print logo

Sind Sie agil genug für die digitale Zukunft?

Welche Rolle Agilität in Ihrer Organisationsstruktur spielt – eine Checkliste für die digitale Transformation.
Tim Neugebauer | 18.01.2017
© Tim Neugebauer
 

Die digitale Transformation erfordert Innovation und Agilität – zum Beispiel durch die Zusammenarbeit in funktionsübergreifenden Teams. Quelle: Robert Kneschke/fotolia.com


Die digitale Transformation bringt Unternehmen eine Vielfalt an neuen Möglichkeiten. Doch um diese überhaupt nutzen zu können und daraus Wettbewerbsvorteile zu generieren, braucht es eine neue und agile Unternehmensorganisation – inklusive neuer Denkmuster, Strategien und Handlungsweisen. Doch wie agil und damit gut gerüstet ist mein Unternehmen eigentlich für die digitale Zukunft? Welche Fragen sich Unternehmen diesbezüglich jetzt im Einzelnen stellen sollten, zeigt die folgende Checkliste.

1. Welche Innovationen erfordert die digitale Transformation?

Es sind nicht nur technologisch-induzierte Innovationen, die im Rahmen der digitalen Transformation auf Unternehmen zukommen. Vielmehr gilt es, die komplette Organisation neu aufzustellen, um in Zeiten der Digitalisierung überhaupt Schritt halten zu können. Das erfordert veränderte Prozesse für eine höhere Entscheidungsgeschwindigkeit, neue Strukturen im Sinne flexiblerer Formen der Zusammenarbeit und autonomer Entscheidungsfindung sowie generell digital-zentrierte Strategien. In der Summe gilt es, die Organisationsstruktur nach agilen Gesichtspunkten zu erneuern.

2. Welchen Stellenwert haben Innovationen in meinem Unternehmen und welche Reaktionen könnten kommen?

Um zu analysieren, welchen Stellenwert Innovationen im eigenen Unternehmen haben, ist es sinnvoll zu ergründen: Welche Innovationen haben wir in den letzten Jahren bereits herbeigeführt? Um welche Art von Innovationen handelte es sich dabei? Und wie haben unsere Mitarbeiter auf diese Innovationen reagiert? Waren sie offen gegenüber Veränderungen oder hatten sie eher eine ablehnende Haltung? Die Antworten auf diese Fragen geben eine Orientierung, wie agil und flexibel ein Unternehmen in der Vergangenheit im Hinblick auf Veränderungsprozesse war – und vermitteln daher auch eine Idee davon, welche Reaktionen in Zukunft kommen könnten.

3. Was verhindert eventuell Innovationen in meinem Unternehmen?

Das größte Hindernis für Innovationen im Unternehmen ist das Tagesgeschäft. Eine zündende Idee entsteht durchaus mal in der Kaffeepause, jedoch erfordert deren Umsetzung – also das Entwickeln von echten Innovationen – zeitliche, personelle, finanzielle und materielle Ressourcen. Weitere Hindernisse sind zum Beispiel starre Strukturen und Hierarchien sowie die fehlende Bereitschaft der Arbeitnehmer, Neues auszuprobieren. Das kann mit der Angst zusammenhängen, Fehler zu begehen. Daher ist eine gesunde Fehlerkultur im Unternehmen eine wichtige Voraussetzung für alle Arbeitnehmer. Aber auch dann ergeben sich oftmals Widerstände gegenüber Veränderungen, einfach weil neue Konzepte am Anfang tendenziell zu Unsicherheiten führen und somit im deutlichen Gegensatz zur sicheren Routine des Tagesgeschäfts stehen. Komplexe digitale Innovationsprozesse müssen erst erprobt werden und sich dabei bewähren.

4. Wie muss ich mein Unternehmen strukturieren, um Innovationen möglich zu machen? Und welche Rolle spielt dabei das operative Tagesgeschäft?

Wie oben bereits erwähnt, ist im operativen Tagesgeschäft nicht viel Zeit, um Innovationen voranzutreiben. Daher empfiehlt es sich, das Unternehmen im Sinne einer dualen Organisation in zwei Organisationsteile zu splitten: Neben dem operativen Tagesgeschäft – der sogenannten Performance Engine – gibt es dann einen weiteren Organisationsteil, der dann tatsächlich innovative Ideen entwickelt und voranbringt – die sogenannte Innovation Engine. Die operativ im Tagesgeschäft tätige Performance Engine zeichnet sich durch hohe Verlässlichkeit und einen Effizienzfokus aus, Innovationshandeln findet nur eingeschränkt im Sinne inkrementeller Optimierung des Status quo statt. Die Innovation Engine hingegen ist der Organisationsteil, in dem digitale Projekte mit großer Innovationshöhe und gegebenenfalls auch disruptivem Potential erprobt werden. Dieser Teil zeichnet sich durch verstärkte Systemoffenheit und hohe Fehlertoleranz aus und hat das Auffinden neuer digitaler Strategien und Geschäftsmodelle im Mittelpunkt. Er ist personell schlank aufgestellt und arbeitet nach agilen Grundsätzen. Damit ein Unternehmen langfristig zu einem digitalen Unternehmen wird, müssen beide Organisationsteile nebeneinander koexistieren und vom anderen „lernen“: Die Strukturen und Finanzmittel der Performance Engine sind notwendig, um die Aktivitäten in der Innovation Engine überhaupt zu ermöglichen. Umgekehrt ist die Innovation Engine dafür da, durch Innovationen neue Alleinstellungsmerkmale zu generieren und so das operative Tagesgeschäft nach und nach für die digitale Zukunft umzuwandeln .

