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Buchmesse Frankfurt: Elektronisches Publizieren ist weiter auf dem Vormarsch

Die Zeit des Geldverlierens ist vorbei. Hemmend sind nur noch fehlende Geschäftsmodelle
Messe Frankfurt GmbH | 05.10.2006

Elektronisches Publizieren ist weiter auf dem Vormarsch - und steckt dennoch in einer Warteschleife. Was die Entwicklung derzeit hemme, seien unter anderen fehlende Geschäftsmodelle, erklärten Experten heute während der Buchmesse.

Der Arbeitskreis für Elektronisches Publizieren (AKEP) des Börsenvereins veröffentlichte sein Branchenbarometer. Die Stimmung in den Verlagen sei gut, aber verhalten, sagte Dr. Tilmann Michaletz, Mitglied im AKEP-Sprecherkreis.

"Die Verlage beherrschen die Erstellung und den Vertrieb elektronischer Publikationen", so Michaeltz, allerdings würden noch geeignete Geschäftsmodelle fehlen. Auch bei den Bezahlsystemen sehen die Verlage laut Umfrage noch Nachholbedarf. Nach Ansicht der meisten Verlage werden die elektronischen Medien erst dann ihren Durchbruch erleben, wenn sich branchenweit einheitliche Standards etabliert haben.

Laut Branchenbarometer ist die Zeit des Geldverlierens vorbei. Die Kosten-Erlös-Situation sei weitgehend stabil – der Umsatzanteil der elektronischen Medien liegt bei rund fünf Prozent. Das könnte sich aber schon bald ändern: Die befragten Verlage gehen davon aus, dass der Umsatzanteil der elektronischen Medien in den nächsten fünf Jahren auf bis zu 15 Prozent wächst. Einer der wesentlichsten Trends, die das Branchenbarometer zu Tage foerderte.


"Die Zeiten, in denen Inhalte kostenlos im Internet angeboten werden, sind nicht vorbei", so Michaeletz. Nach wie vor sei es für Verlage schwierig, mit ihren Produkten und Services Erlöse zu erzielen – aufgrund fehlender großflächig einsetzbarer Geschäftsmodelle und technisch kundenfreundlichen und sicheren Bezahlsystemen. "Deshalb tritt der Marketingaspekt jetzt wieder stärker hervor."

Neue Tendenzen zeigen sich laut Michaletz auch beim Vertrieb: Hier würden Kooperationen eine immer wichtigere Rolle spielen. "Der Vertrieb von Produkten über das Internet wird in naher Zukunft nicht nur über die eigene Homepage, sondern auch über unabhängige Download-Portale bzw. durch Kooperationspartner erfolgen."

AKEP-Sprecher Arnoud de Kemp fasste die aktuelle Entwicklung so zusammen: "Wir leben in einer Downloadgesellschaft. Elektronisches Publizieren wird zunehmend ein wichtiges Thema, es fehlen jedoch die notwendigen Standards oder sie werden nicht erkannt und deshalb nicht ausreichend genutzt."

Ein Grundproblem sei: Überall werde elektronisch publiziert, doch jeder verstehe darunter etwas anderes. "Ein digitales Dokument wird zur Publikation, wenn es nachweisbar, zitierbar und bestellbar ist", betonte de Kemp.

Ein erster Schritt könne in diesem Zusammenhang eine DOI-Registrierung sein, die derzeit noch zu wenig genützt würde. Als Wendepunkt sieht de Kemp bei diesem Thema das Jahr 2007. Dann werde das Verzeichnis Lieferbarer Bücher (VLB) neben ISBNs auch DOIs anbieten.

Der Digitalisierungsprozess spiegelt sich auf der Frankfurter Buchmesse wie nirgendwo sonst. In diesem Jahr sind rund 30 Prozent der ausgestellten Produkte digital – zu finden etwa in Halle 4.2 auf dem Digital Market Place der Messe. Hier präsentieren der AKEP und die Frankfurter Buchmesse Software- und Multimediahäuser, elektronisch publizierende Verlage, Online-Dienste, CD-ROM und DVD-Anbieter und Beratungsfirmen.

Spezialisten können sich in Frankfurt also umfassend über neue Trends informieren – und das nicht nur an zahlreichen Ständen und in Diskussionsforen, sondern auch auf der erstmals parallel stattfindenden DGI-Online-Tagung im Congress Center des Messegeländes. Bei der Tagung dreht sich ebenfalls alles um Inhalte – wie sie sinnvoll erstellt, miteinander vernetzt und verfügbar gemacht werden können.

Die Informationsprofis der Deutschen Gesellschaft für Informationswissenschaft und Informationspraxis (DGI) diskutieren noch bis zum 6. Oktober über aktuelle Themen und Trends, etwa über Paid-Content, neue Publikationsformate für das Internet und das Semantic Web.

Den Festvortrag anlässlich der Eröffnung hielt heute Wolfgang Clement, Ex-Wirtschaftsminister, jetzt unter anderen Beirat beim Fachverlag Wolters Kluwer Deutschland und Aufsichtsrat von M. DuMont Schauberg. Clement widmete sich vor allem den aktuellen Entwicklungen in der Zeitungsbranche und in den Fachverlagen.

Clement sieht in der Digitalisierung eine der großen Chancen für die Zukunft. "Es gibt keine Branche mehr, die ohne die digitalen Technologien auskommt." Print und Web würden mehr und mehr gleichberechtigt nebeneinander treten, allerdings sei die Frage noch nicht entschieden, welches Geschäftsmodell sich als erfolgreich erweist.

Insgesamt beobachte er eine gewisse Zurückhaltung, auf Seiten der Fachverlage ebenso wie auf Seiten der Kunden. "Wir sind spät dran", mahnte Clement. "Wie wir mit Information und Wissen umgehen, entscheidet mehr und mehr über das Wohl und Wehe unseres Landes." Applaus bekam er auch für seinen Schlussappell: Deutschland bräuchte mehr "Offenheit für Kreativität, Innovation und neue Ideen", sagte Clement. Es gehe darum, mutig voranzuschreiten.