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Retourenmanagement – vom notwendigen Übel zum strategischen Hebel

Mit zunehmender Marktreife von eCommerce-Plattformen wird gerade dieses notwendige Übel zu einem der effektivsten Ansatzpunkte.
BuyBay GmbH | 28.01.2021
© freepik / pch.vector
 

Retouren sind ein ungeliebtes Thema, mit dem sich Händler nur ungerne beschäftigen. Mit zunehmender Marktreife von eCommerce-Plattformen wird jedoch gerade dieses notwendige Übel zu einem der effektivsten Ansatzpunkte, um den eigenen Profit zu steigern, nachhaltige Kundenbeziehungen zu fördern und sich vom Wettbewerb zu unterscheiden.

 

Nicht nur der reine Online-Handel ist in den letzten Jahren explosionsartig gewachsen. Auch für stationären Händler ist es mittlerweile fast Pflicht, Kunden die Option zu bieten, online zu bestellen und die Ware geliefert zu bekommen. Das Pandemie-Jahr 2020 hat diesen Trend noch bestärkt. eCommerce-Plattformen haben entsprechend der fortgeschrittenen Marktreife einen hohen Standard erreicht. Wo vormals Kriterien wie die Benutzeroberfläche, Lieferzeiten oder Bezahloptionen Faktoren waren, die Online-Shops erheblich von der Konkurrenz unterschieden, so sind diese zumindest bei den größeren Plattformen heute nahezu standardisiert. Ein Thema, das den meisten Händlern jedoch nach wie vor sinnbildlich „Zahnschmerzen“ verursacht, ist der Bereich Retourenmanagement. Durch die starke Konkurrenz im Online- und Versandhandel sowie das Angebot bei den eCommerce-Marktführern, sehen sich immer mehr Händler gezwungen, Rücksendungen kostenlos oder zumindest deutlich unter den realen Kosten anzubieten. Ein guter Grund also, sich anzusehen, wie sich dieses leidige Thema strategisch nutzen lässt, um sich von der Konkurrenz abzuheben.

Ansatzpunkt 1: Kundenbindung durch positive Erfahrungen

Kundenerfahrung und Kundenkommunikation sind seit Jahren als Schlüsselfaktor für eine nachhaltige Kundenbeziehung bekannt. Im eCommerce findet dabei ein Beziehungsaufbau auf Distanz statt. Das Retourenmanagement ist der Bereich, in dem in vielen Fällen der intensivste Dialog mit den Kunden stattfindet. Entsprechend bietet sich hier auch die Chance, die Kundenzufriedenheit zu erhöhen und Kunden langfristig zu binden. Eine unkomplizierte Reklamations- und Retourenbearbeitung – oder aber das Gegenteil – kann durchaus ausschlaggebend dafür sein, ob ein Kunde beim nächsten Einkauf einen anderen Shop wählt oder aufgrund der positiven Erfahrung einen bestimmten Anbieter zu seiner bevorzugten Plattform macht. Es lohnt sich also, in diesen Prozess zu investieren. Um dabei jedoch keine Verluste zu erwirtschaften, ist höchste Effizienz bei allen Interaktionen gefragt.

Ansatzpunkt 2: Profitsteigerung durch Prozessoptimierung

Laut Forschungsergebnissen der Universität Bamberg, kostet eine Retoure den Händler durchschnittlich 15,18 Euro (€7,93 Prozesskosten + 7,25 Wertverlust)(i) zuzüglich der Transportkosten für die Hin- und Rücksendung. Je nach Retourenaufkommen und Warentypus kann diese Summe stark abweichen. Der Wertverlust ist beispielsweise bei Textilien relativ gering, aber bei Elektronikprodukten, Sport- oder Haushaltsgeräten, Möbeln, etc. deutlich höher. Ganz zu schweigen von Produkten, die mit starken Gebrauchsspuren zurückgesendet werden. Die Kosten für Retouren liegen nach Angaben der Wissenschaftler allein im deutschen Onlinehandel jedes Jahr bei einem dreistelligen Millionenbetrag.  Fest steht jedoch, dass das Retourenmanagement bei den meisten Anbietern heute zu den größten „Profitfressern“ gehört. Es gilt also, Kunden einen optimalen Retouren-Service zu bieten und dabei die Retourkosten und Waren-Wertverluste so gering wie möglich zu halten.

