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Gehaltsverhandlungen für Einsteiger

Ein ehemaliger Schattenverhandler verrät seine Tricks und Kniffe.
Adel Abdel-Latif | 23.05.2019
Gehaltsverhandlungen für Einsteiger © fotolia / realstock1
 
Wer kennt ihn nicht den alles entscheidenden Moment, wenn Sie nach einem anstrengenden Bewerbungsverfahren vor dem Personalchef sitzen und Ihren Traumjob ergattern möchten? Gerade jetzt ist der Moment gekommen, besonderes Verhandlungsgeschick zu zeigen, da Ihr Einstiegsvertrag massgebend für den Start und Verlauf Ihrer Karriere ist.
Was müssen Sie jedoch beachten? Wo lauern Fallen? Wie holen Sie das Beste für sich raus?
Dr. Adel Abdel-Latif, weltweit führender Verhandlungsstratege, zeigt Ihnen, wie’s geht!

Sollte man im Bewerbungsverfahren überhaupt verhandeln?


Unbedingt! Wer Verhandlungsgeschick zeigt, verschafft sich immer Vorteile und demonstriert seinem Gegenüber Geschäftssinn und die wichtige Fähigkeit, souverän mit Konfliktsituationen, und das Verhandlungen nun mal immer, umzugehen. Das macht einen Bewerber wiederum für den Arbeitgeber interessant und hinterlässt auf jeden Fall einen bleibenden Eindruck. Das Timing ist jedoch sehr entscheidend. Ich würde die Verhandlung möglichst weit hinausschieben, bis Sie fortgeschritten und so interessant sind, dass man Sie erwägt einzustellen. Dann haben Sie die besten Karten.


Wie muss sich ein Bewerber vorbereiten?


Wer sich systematisch auf den «Moment aller Momente» vorbereitet, geniesst entscheidende Verhandlungsvorteile. Zur professionellen Vorbereitung gehört sicherlich eine genaue Informationsbeschaffung in Form einer Markt- und Branchenanalyse, da Sie wissen müssen, was in etwa für Gehälter für ähnliche Tätigkeiten bezahlt werden. Das ist kein Absolutum, aber zumindest ein Richtwert.
Was Sie jedoch keinesfalls unterschätzen dürfen, ist die Informationsbeschaffung zu Ihrem Gesprächspartner. Das Internet spuckt hier alles Notwendige aus. Konzentrieren Sie sich fortan auf die Gemeinsamkeiten (Uni, Hobbys, gemeinsame Bekannte etc.). Gemeinsamkeiten machen sympathisch und eröffnen Ihnen gerade in brenzligen Situationen ungeahnte Türen.
Bezüglich Honorierung sollten Sie im Vorfeld ein klares Minimum- und ein Maximalziel in Form eines konkreten Betrages definieren. Das Minimalziel zeigt Ihnen die Bottom-Line, also jenen Betrag, den Sie auf gar keinen Fall unterschreiten dürfen. Ich empfehle Ihnen, diese zwei Ziele schriftlich zu fixieren und so in Ihrem Kopf zu verankern.
Nun konzentrieren Sie sich auf mindestens 10 Forderungen. Von Firmenwagen über Zusatzweiterbildungen oder Kompensationsurlaubstage ist alles erlaubt. Die Forderungen stellen die eigentliche weiche Verhandlungsmasse dar, die Sie je nach Verlauf gegen andere Dinge, beispielsweise eine Gehaltsoptimierung, eintauschen können. Beispielsweise: «ich stelle mir ein Gehalt von 4500 Euro vor». Personalchef: «Nein – ist viel zu hoch!». Sie: «Ich könnte mir auch eine Optimierung des Gehaltes vorstellen, wenn ich dafür im Gegenzug eine Finanzierung zu einer Weiterbildung in Aussicht gestellt kriege. Wäre das für Sie ein gangbarer Weg?.» Wer keine Forderungen in Petto hat, ist im entscheidenden Moment nackt, chancenlos und lässt sich durch negative Emotionen leiten!

Was für Faktoren spielen sonst noch mit?


Ich sehe den Verhandlungsraum als Bühne. Wie ein Schauspieler sollten Sie die Chance nutzen auf dieser Bühne optimal zu performen. Ihr Auftreten spielt hier einen entscheidenden Faktor, da der erste Eindruck («first impression»), sehr schlecht nachzuverhandeln ist. Angemessene Kleidung (und bitte passende Schuhe!), dezentes Make Up oder diskreter, nicht protziger Schmuck und ein der Position entsprechender Schreibstift verfehlen ihre Wirkung selten. Sehr wichtig ist ein aufrechter Gang, nicht zu hektische Bewegungen, ein klarer, aber nicht glotzender Blickkontakt, ein freundliches Lächeln und ein bestimmter, aber nicht zerquetschender Händedruck. Ihre Stimme sollte Emotionen widerspiegeln und klar sein. Stellen Sie möglichst viele Fragen und gewinnen Sie so wichtige Zusatzinformationen die Sie umgehend verwerten und ausspielen können (Bsp: «Was erwarten Sie denn von Ihrem zukünftigen Mitarbeiter?»)

Was ist im Gespräch zu beachten?


Sie müssen immer daran denken, dass Sie die Fachkompetenz bereits mitbringen, da Sie ansonsten nicht zum Gespräch eingeladen worden wären. Ein fataler Fehler wäre es jetzt diese wie ein Katalog zu wiederholen. Ein guter Verhandler schafft es dem Gegenüber dessen Vorteil oder Mehrwert elegant zu demonstrieren. Beispielsweise: «Ich bin überzeugt davon, dass gerade meine Fähigkeiten mit schwierigen Kunden umzugehen Ihrer Abteilung starke Vorteile bringen würde. Wäre das auch in Ihrem Sinn?)» . So erhöhen Sie den Grad des Interesses an Ihrer Person frappant und verhandeln bereits sehr stark um eine zentrale Sache: um Macht , Respekt und Anerkennung! Wenn sich das Gespräch schwierig gestaltet und der Druck zunimmt, müssen Sie unbedingt die vorbereiteten Gemeinsamkeiten einspielen. Sätze wie:» Schauen Sie, wir haben doch beide das gemeinsame Ziel, Ihre Abteilung weiterzuentwickeln und gegen die Konkurrenz durchzusetzen, nicht wahr?», wirken sofort deeskalierend und zeigen Ihre Souveränität.

Was tun, wenn der Chef nicht auf die Forderungen eingeht?


Jetzt ist der grosse Zeitpunkt der vorbereiteten Forderungen gekommen! Mit dem Eintausch weicher Forderungen (Urlaub, Weiterbildung, Dienstwagen etc.) können häufig äusserst interessante Dinge ausgehandelt werden. Geht der Chef immer noch nicht darauf ein und liegt das angebotene Gehalt unter dem vorbestimmten Minimalziel, sollten Sie das Gespräch elegant aber doch bestimmt mit folgendem Satz abbrechen: «Vielen herzlichen Dank für das aufschlussreiche Gespräch – ich schätze das sehr. Obwohl wir viele Gemeinsamkeiten aufweisen, ist aus meiner Sicht, zum heutigen Zeitpunkt, unter den gegebenen Informationen leider keine Einigung möglich. Sollten Sie dennoch Möglichkeiten einer Angebots Optimierung sehen, stehe ich einer Fortführung unseres Gesprächs selbstverständlich positiv gegenüber.». So ermöglichen Sie es Ihrem Gegenüber, wieder in die Verhandlung einzusteigen ohne jedoch das Gesicht zu verlieren.