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Leise, aber oho: Introvertierte im Team

Viele leise Menschen werden unterschätzt, obwohl sie mit ihren Stärken die Teamleistungen deutlich steigern.
Sylvia C. Löhken | 22.11.2019
Leise, aber oho: Introvertierte im Team © fotolia / REDPIXEL
 

Ines arbeitet in einem Stabsteam eines großen deutschen Konzerns. Mit einem weiteren Kollegen ist sie als Introvertierte unter lauter Extro-Persönlichkeiten in der Minderheit. Ihr sehr extrovertierter Teamleiter zeigt ihr deutlich, dass er sie nicht zu den Top-Leistenden zählt: Ines kommt ihm zu farblos und zu passiv vor.

Dann die Überraschung: Ines kann sich bei einer internen Ausschreibung um eine höhere Position durchsetzen. Sie liebt gründliche Recherchen und unschlagbar darin, kompliziertes verständlich zu vermitteln. Außerdem hat sie, wie sich herausstellt, in vielen Sparten des Unternehmens ausgezeichnete Kontakte.

Nur: Diese Qualitäten sind dem bisherigen Extro-Chef völlig entgangen. Ines hat sie schlicht nicht kommuniziert. Die Lücke fällt dem Vorgesetzten erst auf, als es brenzlig wird: Informationskanäle brechen weg, Vorlagen werden bemängelt. Das gab es mit Ines nie.

Ines' Erfahrung machen viele leise Menschen: Sie werden unterschätzt, obwohl sie mit ihren Stärken die Teamleistungen deutlich steigern. Die Extros nehmen die Qualität ihrer Intro-Kollegen nicht wahr. Das aber ist nur die Hälfte der Wahrheit: Denn die Intro-Kollegen tun ihrerseits oft nur wenig, um mit ihren Stärken und Leistungen wahrgenommen zu werden!

 

Intros im Team

Wie also können Sie als Intro in Ihrem Team so arbeiten und so kommunizieren, dass Ihre gute Leistung auch sichtbar wird? Was können Sie außerdem tun, damit es Ihnen Ihrerseits mit den anderen Teammitgliedern gut geht – und umgekehrt?

Smarte Antworten auf diese Fragen sollten zwei Bedingungen erfüllen: Sie sollten erstens Ihre Bedürfnisse berücksichtigen, zweitens aber auch die Bedürfnisse der extrovertierten Gruppenmitglieder (bei den Intros ist es ja einfach J). Die beiden folgenden Strategien zielen darauf ab, die beiden Blickwinkel zu vereinbaren. Probieren Sie sie aus!

 

So bringen Sie Intro- und Extro-Bedürfnisse zusammen

 

1. Intro-Bedürfnis: längeres ungestörtes Arbeiten allein


Extro-Bedürfnis: in Teilschritten arbeiten, untereinander beraten, über Ergebnisse und weiteres Vorgehen kommunizieren
Strategie: Schaffen Sie Rituale für den Austausch, an denen Sie und andere sich orientieren können und die Ihnen gleichzeitig Freiraum geben, damit Sie sich auf Ihre Arbeit konzentrieren können.

So kann das konkret aussehen:

  • Bleiben Sie nach Meetings ein wenig länger, um mit einzelnen Teilnehmenden ins Gespräch zu kommen. Planen Sie diese Zeit bewusst ein.
  • Schaffen Sie sich in Absprache mit den Kollegen ein tägliches Zeitfenster, in dem Sie ungestört arbeiten können.
  • Unterteilen Sie Ihre Arbeit in Teilschritte und machen Sie nach einer Zeit eine Pause, die Sie für Kommunikation nutzen: für E-Mail, Telefon und persönliche Rücksprachen.
  • Mit unangekündigt erscheinenden Kollegen können Sie eine andere Zeit vereinbaren, wenn es gerade nicht passt: „Ich bin gerade an einer dringenden Sache. Hast du nach dem Mittagessen Zeit für einen Kaffee?“ Achtung: In Krisensituationen aller Art geht das nicht!
  • Sprechen Sie mit Ihren Teammitgliedern und auch mit Ihren Vorgesetzten über Ihre Arbeit. Seien Sie spezifisch: „Wie hat denn der Kunde reagiert, der letzte Woche?“ „Wie ist eigentlich der Stand der Dinge im X-Projekt?“ Beobachten Sie die Resonanz!

 

2. Intro-Bedürfnis: zwischendurch zur Ruhe kommen


Extro-Bedürfnis: zwischendurch Austausch mit anderen suchen Strategie: Planen Sie auf Veranstaltungen oder auch für Ihren Arbeitsalltag bewusst Phasen ein, in denen Sie sich mit Kolleginnen und Kollegen austauschen. Planen Sie Rückzugsphasen ebenso.

So kann das konkret aussehen:

Betrachten Sie Ihre Arbeit als Bühne. Wenn Sie auf der Bühne stehen, sind Sie mit anderen in Kontakt und präsent. Sorgen Sie aber für Möglichkeiten, die Bühne zwischendurch zu verlassen: Das kann ein Spaziergang in der Mittagspause sein, in besonders stressigen Situationen sogar eine Mini-Auszeit hinter der verschlossenen Toilettentür.

  • Verabreden Sie sich zum Mittagessen. Viele Intros schätzen ein Mittagessen zu zweit oder zu dritt. Geben Sie den Menschen, mit denen Sie zu tun haben, Ihre volle Aufmerksamkeit. Achten Sie einmal darauf, was das für die Gesprächsqualität bedeutet!
  • Schwänzen Sie bei Veranstaltungen oder Seminaren kleine Module, etwa einen Vortrag. Nutzen Sie die gewonnene Zeit für einen Rückzug.
  • Finden Sie die informellen Regeln im Team heraus: Welche sozialen Anlässe sind wichtig? Welche sind es eher nicht? Handeln Sie entsprechend. Das heißt, haben Sie den Mut, unwichtigere Unternehmungen nicht mitzumachen. Ein Beispiel: der Barbesuch nach einem erschöpfenden Veranstaltungstag. Gleichen Sie Ihr Fernbleiben aus. Machen Sie z.B. bei einer anderen Aktivität mit, solange Ihr Energiepegel noch relativ hoch ist: Gehen Sie also zum Beispiel am ersten Abend mit, am zweiten Abend nicht.
  • Regen Sie selbst Aktivitäten an, an denen Sie sich gern beteiligen, zum Beispiel ein neues Café ausprobieren, ein Geburtstagsgeschenk für den runden Geburtstag einer Kollegin organisieren.