektor vorgibt.

Die ICT-Branche, die in Deutschland eine jährliche Wirtschaftsleistung von mehr als 130 Mrd. Euro generiert, gehört zu den bedeutendsten Industriezweigen und könnte als Innovationstreiber die technologische Erneuerung in den Anwendungsbranchen beschleunigen. Um die Poten­ziale für den Standort Deutschland konsequent zu nutzen, schlagen die Verfasser der Studie vor, auf Bundesebene einen nationalen Chief Information Officer (CIO) zu etablieren, der die Verwirklichung des ICT-Masterplans zwischen Politik, Wirtschaft und Bürgern koordiniert. Zu den zentralen Forderungen des Maßnahmenpakets zählen beispiels­weise ein verstärkter Einsatz von E-Government und E-Health im öffent­lichen Sektor, aber auch Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen oder Innovationsförderung.

Wichtige Rolle der Zuliefer- und Anwenderindustrien

In ihrer gemeinsamen Studie mit dem Titel „Wirtschaftliche und politische Chancen der Informationsgesellschaft“ zeigen die Autoren nicht nur auf, wie die deutsche ICT-Branche im internationalen Wettbewerb positioniert ist, sondern auch, in welchen Bereichen Politik und Wirtschaft ansetzen müssen, um das gesamte ICT-Potenzial auszu­schöpfen und in Wirtschaftswachstum für Deutschland umzusetzen.

Dr. Dieter Heuskel, Senior Vice President der Boston Consulting Group, ist zuversichtlich: „Der ICT-Sektor in Deutschland hat das Potenzial, ähnlich wie die Automobilindustrie eine Vorreiterrolle für Qualitäts­standards, technischen Fortschritt und internationale Wettbewerbsstärke zu übernehmen. Wenn die weltweit agierenden deutschen Konzerne dabei eine Art ‚Leuchtturm‘-Funktion einnehmen sollen, ist dies nur mit wettbewerbsfähigen und hochwertigen Anwendungs- und Zuliefer­industrien möglich.“

Staat, Unternehmen und Bürger gleichermaßen gefordert

Christopher Schläffer, Corporate Development Officer der Deutschen Telekom AG, legt den Akzent auf die gemeinsame Anstrengung aller Beteiligten: „Alle gesellschaftlichen Akteure sind gefragt, aktiv an der Gestaltung der Informationsgesellschaft mitzuwirken: die Anbieter, die ihre internationale Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit durch attrak­tive Produkte und Services unter Beweis stellen müssen, der Staat, der klare Rahmenbedingungen für die Investitionstätigkeit der ICT-Unter­nehmen schaffen muss, und die Nutzer, die sich kontinuierlich einer Lernherausforderung stellen müssen, um mit der technologischen Entwicklung Schritt zu halten.“

Dr. Thomas Ganswindt, Mitglied im Zentralvorstand der Siemens AG und Vorsitzender des Bereichsvorstands von Siemens Communications, warnt vor den Folgen, die das Verpassen dieser Chance hätte: „Deutsch­land kann bis 2008 zur führenden ICT-Nation aufsteigen, wenn Politik, Unternehmen und Bürger gemeinsam an der Umsetzung eines Master­plans arbeiten. Oder umgekehrt gesagt: Wenn wir nicht schnell aktiv werden, bleibt die Bundesrepublik innerhalb der ersten Liga der IT-Staaten weiter im Mittelfeld und wird sich sogar mit dem drohenden Abstieg beschäftigen müssen. Die Konsequenzen für Wirtschaftswachs­tum und Beschäftigung wären dramatisch.“

ICT-Branche leistet größten Beitrag zur Bruttowertschöpfung

Mit einem Anteil an der Bruttowertschöpfung von sechs Prozent ist der ICT-Sektor national der bedeutendste Industriezweig und rangiert deut­lich vor der Maschinenbau-, Automobil- oder Baubranche. Zudem trägt der ICT-Sektor bereits heute mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten gut ein Drittel zur Produktivitätssteigerung in Deutschland bei.