Viele Anbieter und Händler lassen Retouren durch ihre Logistiker abwickeln. Das klingt nach einer effizienten Lösung. Allerdings werden Rücksendungen hierbei häufig zum Quartals-, Halbjahres- oder sogar erst zum Jahresabschluss unsortiert und auf Mischpaletten als „C-Ware“ gebündelt an sogenannte Restpostenhändler verkauft. Dabei wird je nach Warengruppe oft nicht einmal 10 Prozent des eigentlichen Warenwerts realisiert. Sinnvoller ist es, sich die Schritte eines nachhaltigen Retourenmanagements anzusehen und zu prüfen, welche Bereiche man In-House optimieren oder gemeinsam mit einem qualifizierten Partner angehen kann, um so einen Werterhalt zu realisieren. Zu diesen Schritten gehören:

  • Erfassen und Dokumentieren von erwarteten und eingehenden Rücksendungen
    • Rückerstattung an den Kunden
    • Kontrolle und Evaluierung (Grading) retournierter Artikel auf Basis zuvor festgelegter Kriterien
    • Aufarbeitung beschädigter Waren, bei denen sich dies finanziell lohnt
    • Dokumentation defekter Waren und Zuweisung geeigneter Wiederverkaufskanäle
    • Entsorgung bzw. Recycling irreparabler Artikel
    • Neuverpackung von Rücksendungen
    • Erneutes Einbuchen von Artikeln in den Warenbestand
    • Wiederverkauf und Versand
    • Kundenservice und Support-Leistungen

Ansatzpunkt 3: Differenzierung und mehr Nachhaltigkeit durch neue Wege beim Wiederverkauf

Nicht nur das eigentliche Retourenmanagement, sondern auch der Wiederverkauf retournierter Ware bietet zahlreiche Ansatzpunkte zur Optimierung. Ein intelligentes Matching von Warengruppen mit der am besten geeigneten Verkaufsplattform, kann den erzielten Verkaufswert erheblich steigern. Beim Verkauf über öffentliche Marktplätze oder Auktionen können Softwarelösungen mit KI-gestützten Algorithmen dabei helfen, zum bestmöglichen Preis zu verkaufen.

Aber auch ein eigener Shop oder Website-Bereich für den Verkauf von retournierten Produkten kann ein Weg sein, sich vom Wettbewerb zu differenzieren und den Kunden eine attraktive Alternative zu bieten. Hier können Interessenten fast neuwertige Waren, aber auch Produkte mit transparent dokumentierten Mängeln oder Gebrauchsspuren zu attraktiven Preisen erwerben. Nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch im Sinne von Umweltaspekten und Nachhaltigkeit ist dies für viele Käufer eine spannende Option – und vielleicht ein Grund, für die Wahl einer ganz bestimmten eCommerce Plattform.

Im Markt für Bekleidung hat sich dieser Trend bereits etabliert. Die Wirtschaftswoche(ii) berichtete kürzlich darüber, dass immer mehr Branchengrößen retournierte und sogar gebrauchte Kleidung über eigene Online-Shops weiterverkaufen. Auch aktuelle Studien bestätigen die Orientierung hin zur Zweitnutzung von Waren(iii). YouGov berichtete kürzlich, dass knapp 20 Millionen Deutsche angeben, lieber Second Hand als Neues kaufen.(iv)

„Dieser Nachhaltigkeitstrend kommt nun auch immer stärker in anderen Warensegmenten, wie Elektronik, Haushaltsgeräte, Möbel oder Spielwaren, zum Tragen.“, bestätigt Alexander Lange, Business Development Manager bei BuyBay. „Anbieter, besonders bekannte Marken, haben oftmals Bedenken, dass sie ihr Angebot und Image kannibalisieren, wenn sie ihren Kunden auch sogenannte B-Ware zur Verfügung stellen. Unsere Erfahrung bei der Zusammenarbeit mit bekannten Anbietern hat jedoch gezeigt, dass ihnen gerade das Angebot retournierter Ware spannende neue Kundengruppen erschließt, die das gute Preis-Leistungsverhältnis oder der Nachhaltigkeitsgedanke überzeugt.“

 

i http://www.retourenforschung.de/definition_statistiken-retouren-deutschland.html
ii Momox, Rebuy & Co.: Darum boomen Second-Hand-Geschäfte (wiwo.de)
iii Otto Group Trendstudie 2020
iv YouGov | Der Trend geht zur Zweitnutzung

 

Fachbeitrag von Alexander Lange, BuyBay