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Kooperation ist der neue Wettbewerbsvorteil

Purpose-orientierte Initiativen bringen heute sogar Unternehmen unter einem gemeinsamen Ziel zusammen, die am Markt im Wettbewerb stehen.
Annette Bruce | 24.09.2020
Kooperation ist der neue Wettbewerbsvorteil © Freepik
 

„Wir erreichen mehr, wenn wir unseren Träumen nachjagen, als dem Wettbewerb.“ Simon Sinek

 

Eines der ehernsten Gesetze des Kapitalismus ist es, streng nach Freund und Feind zu unterscheiden. Als Freund gelten die, die mich in meinem Gewinnstreben unterstützen, als Feind dagegen diejenigen, die mit mir um die Gunst derselben Zielgruppe buhlen.

Dementsprechend kennt man sich zwar untereinander in der Branche, aber man schließt sich höchsten dann zusammen, wenn gegen ein neues Gesetz gemeinsam protestiert wird, oder eine Abgabenerhöhung oder eben etwas, was alle gleichermaßen am Markt schädigt. Manches Mal wird sich auch über die Zusammenarbeit in Branchenverbänden unterstützt, aber was auch immer das Thema ist, nie geht es um die Bearbeitung der Zielgruppe. Denn dort ist jeder sich selbst am nächsten.

Anders bei purpose-orientierten Unternehmen. Denn diejenigen, die den Traum verfolgen, agiert anders, als die, die den Wettbewerb jagen. Denn Corporate Purpose erweitert die Management-Perspektive und macht die globale Marktumwelt zum integralen Bestandteil der Unternehmensperspektive. Zugänglich machen lässt sich dieses zugegebenermaßen breite Feld durch die PESTEL-Systematik, dessen englische Initialen für die Bereiche „Politik“, „Ökonomie“, „Gesellschaft“, „Technologie“, „Ökologie“ und „Gesetzgebung“ stehen. Diese erweiterte Management-Perspektive eröffnet Ansatzpunkte für Marken, um über die Schaffung von sozialem Wert auch gleichzeitig ökonomischen Wert zu generieren, der die eigene Wettbewerbsfähigkeit steigert.

Ein entsprechendes Handeln erfordert den Aufbau neuer Kompetenzen und Beziehungen durch ein Unternehmen und somit den Einsatz von Ressourcen. Wie die folgenden Beispiele zeigen, eröffnen sich durch solche Investments Chancen, die eigene Marktposition sowie die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und Marktumwelt zu stärken.

 

Mit Haltung Gemeinwohl und Profitabilität verbinden

Immer mehr Unternehmen verfolgen purpose-orientierte Aktivitäten oder richten sich ganzheitlich am Ansatz des Stakeholder Value aus. Eine Möglichkeit, letzteres zu tun, ist die Zertifizierung zu einer „B Corp“, dessen Prozess und Prinzipien von der internationalen Non-Profit Organisation „B Lab“ verwaltet wird. Waren es bisher mehrheitlich kleine und mittlere Unternehmen, die diese Zertifizierung durchlaufen haben, sind in den letzten Jahren das Interesse und die Motivation dafür auch bei internationalen Konzernen gestiegen. Aufgrund der Größe dieser Unternehmen ist der Prozess allerdings deutlich anspruchsvoller und aufwändiger. Um den Prozess besser zu bewältigen, haben sich daher die vier Unternehmen Givaudan, Bonduelle, Gerdau und Magalu zu den „B Movement Builders“ zusammengeschlossen. Alle vier Unternehmen sind börsennotiert und haben einen Jahresumsatz von min. 1 Mrd. US-$. Als Mentoren auf dem Weg dieser Vier zur Zertifizierung fungieren mit Danone und Natura & Co zwei Konzerne, die bereits Teile ihres Geschäfts zertifiziert haben.

 

Ein aktuelles Beispiel für einen hoch kooperativen Ansatz zur Schaffung eines Produktangebots ist die „Hamburger Wertstoff Innovative“. Dabei haben sich mehrere Unternehmen zusammengeschlossen, um ein Waschmittel anzubieten, dessen Flasche vollständig aus lokalem recycelten Kunststoff besteht. Zu kaufen gibt es die Marke „7 Generationen“ von Unilever bei der lokalen Drogeriemarktkette Budni. Als B2B-Partner sind die Stadtreinigung Hamburg und der Umweltdienstleister Veolia dabei, die den Ansatz zur Kreislaufwirtschaft für den recycelten Kunststoff sicherstellen. Der langfristige Markterfolg wird sich zwar noch zeigen müssen, die Initiative zeigt aber deutlich auf, wie es kooperativ gelingen kann, relevante Trends und Bedürfnisse wie Regionalität und nachhaltigen Konsum zu verbinden.

 

Kooperationen für einen besseren Wettbewerb

Purpose-orientierte Initiativen bringen heute sogar Unternehmen unter einem gemeinsamen Ziel zusammen, die am Markt im Wettbewerb stehen. Das schwedische Unternehmen Oatly, Anbieter pflanzenbasierter Milchalternativen, hatte eine Petition zur gesetzlichen CO2e-Kennzeichnung von Lebensmitteln angestrengt. Mit 57.067 Unterzeichner*innen wurde im September 2020 das Recht erlangt, das Petitionsanliegen mit den Abgeordneten des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages zu diskutieren. Im Rahmen der Petition haben sich weitere Unternehmen angeschlossen und die „Initiative für CO2e-Transparenz in der Lebensmittelindustrie“ ins Leben gerufen. Zu Mitgliedern gehören u.a. Freche Freunde, fritz-kola, FRoSTA, GermanZero, mymuesli, Nestlé Germany, Rügenwalder Mühle, Upfield, Develey und Veganz. Ziel der durch die Petition in Gang gesetzten Diskussion ist es, mit Hilfe von produktspezifischen CO2e-Angaben Konsument*innen in Zukunft zu ermöglichen, eine gut informierte und klimafreundliche Kaufentscheidung zu treffen.

 

Auch zwei stark purpose-getriebene Social Businesses können trotz teils gegenläufiger Interessen und Ziele erfolgreiche Kooperationen eingehen, wie das Beispiel Soulbottles und Viva con Agua zeigt. Soulbottles verkauft plastikfreie Trinkflaschen und Zubehör und setzt sich stark für den Konsum von Leitungswasser zur Schonung von Ressourcen ein. Das Geschäftsmodell sieht vor, dass 1 € pro verkaufter Flasche an weltweite Trinkwasser-Projekte geht. Einer der Empfänger dieser Gelder ist der Viva con Agua de St. Pauli e.V., der sich für den sicheren Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung einsetzt. Viva con Agua ist neben dem Verein auch selbst ein Social Business, das Mineralwasser im Getränkehandel anbietet, von dessen Verkauf wiederum die eigene Projektarbeit finanziert wird. Die Marke bietet somit ein Produkt an, dessen Konsum einer ihrer Förderer reduzieren will. Im Endergebnis entsteht für den Kunden ein wünschenswerter Wettbewerb, in dem er sich zwischen zwei verschiedenen Alternativen entscheiden kann, deren Konsum beide auch das Gemeinwohl fördern.