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Konflikte als Chance

Wie Führungskräfte Signale erkennen und eine Lösung begleiten
Stefan Häseli | 08.10.2014
Konflikte sind alltäglich. Es gibt sie überall, wo selbstständige Menschen zusammen leben und arbeiten. Werden Konflikte kooperativ gelöst, bieten sie große Chancen für eine positive menschliche Entwicklung und sind wertvolle Quelle betrieblicher Fortschritte. Werden sie allerdings nicht erkannt oder sogar falsch gehandhabt, entstehen Konflikte immer wieder von Neuem und können in einem Team verheerende Schäden anrichten. Führungskräfte sollten deshalb in der Lage sein, Signale rechtzeitig zu erkennen und eine wertschöpfende Lösung für alle Beteiligten zu begleiten.

Wann sprechen wir überhaupt von einem „Konflikt“? Ist er „nur“ ein akutes Problem zwischen zwei Menschen, das plötzlich auftaucht? Eine immer wieder offensichtliche Spannung? Oder eher eine unterschwellige Angelegenheit, die die Betroffenen selbst klären müssen? Nähern wir uns dem Thema Konflikte mit einer ersten Definition: „Soziale Konflikte sind Spannungs-Situationen, in denen zwei oder mehr Parteien, die voneinander abhängig sind, mit Nachdruck versuchen, scheinbar oder tatsächlich unvereinbare Handlungspläne zu verwirklichen und sich dabei ihrer Gegnerschaft bewusst sind.“ (Rüttinger und Sauer 2000, S. 7) Wenn zwei oder mehrere Elemente gleichzeitig gegensätzlich oder unvereinbar sind, liegt also ein Konflikt vor.

Unterschiedlicher Verlauf
Konflikte können offen oder verdeckt sein. Um die Ursache eines offenen Konfliktes zu finden, ist es empfehlenswert, eine dritte unabhängige Person hinzuzuziehen. Schwieriger sind verdeckte Konflikte. Diese keimen zunächst langsam vor sich hin und sind, werden sie plötzlich zu einem offenen Konflikt, nur schwer unter Kontrolle zu bringen. Konflikte können sehr unterschiedlich verlaufen: Sind die Parteien – gerade zu Beginn – oftmals übermotiviert und bereit zur direkten Konfrontation, fühlen sich überlegen und wollen die andere Seite unbedingt überzeugen, ist der Konflikt hochgradig personalisiert. Hier ist es sinnvoll, zunächst die persönlichen Beziehungen zu klären. Erst wesentlich später sind die Parteien bereit, auf organisatorische Aspekte und Rahmenbedingungen einzugehen. Im weiteren Verlauf des Konfliktes sind die Parteien oft eher voneinander enttäuscht und glauben nicht mehr an eine Lösung, sie gehen einer direkten Konfrontation aus dem Weg und beziehen sich auf den „Dienstweg“. Dann ist es wichtig, den Hang zur Isolierung und den gewohnten Rückzug zu unterbinden sowie die Parteien dazu zu befähigen, den Konflikt miteinander auszutragen. Gelingt es Führungskräften, die Parteien dazu zu bringen, die Verantwortung für die Folgen ihres (Nicht-) Handelns zu übernehmen, können diese vielleicht auch Phantasien entwickeln, wie es in nächster Zukunft weitergehen soll.

Was läuft bei Konflikten ab?
Konflikte können einen sehr unterschiedlichen Verlauf nehmen: Sie können lange oder kurz andauern, sie können sachlich oder aggressiv ausgetragen werden, sie können offen angesprochen oder indirekt angegangen werden. Trotz dieser Vielfalt lassen sich Vorgänge finden, die für das Verständnis aller Konflikte wichtig sind. Tritt ein Konflikt auf, so folgt er meist folgenden vier Phasen:

1. Konfliktentstehung
Sind die Meinungen, Interessen und Wünsche der einen Partei mit den Ansichten der anderen Partei nicht zu vereinbaren, gibt es einen „Zusammenstoß“. Jede Partei möchte ihre eigenen Ziele und Bedürfnisse durchsetzen. Konflikte sind umso wahrscheinlicher, je
• verschiedenartiger die fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen der Mitarbeitenden sind,
• je unklarer die Rollen, Funktionen und Kompetenzen für die Beteiligten sind und
• je weniger die Ziele präzisiert, bekannt und verstanden werden.

