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So arbeitet die Digitalagentur der Zukunft

Digitalagenturen müssen sich ständig neu erfinden, Spezialwissen aufbauen und immer mehr Disziplinen abdecken, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
DMEXCO | 23.08.2019
So arbeitet die Digitalagentur der Zukunft © DMEXCO
 
Fachbeitrag von Linus Kurtenbach

Nicht nur Unternehmen müssen ihre Geschäftsmodelle, Prozesse und Strukturen im Zuge der digitalen Transformation überdenken. Auch Agenturen sind gefordert und erfinden sich ständig neu. Wer wettbewerbsfähig bleiben möchte, sollte disruptiv denken und über Technologie-Kompetenzen verfügen. Die Aufgaben von Digitalagenturen werden immer komplexer, granularer und erfordert Spezialwissen in verschiedenen Disziplinen. Eine Digitalagentur, die ihren Kunden Marketingdienstleistungen anbietet, muss sich mit einer Vielzahl von Tools und aufkommenden Trends beschäftigen, was zwangsläufig eine Spezialisierung im Bereich Strategie und Umsetzung bedeuten kann. Laut einer aktuellen Umfrage von iBusiness und Horizont gibt es fünf zentrale Herausforderungen in der dynamischen Businesswelt von Digitalagenturen:

1. Zunehmender Konkurrenzdruck: Immer mehr Medienhäuser und klassische Unternehmensberatungen stoßen auf den Markt und konkurrieren mit Digitalagenturen um Kunden und Fachkräfte.

2. Konsolidierung der Szene: Unternehmensberatungen kaufen zunehmend Digitalagenturen auf, um Kunden ein Full-Service-Erlebnis zu bieten. Die Folge: Es gibt immer weniger unabhängige, inhabergeführte Interaktivagenturen.

3. Fachkräftemangel: Es fehlt an qualifizierten Fachkräften wie UX Designern, Web-/Software-Entwicklern und Online-Marketing-Experten.

4. Zusammenspiel von Daten und Kreativität: Know-how in den Bereichen Datenanalyse- und Strategie sind eine wichtige Ergänzung zur Kreativleistung einer Agentur. Wer hier nicht dazulernt, bleibt auf der Strecke und wird keine Abnehmer für seine menschliche Kreativität finden.

5. Innovationsgeschwindigkeit: Der „Speed of Innovation“ treibt Digitalagenturen dazu erfinderisch zu werden. So hat Serviceplan beispielsweise ein eigenes Innovation Studio entwickelt, um Experimente mit neuen Technologien und digitalen Produkten zu starten.

Über die eigene Digitalisierung nachdenken


Die Herausforderungen und Probleme von Digitalagenturen sind oft ähnlicher Natur, wie die der eigenen Kunden. Es ergibt für Digitalagenturen durchaus Sinn, die konzipierten Digitalisierungsideen, Produkte und Services an sich selbst zu erproben und zu testen, bevor man sie auf den Kunden loslässt. Dieser Ansatz ist für viele Agenturen neu. Wenn es um digitale Produkte geht, fehlt vielen die Innovationsbereitschaft, um etwas wirklich Bahnbrechendes zu erschaffen.

Für den Managing Director der Digitalagentur Virtual Identity, Amir Tavakolian, geht es in Zukunft darum, das Skillset zu erweitern und gleichzeitig Spezialwissen aufzubauen: “Einerseits erwarte ich eine zunehmende Spezialisierung in bestimmten Bereichen wie AI-Lösungen, Machine Learning und eine dadurch mögliche Automatisierung. Andererseits wird die Ausweitung in der Wertschöpfung zunehmen. Diesen Trend beobachten wir bereits bei den großen Beratungsunternehmen, die horizontal immer mehr Services in ihr Portfolio integrieren.” Digitalagenturen sind damit hin- und hergerissen zwischen Spezialisierung und Erweiterung der eigenen Leistungen. Keine leichte Aufgabe in Zeiten, wo Talente und Fachkräfte rar gesät sind. Eine hohe Fluktuation und die vielfältigen Arbeitsverhältnisse kommen erschwerend dazu: “Das wird sich in Zukunft voraussichtlich verstärken, da junge Talente von Beginn an mehr und mehr Bewusstsein für die eigenen Bedürfnisse mitbringen”, weiß Amir Tavakolian.