Dennoch liegt die deutsche ICT-Industrie im internationalen Vergleich nur im Mittelfeld und erzielte in den vergangenen Jahren deutlich geringere Produktivitätszuwächse als etwa in Großbritannien, Schweden oder den USA. So konnte Deutschland von 1995 bis 2002 nur die Hälfte des amerikanischen Produktivitätswachstums aus ICT generieren. Nach den Ergebnissen der Studie bleibt Deutschland damit deutlich hinter seinen Möglichkeiten zurück.

Internationale Beispiele verdeutlichen dies: So konnte Südkorea den ICT-Beitrag seiner Volkswirtschaft durch den massiven Ausbau der Breitbandinfrastruktur und das Angebot innovativer Breitbandanwendun­gen auf 15 Prozent steigern. Österreich hat mit der Einführung der digitalen Signatur den Weg zum führenden E-Government-Anwender in Europa eingeschlagen. Großbritannien hat bereits 2003 ein umfassendes Programm zur Effizienzsteigerung des öffentlichen Sektors durch ICT-Nutzung begonnen und will damit bis 2006/07 insgesamt 30 Mrd. Euro an Einsparungen realisieren. Und auch Australien hat ICT bereits erfolg­reich im öffentlichen Dienst eingeführt: Das Modell der Centrelink-Verwaltung bietet ein Internetportal mit rund 140 Verwaltungsdiensten und bündelt das bisher von 32 Einzelbehörden wahrgenommene Ange­bot.

Nachholbedarf bei E-Government und E-Health

Vor allem beim Einsatz von E-Government und E-Health in Deutschland konstatiert die Studie erheblichen Nachholbedarf. Sowohl die ICT-Ausgaben der öffentlichen Hand (0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) als auch das Angebot an Online-Verwaltungsdienstleistungen sind hierzulande deutlich geringer entwickelt als in Vergleichsländern. Allein im öffentlichen Dienst birgt nach Meinung der Autoren ein verstärkter ICT-Einsatz durch verbesserte Abläufe und Organisationsformen Einsparpotenziale von 27 Mrd. Euro jährlich. Bürger und Unternehmen könnten darüber hinaus durch eine effizientere Interaktion mit öffent­lichen Stellen um rund 10 Mrd. Euro pro Jahr entlastet werden.

In ihrem Masterplan für mehr Wachstum durch ICT geben die Autoren der Studie acht Handlungsempfehlungen. Damit wollen sie den Weg weisen, wie bis zum Jahr 2008 ambitionierte Wachstumsziele erreicht werden können:

1.
Verstärkter Einsatz von E-Government und E-Health zur Realisierung von Produktivitätssteigerungen im öffentlichen Sektor
2.
Stärkung der Rechts- und Investitionssicherheit als Rahmen für die Schaffung einer international führenden Infrastruktur und eines wirksamen Innovationswettbewerbs
3.
Integration der ICT-Bildung in die schulischen und beruflichen Aus- und Weiterbildungspläne („Vernetzte Lehre“, E-Learning)
4.
Ausbildung von 5.000 zusätzlichen Hochschulabsolventen für die ICT-Branche
5.
Förderung der ICT-Kompetenz und -Breitennutzung in Unter­nehmen und der öffentlichen Verwaltung
6.
Stärkung der ICT-Nutzung im Mittelstand durch die Entwick­lung und Kommunikation innovativer ICT-Konzepte
7.
Aufbau von Gründungszentren und Innovationsclustern zur Förderung der Innovationsaktivitäten, Nutzung von Spillover-Effekten und Verbesserung des Wissenstransfers
8.
Intensivierung von F&E-Kooperationen und verbesserte Alloka­tion der Forschungsaktivitäten auf wirtschaftliche Akteure und öffentliche Institutionen

Um die Umsetzung des Masterplans zu koordinieren und voranzutreiben, schlägt die Studie dem Bund vor, die Funktion eines Chief Information Officer (CIO) zu schaffen. Im Informationszeitalter sei diese Funktion in größeren Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Deshalb wäre die Funktion eines CIO, der eine zukunftsweisende ICT-Strategie ressort­übergreifend definiert und umsetzt und zugleich die Verbreitung von E-Government im öffentlichen Sektor vorantreibt, auch für das „Großunter­nehmen Bundesrepublik Deutschland“ unbedingt sinnvoll.