2. Konfliktwahrnehmung
Menschen nehmen Konflikte aus unterschiedlichen Perspektiven wahr. Eine sachlich richtige Beurteilung der Konfliktsituation ist dadurch oftmals schwierig. Woran lassen sich Konflikte erkennen? Einige von Führungskräften genannten typische Konfliktsignale sind
• schlechte Teamstimmung (Aggressiver Kommunikationsstil, verhärtete Diskussionen, Killerphrasen, Themen werden zerredet, fehlende Kompromissbereitschaft).
• sich zurückziehen (Weigerung, Aufgaben zu übernehmen und Verweis auf andere, Abwesenheit, Unaufmerksamkeit, Passivität, Vermeidung von Augenkontakt, Flucht in andere Arbeiten ausserhalb des Projektes).
• nicht eingehaltene Vereinbarungen (Unpünktlichkeit, Unzuverlässigkeit).

3. Konfliktanalyse
Wurde ein Konflikt wahrgenommen, ist eine gründliche Analyse erforderlich.
• Wer ist am Konflikt beteiligt?
• Um welchen Konflikt handelt es sich?
• Wie wichtig ist die Streitfrage?
Diese Einschätzungen nehmen einen grossen Einfluss auf das Verhalten der Beteiligten. Wichtig ist, wie differenziert die verschiedenen Handlungsweisen wahrgenommen werden und wie realistisch die Konfliktursache beurteilt wird. Führungskräfte sollten sich davor hüten, einen Konflikt nur vom eigenen Standpunkt aus zu betrachten. Ein Perspektivenwechsel ermöglicht Verständnis für die unterschiedlichen Situationen und Sichtweisen der Konfliktpartner.

4. Konfliktreaktion/Handhabung
Konflikte können auf drei Arten reguliert werden:
• Mithilfe von Macht (d. h. der mächtigere Konfliktpartner oder eine Drittpartei erzwingt eine Lösung; zu deren Durchsetzung stehen Machtmittel wie Gewalt, Geld, Beziehungen zur Verfügung).
• Mithilfe des Rechts (d. h. es wird entschieden, wer im Recht ist; diese Verfahrensweise setzt Rechtsmittel und Instanzen voraus).
• Unter Berücksichtigung von Interessen (d. h. die Konfliktpartner eruieren ihre tiefer liegenden Wünsche, Ansprüche, Bedürfnisse und erarbeiten einen Interessensausgleich).

Die beste Lösung des Konflikts ist der Konsens. Mit dieser Strategie wird der Kreislauf durchbrochen. Hier steht nicht die sachliche Einigung, sondern die konstruktive Konfliktbewältigung im Vordergrund. Sich widersprechende Meinungen werden diskutiert und zu einem besseren Ganzen zusammengeführt. Wer eigene Verhaltensweisen erkennt und zugleich die Verschiedenheit akzeptiert, hat eine wertvolle Basis im Umgang mit Konflikten und Konfliktgegnern. Aktives Zuhören und Ich-Botschaften erleichtern das Erkennen der unterschiedlichen Standpunkte und Bedürfnisse. Echte Konfliktlösungen kommen am ehesten zustande, wenn zwischen den Beteiligten kein Machtgefälle besteht. Konflikte werden durch Machtanwendung mehr unterdrückt als gelöst. Sie schwelen weiter und fordern zu immer neuer Machtausübung auf. Wer als Gewinner eines Konfliktes einen Verlierer zurücklässt, ist früher oder später selbst der Verlierer. Nur Gewinner sind produktive Leistungsträger. Das gemeinsame Suchen nach Lösungen, deren Beurteilung und gemeinsame Entscheidungen führen zu Konfliktlösungen, die von allen Seiten akzeptiert und mitgetragen werden.

* Stefan Häseli regt als ehemaliger Kabarettist und gefragter Infotainer täglich dazu an, wirkungsvolle Kommunikation mit Spaß zu erleben. Sein Anspruch ist es, als Moderator und Keynote-Speaker intelligent zu unterhalten. Als Coach und Trainer für Führungs-, Verkaufs- und Kommunikationsthemen begleitet er seit vielen Jahren Führungskräfte in größeren Organisationseinheiten. Durch seine Erfahrungen im Management und einer Theaterausbildung verknüpft er beide Bereiche auf eine sehr wirkungsvolle Art und Weise. www.atelier-ct.ch und www.stefanhaeseli.ch