Innovationsführerschaft und Spezialisierung als Erfolgsrezept


Eine Digitalagentur, die sich mit AI-Lösungen auskennt, Automatisierung und Machine Learning einsetzen kann – sieht so die Digitalagentur der Zukunft aus? Gut möglich, denn der Einsatz solcher Technologien ist heute schon Realität. Die Digitalagentur Plan.Net konzipiert und entwickelt im hauseigenen Innovation Studio digitale Produkte und Lösungen. Darunter ein Facebook-Chatbot für MINI oder der Alexa Skill für die HypoVereinsbank, welcher Finanzbegriffe versteht und Währungen per Sprachbefehl umrechnet. Spezialwissen im Bereich Software und Technologie ist somit ein Muss für die Digitalagentur der Zukunft.

Ein weiteres Beispiel für die gewinnbringende Kombination von Technologie und Kreativität liefert die Digitalagentur BWM Dentsu, die mit dem Projekt Revoice Menschen mit der Nervenkrankheit ALS hilft, die eigene Stimme zurückzuerlangen. Hierfür entwickelte die Agentur gemeinsam mit dem kanadischen Start-up Lyrebird einen KI-Sprachklon, der aus persönlichen Audioaufnahmen der Betroffenen die eigene Stimme rekonstruieren und kopieren kann. Der nicht-sprachfähige ALS Patient steuert lediglich über den Blickkontakt die Ausgabe seiner Wörter und Sätze, die dann in seiner Klang- und Stimmfarbe wiedergegeben werden. Mit solchen Innovationen weisen Agenturen ihre Kompetenzen nach, zeigen sich zukunftsorientiert und liefern Reizpunkte für Unternehmenskunden.

Die menschlich-emotionale Komponente bleibt dabei neben der Fokussierung auf Software und Technik weiterhin wichtig, da ist sich Amir Tavakolian sicher: “Neben den technologischen Kompetenzen werden in Zukunft verstärkt menschliche Empathie und unternehmerisches Denken im Sinne der AuftraggeberInnen wichtiger werden. Wir beobachten schon jetzt, dass Entscheider und Dienstleister immer wieder zwischen persönlichen Perspektiven und Beitrag zum Business hin- und hergerissen sind.”

Fazit: Die Digitalagentur der Zukunft hört nicht auf zu lernen


Wer am Markt bestehen will, ist gut beraten, sich zu differenzieren und schlagfertige Argumente in Form von besonderen und benötigten Kompetenzen zu liefern. Dabei steht der Erfolg des Kunden immer im Vordergrund, wie Amir Tavakolian aus eigener Erfahrung beschreibt: “Wir nehmen die Ziele unserer Kunden oftmals ernster als sie selbst. Das sehe ich selten am Markt.”

Es gilt die digitalen Herausforderungen der Zukunft frühzeitig zu identifizieren und mit greifbaren Produkten und Services Antworten auf die Probleme der potenziellen Kunden zu liefern. Digitalagenturen müssen ihre bestehenden Geschäftsmodelle dabei stetig überdenken und weiterentwickeln. Letztendlich liegt es an jeder Digitalagentur selbst, sich Ressourcen für interne Veränderungen, Wissen und Innovationen zu schaffen.


Linus Kurtenbach ist Junior-Berater bei pr://ip – Primus Inter Pares und Digital Native. Der Masterstudent im Bereich Kommunikationsmanagement schreibt gerne über Themen aus digitaler Wirtschaft, Marketing und Innovation.