5. Was kann ich dafür tun, dass mein Unternehmen offen gegenüber Innovationen ist?

Die Digitalisierung erfordert ein intensives Innovations- und Change Management. Hier gilt es, Mitarbeiter frühzeitig über die anstehenden Veränderungsprozesse zu informieren und ihnen so die Angst vor dem Neuen zu nehmen. Neue Arbeitszeitmodelle, mehr organisatorische Freiheiten und strukturelle Flexibilität ermöglichen es den Mitarbeitern, sich mit digitalen Innovationen auch beschäftigen zu können. Das sollte, wie bereits erwähnt, so früh wie möglich erfolgen, damit Mitarbeiter – und generell die ganze Unternehmenskultur – mit den Innovationen „mitwachsen“ können. Mitarbeiter müssen schließlich über digitales Wissen verfügen, um die Herausforderungen der Digitalisierung bewerkstelligen zu können. Hilfreich sind kompetente Ansprechpartner – sogenannte Digital Champions – im Haus, die bereits Experten für die Digitale Transformation sind sowie der Austausch mit Branchennetzwerken und -organisationen außerhalb des eigenen Unternehmens und mit der digitalen Start-up-Szene. Indem sich Mitarbeiter durch Vorträge und Seminare fortbilden können, lassen sich zudem digitale Kompetenzen auf individueller Ebene aufbauen.

6. Wer in meinem Unternehmen ist überhaupt verantwortlich für Veränderungsprozesse?


Digitale Innovations- und Veränderungsprozesse benötigen Antreiber, die diese leiten und begleiten. Dazu gehören sowohl die Entscheider aus dem Top-Management, die das große Vorhaben initiieren und vorleben müssen. Hilfreich kann es ebenso sein, neue Rollen zu schaffen. Ein Beispiel ist der Chief Digital Officer (CDO). Er ist der oberste Digitalisierungsbeauftragte des Unternehmens, welcher den digitalen Wandel im Unternehmen leitet, neue Geschäftsmodelle entwickelt, innovative Technologien einführt und das vernetzte Arbeiten im Unternehmen fördert. Dabei agiert er strategisch, arbeitet agil und teamorientiert. Weiterhin lässt sich externes Expertenwissen in einem sogenannten Digital Advisory Board bündeln. Dieses Board berät die Geschäftsleitung bei der agilen Transformation des Unternehmens und der Ausbildung digitaler Kapazitäten. Es ermöglicht zudem einen ungefilterten Außenblick auf die eigene Organisation und hilft damit, mögliche Barrieren und Widerstände im Change Prozess frühzeitig zu erkennen sowie Marktpotentiale besser zu erschließen. Außerdem bietet es sich an, ganze Innovationsteams aufzustellen: Dabei handelt es sich um Teams, die sich jeweils mit einem digitalen Vorhaben des Unternehmens intensiv auseinandersetzen, neue Ideen entwickeln und deren Umsetzung begleiten. Diese Personen werden nicht vom laufenden Tagesgeschäft abgelenkt, sondern fokussieren sich explizit auf neue digitale Geschäftsoptionen und arbeiten dazu intensiv mittels eines agilen Mindsets.

7. Welche „Werte“ sind im Rahmen des digitalen Wandels und in Bezug auf die Unternehmenskultur von großer Bedeutung?

Ein Unternehmen, das sich für die digitale Zukunft wappnet, sollte besonderen Wert auf Teamarbeit, Agilität und Nutzerzentrierung legen. Das bedeutet: Die starren Strukturen im Sinne von getrennten Abteilungen lösen sich auf und werden durch die Zusammenarbeit in funktionsübergreifenden Teams ersetzt. Diese Teams zeichnen sich durch Interdisziplinarität aus. Das bedeutet, dass jeder sein spezielles Wissen in das einzelne Projekt einbringt und eine gewisse Eigenverantwortung im Rahmen der Zusammenarbeit trägt, um das gemeinsam gesetzte Ziel zu erreichen. Ein Beispiel ist hier die agile Projektmanagementmethode Scrum. Dabei wird ein Projekt in kleine Teilschritte untergliedert, auf die jeweils eine Feedbackrunde folgt. Eine projektbezogene Zusammenarbeit dieser Art ermöglicht, dass man schneller, flexibler und gezielter auf Kundenanforderungen eingehen kann: Welche Anforderungen hat unser Kunde? Haben sich diese Anforderungen zum Zeitpunkt X geändert und muss ich deshalb meine Lösung anpassen? Probleme werden durch eine hohe Prozesstransparenz frühzeitig erkannt, Änderungen am Produkt lassen sich rechtzeitig vornehmen und Lerneffekte kontinuierlich erzeugen.

Diese Checkliste ist eine kurze Zusammenfassung aus dem Buch „Digital Business Leadership. Digitale Transformation – Geschäftsmodell-Innovation – agile Organisation – Change-Management“. Dort erhalten Sie noch mehr Informationen und Anregungen, die Ihnen zeigen, wie Sie Ihr Unternehmen für die digitale Zukunft rüsten können.