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Mittendrin statt nur dabei

Früher war alles besser. Der Winter dauert weniger als sechs Monate, wo Rindfleisch drauf stand, war es in der Regel auch drin, Marketing konnte irgendwie jeder und Personalmarketing lief nebenher. Schön war's. Vorbei!
Ralph Strobel | 18.06.2013
Das waren noch Zeiten. Autos hat man nicht verkauft, sondern verteilt. Ein Telefonanschluss kostete einen Urlaubstag. Leserbriefe waren das renitente Instrument mitteilsamer Mitbürger. Meinungen, Bewertungen, Dialog mit dem Kunden - ziemlich weit weg. Man war zufrieden.

Auch bei Stellenbesetzungen konnte man aus dem Vollen schöpfen. Man schaltete eine Stellenanzeige in der Zeitung, Menschen lasen das und bewarben sich. Man lud ein, wählte aus und stellte ein. Manchmal wurde auch eine Zwischenmeldung oder eine Absage geschickt, häufig auch nicht. Die ganz Cleveren nutzten die Stellenanzeige monatelang als günstige Werbeanzeige. Das war "Personalmarketing". In einem Verkäufermarkt. Aber irgendwie ist jetzt vieles anders.

Organisationen mit hohem Vertriebsanteil beklagen einen immensen Bewerbungsrückgang - in Dimensionen, die das bisherige Geschäftsmodell massiv gefährden werden. Regionale Unternehmen in zahlreichen Branchen verzeichnen wenig Interesse an ihren Ausbildungsplätzen. Mittelständler bekommen keine Ingenieure oder ITler mehr und sorgen sich um Ihre Innovationskraft. Das Thema Standort bekommt eine ganz neue Bedeutung. Es scheint sich einiges zusammenzufügen, was wohl zusammengehört: Markt, Kunde, Mitarbeiter, Wettbewerb.

Und heute mittendrin viele Unternehmen, welche Marketing als untergeordnete Funktion irgendwo im Unternehmen versteckt oder auf viele verschiedene Schultern vom Vertrieb über den Service bis zu Human Resources verteilt haben. Und allein das Zusammenspiel von Marketing und Vertrieb füllt schon ganze Seminarordner. Marketing macht irgendwie jeder. Unabgestimmt, ohne Zieldefinition und Erfolgsmessung, ohne die richtigen Methoden und ohne Transparenz nach innen.

Vielleicht ist jetzt die Zeit, sich ernsthaft über die Rolle des Marketings in einer Organisation Gedanken zu machen. Und zwar dann, wenn es mehr ist als die Bestellung von Gummibärchen für die Messe oder die hippe Location für das Kundenevent. Nämlich die ernsthafte Ausrichtung eines Unternehmens am Markt. Und der ist heute schlichtweg nicht mehr so einfach einzugrenzen. Ein Kunde von heute ist vielleicht Mitarbeiter von morgen. Neue Geschäftsmodelle, Anbieter, Kanäle, Instrumente etc. Man verliert leicht den Überblick. Und um z. B. Social Media für ein Unternehmen richtig nutzen zu können, muss man es in allen Facetten begreifen und die Prozesse danach ausrichten. Überall.

Marketing muss ein echtes Competence Center sein, mit breitem und umfänglichen Fachwissen, die Anlaufstelle schlechthin für alle Abteilungen, wenn es um Zahlen, Daten, Fakten und Trends sowie die daraus konsequent abzuleitenden Strategien, Konzepte und Instrumente geht - egal für welche Zielgruppe oder Stakeholder, schlicht übergreifend. Social Media Recruiting oder Content Marketing sind hier nur zwei Stichworte, Marken-, Produkt- und HR-Kommunikation ein paar weitere.

Und dann ist da noch die hierarchische Stellung. Der Bedeutung für die Zukunft eines Unternehmens angemessen ist selbstverständlich ein Platz in der Geschäftsleitung, hier fügt sich alles zusammen. Modernes Marketing kann Effektivität und Effizienz nachweisen, das muss man zwangsläufig nicht nur Controllern überlassen. Marketing ist nicht alles. Aber ohne das richtige Marketing wird es in Zukunft für manches Unternehmen in der Tat sehr, sehr schwierig.