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Zwischen Sparschwein und Girocard – warum Deutschland anders zahlt

Lange Zeit waren Scheine und Münzen im deutschen Einzelhandel das dominierende Zahlungsmittel. Das ändert sich langsam.
© Pixabay / Andreas Breitling
 

Man kennt es aus dem Urlaub oder von Geschäftsreisen: In anderen Ländern ist es längst üblich, zwei Schokoriegel im Laden oder ein Getränk im Pub mit (Kredit-) Karte zu bezahlen. Auf Bargeld reagieren Verkäufer dagegen nicht selten verwundert. In Deutschland sieht es jedoch noch anders aus, kaum irgendwo steht Bares so hoch im Kurs wie hierzulande, so zumindest die landläufige Meinung. Stimmt das und worin liegen die deutschen Besonderheiten begründet?

 

Lange Zeit waren Scheine und Münzen im deutschen Einzelhandel ohne Frage das dominierende Zahlungsmittel. Doch das ändert sich tatsächlich langsam. Im Jahr 2018 zahlten die Bundesbürger erstmals mehr mit Karten als mit Bargeld. Laut einer Erhebung des EHI Retail Institute belaufen sich die Anteile auf 48,6 Prozent für alle Kartenarten insgesamt und 48,3 Prozent für Bares. Diese Zahlen beziehen sich auf den Umsatz, schaut man auf die Anzahl der Kaufvorgänge, werden immer noch 76,1 Prozent im Einzelhandel mit Scheinen und Münzen beglichen. Das bestätigt, was man auch schon intuitiv vermuten würde: Karten kommen eher für größere Beträge zum Einsatz. Die Zahlen offenbaren noch ein weiteres interessantes Faktum: Bei der Art der unbaren Zahlungen dominiert eindeutig die Girocard mit 30,1 Prozent, das elektronische Lastschriftverfahren (ELV) folgt mit 10 Prozent und Kreditkarten erreichen nur einen Anteil von 6,9 Prozent. 

Deutsche Banken und ihre Karten 

Warum nutzen die Deutschen Kreditkarten weniger, als Bürger anderer Länder? Zum einen verfügt die deutsche Kreditwirtschaft mit Girocard über ihr eigenes Debit-System. Daher werden bevorzugt diese Karten an Kunden ausgegeben, die damit Geld abheben und im Laden bezahlen können. Girocard ist auch der Grund, warum internationale Debit-Systeme wie Maestro und V-Pay in Deutschland keine signifikanten Marktanteile haben. Ein weiterer Grund ist der Dispokredit für kurzfristige Überziehungen des Girokontos, dabei handelt es sich tatsächlich auch um eine deutsche Eigenheit. Im angelsächsischen Raum etwa ist der sogenannte Dispo nicht in dieser Form bekannt und verbreitet. Briten und Amerikaner müssen also auf Kreditkarten zurückgreifen, wenn sie eine ähnliche Form eines Darlehens wünschen. Darin ist sicherlich einer der Hauptgründe für die vergleichsweise geringe Verbreitung von Kreditkarten in Deutschland zu suchen. 

Nur Bares ist Wahres?

Warum Kreditkarten in Deutschland weniger beliebt und verbreitet sind, lässt sich leicht logisch erklären. Woher die besondere Vorliebe für Scheine und Münzen rührt, ist dagegen schwer zu sagen. Vielleicht ist sie am ehesten in einer typisch deutschen Mentalität zu suchen. Deutsche Verbraucher legen besonderen Wert auf Sicherheit und Kontrolle  und diese beiden Aspekte verbinden viele immer noch mit Bargeld. Man könne nicht mehr ausgeben, als man im Geldbeutel habe, so eine weitverbreitete Meinung. Doch dank dem Dispokredit kann man natürlich auch Bares ausgeben, dass man eigentlich nicht besitzt. Andererseits ist es heute mit modernen und sicheren Banking-Apps ganz einfach, jederzeit den Kontostand im Auge zu behalten. Die Vorbehalte sind also nicht mehr zeitgemäß. Bargeld lässt sich außerdem fälschen und für alle möglichen illegalen Transaktionen einsetzen. Zudem verursacht die Herstellung, die Ausgabe und die Entsorgung von Bargeld hohe Kosten für den Staat, Banken und Händler. Nehmen wir beispielsweise Sparschweine oder Einmachgläser voller Münzen, wie man sie in vielen Haushalten sieht, all dieses Geld ist dem Wirtschaftskreislauf entzogen. Das bedeutet, es müssen immer mehr Münzen hergestellt werden, als sich aktuell im tatsächlichen Umlauf befinden. Verbraucher müssen sich damit befassen, wie sie ihr gesammeltes Kleingeld wieder loswerden. Sie können sich entweder an Ladenkassen unbeliebt machen oder ihre gesammelten Münzen zur Bank bringen – auf jeden Fall kostet es Zeit. 

Langsam aber sicher ändern sich allerdings auch bei uns die Dinge. Bargeld verliert immer mehr beim Zahlungsvolumen zugunsten von Karten. Dazu beigetragen hat sicherlich das sehr einfache kontaktlose Zahlen. Pläne, das Bargeld völlig abzuschaffen wie in Schweden, wird es in Deutschland jedoch in nächster Zeit sicher nicht geben. Stattdessen werden wir auch weiterhin ein duales System haben, in dem Karten und Apps allerdings immer mehr Marktanteile gewinnen dürften.