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Deutschland (k)eine Start-up Nation

Trotz neuer Rekordsummen. Warum es Start-ups in Deutschland noch immer schwer haben.
Yannik Sulzbacher | 04.03.2020
Deutschland (k)eine Start-up Nation © Pixabay / Gerd Altmann
 

Der Start-up Boom hält weiter an und macht keine Anstalten in der neuen Dekade einzubrechen. So war auch 2019 ein neues Rekordjahr. Rund 6,23 Milliarden Euro und damit 36 Prozent mehr als im Vorjahr, wurden in die Start-up-Branche investiert. Aber auch die Finanzierungsrunden stiegen, wenn auch im Vergleich gemächlicher, um 13 Prozent auf 704. Das geht aus dem im Januar erschienenen Start-up-Barometer Deutschland der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY hervor.

Als Start-up Hochburg in Deutschland gilt weiterhin Berlin. Über die Hälfte der Investitionen flossen in die Hauptstadt, die mit ihren vergleichsweise günstigen Lebenshaltungskosten und ihrem internationalen Flair für junge Gründer besonders attraktiv ist. Nach Berlin kommt mit 1,55 Milliarden Euro Investitionen Bayern und danach lange nichts. In Hamburg brachen die Investitionen sogar ein, um über die Hälfte, auf überschaubare 254 Millionen Euro. Wer als Gründer auf eine optimale Infrastruktur zurückgreifen will, kommt also weiterhin nicht um Berlin herum.

Deutschland hinter Großbritannien und Frankreich

Während das Silicon Valley weiterhin als das Maß aller Dinge gilt und China sich mit massiven staatlichen Investitionen zu einer starken zweiten Kraft hinter den US aufgebaut hat, werden in Europa vergleichsweise kleine Brötchen gebacken. Im europäischen Vergleich belegt Großbritannien den unangefochtenen ersten Platz, sowohl bei den Finanzierungsrunden, wie auch beim Investitionsvolumen. Wie stark sich der Brexit auf die britische Start-up-Szene auswirken wird ist noch unklar. Fest steht bisher, dass sich die Branche von voreiligen Untergangsszenarien unbeeindruckt zeigt.

Eng beieinander stehen dagegen Frankreich und Deutschland, wobei Frankreich aktuell einen minimalen Vorsprung hat, wie der Start-up-Barometer von EY zeigt. Dass Berlin seinen Spitzenplatz auf dem europäischen Festland an Paris abgeben musste, liegt vor allem daran, dass die französische Regierung das Potential der Start-up-Branche erkannt und angemessen gehandelt hat. So sorgte der französische Staat neben billigen Krediten für Gründer, Steuererleichterungen und dem Abbau bürokratischer Hürden, mit der Station F für den weltweit größten Start-up-Inkubator und zieht damit folgerichtig an Deutschland vorbei.

Dabei hatte sich die Bundesregierung für ihre neue Amtszeit viel vorgenommen. Gleich 25 Versprechen machte die Bundesregierung den Start-ups.
Ernüchterndes Zwischenfazit, bisher sind gerade einmal vier davon komplett umgesetzt worden, wie die Initiative „getstarted“ des Digitalverbands Bitkom dokumentiert. Vor allem der ersehnte Abbau von bürokratischen Hindernissen kommt nicht voran. Wirkliches Interesse der Politik, Deutschland im Bereich Start-up an die europäische Spitze zu führen, sieht anders aus.

Scheitern ist eine Tugend

Start-ups stehen für innovative Geschäftsideen und rasanten Wachstum. Dass das nicht ohne Risiko funktioniert, ist selbsterklärend. Und so überrascht es wenig, dass 9 von 10 Start-ups früher oder später scheitern. Das tut dem Start-up-Hype allerdings keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil, das Scheitern gehört zum Gründen dazu und ist lange kein Grund zum Aufgeben. In den risikofreudigeren USA gehört es gar zum guten Ton, einmal die Erfahrung der Insolvenz mitgemacht zu haben, um daraus Schlüsse für die Zukunft ziehen zu können. Ganz anders in Deutschland. Wer hier scheitert galt lange als Versager, der sich nicht vollumfänglich auf eine Unternehmensgründung vorbereitet hatte. Nur langsam wandelt sich diese Mentalität. So geben in einer Umfrage des Start-up-Monitors 60 Prozent der Gründer an, auch im Falle eines Scheiterns, ein neues Start-up gründen zu wollen. Die Möglichkeit eine Vision zu verwirklichen ist es, das auch in Zukunft immer mehr Menschen zu Gründern machen wird.

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Über Yannik Sulzbacher

Yannik Sulzbacher ist Redakteur der marketing-BÖRSE. Als Soziologiestudent interessiert er sich für Themen, die Marketing und Gesellschaft verbinden.