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PIM-Systeme: Status quo und Trends

Durch die Digitalisierung und das geänderte Verhalten der Kunden bei der Informationsbeschaffung müssen sich PIM-Systeme neuen Anforderungen stellen.
Berthold Lütticke | 20.04.2021
PIM-Systeme: Status Quo und Trends © freepik / tascha1
 

Früher galt es, die gleiche Werbebotschaft möglichst großflächig, auffällig und oft wiederholt zu präsentieren. Meist wurden nur wenige Vertriebskanäle genutzt und deren Erneuerungszyklen waren aus heutiger Sicht eher lang. Man denke an Plakat- oder TV-Werbung, Produktkataloge und Prospekte. Betrachtet man die Dynamik des Internets und die Interaktionsmöglichkeiten in den sozialen Medien, so offenbart sich die Schwäche dieser Art der Vertriebskanäle, zumindest für den B2C-Bereich. Einmal erstellt, sind solche Werbebotschaften statisch und bieten keine Möglichkeit der Interaktion.

Mittels PIM-Systemen wurde es technisch möglich, gleichzeitig viele Vertriebskanäle mit validem und konsistentem Inhalt zu versorgen. PIM-Systeme bieten hierzu neben Integrationen mit Designtools (wie Adobe InDesign) und Web-Content-Managementsystemen auch eine Reihe von Werkzeugen zum automatisierten Datenaustausch und zur Qualitätssicherung an. 

PIM-Systeme helfen, verteilte Datensilos zu beseitigen, steigern die Effizienz in der Produktdatenpflege und stellen heute typischerweise nach definierten Datenstandards qualitätsgesicherte und konsistente Produktinformationen 

  • für verschiedene Vertriebskanäle oder für die interne Verwendung optimiert
  • nach regionaler Zulässigkeit gefiltert
  • nach zeitlicher Zulässigkeit (Aktionen etc.) gefiltert
  • automatisch zum vordefinierten Zeitpunkt
  • in mehreren Sprachen
  • gegebenenfalls kundenspezifisch aufbereitet
  • und mit Bildern / Videos angereichert

zur Verfügung.

Damit sind PIM-Systeme der Backbone für die interne Bereitstellung von Produktinformationen, für den Datenaustausch im B2B-Umfeld und insbesondere für die B2C-Vertriebskanäle.

Aber welche Anforderungen werden PIM-Systeme künftig erfüllen müssen? Frei nach Steve Jobs (Apple) fangen wir mit der Kundenerwartung an („…beginning with the customer experience and working backward to the technology“).

Was erwarten wir als Kunden von einer produktbezogenen Informationsplattform?

Im B2C-Umfeld dreht sich alles um den (potenziellen) Kunden und der Kunde ist sich dessen bewusst. Von einer Plattform mit einer kundenbindenden Wirkung erwartet der Kunde mehr als die Möglichkeit, über gut gewählte Suchbegriffe Produkte und Produktinformationen zu finden. Diese hat er heute schon. Das Buzzword in diesem Zusammenhang ist die Customer Experience (CX). CX hat dabei zwei Zielrichtungen: die Gewinnung von Neukunden und die Zufriedenheit der Kunden, die bereits Produkte des Anbieters haben.

Für die längerfristige Kundenbindung macht oft der Customer Service den Unterschied aus.

Einfachheit des Zugriffs

Der potenzielle Kunde sieht sich als Nutzer einer Informationsplattform, die es ihm ermöglicht mit geringem Aufwand (Google-like-Suche) und den heute gängigen mobilen Möglichkeiten (z. B. QR-Codes, Sprachsteuerung) zu den für ihn relevanten Informationen zu gelangen und Zugang zu weiterführenden Informationen zu erhalten. Z. B. zu Alleinstellungsmerkmalen, technischen Details etc.

Welche Information „relevant“ ist, kann sich dabei aus dem Nutzerprofil oder dem Nutzungsverlauf bzw. Nutzerverhalten ergeben: Wird die Webseite für ein bestimmtes Produkt aus einer Websuche oder einem Marktplatz heraus geöffnet, so ist der Nutzer wahrscheinlich mehr an allgemeinen Informationen zu dem spezifischen und ähnlichen Produkten interessiert. Wurde die Homepage der Webseite aufgerufen und von dort das Produkt recherchiert, lässt das auf ein evtl. breiteres Interesse am Unternehmen schließen. Wurde ein spezifisches Produkt durch mehrere, z. B. geschachtelte Suchen, ausgewählt, dann ist das ein Hinweis auf ein tiefergehendes Informationsbedürfnis nach genau diesem Produkt und Detailinformationen könnten direkt mit angeboten werden.

PIM-Systeme unterstützen dies durch die Abbildung von Relationen zwischen Produkten, dynamischen Produktdokumentationen und Informationshierarchien. Produktdokumente müssen nicht länger statische Objekte sein, sondern können als eine Struktur von attribuierten Informationselementen aufgebaut und entsprechend durch Attribut-Filter zusammengestellt werden. Produkte können zudem auf mehr als eine Weise sinnvoll, logisch und konsistent hierarchisch angeordnet werden. 

Kunden, die bereits Produkte des Anbieters einsetzen, haben eventuell erweiterte Fragestellungen, z. B. zu Kombinationsprodukten oder Ersatzteilen und suchen nach möglichst einfachen Wegen zum Self-Service oder Zugriff auf technische Unterstützung.

PIM-Systeme verwalten Produktinformationen über den ganzen Produkt-Lebenszyklus hinweg und können so auch „Alt-“Informationen bereitstellen. Sie ermöglichen Mehrfachklassifizierung der Produkte, den Aufbau von FAQs und die Verwaltung von Medien (z. B. Videos) zu Fragestellungen. Diese Informationen können der Plattform für den Self-Service aber auch dem internen Customer Service zur Unterstützung bereitgestellt werden.

Erwartung an die Sortimentsbreite

Amazon macht es vor: Als Marktplatz präsentiert die Plattform neben den Eigenprodukten auch Fremdprodukte. Zu gewählten Produkten gibt es Informationen zu Kombinationen, Alternativen, Verhalten anderer Käufer. Dem Nutzer wird ein scheinbar vollumfängliches Produktangebot in einheitlicher Weise, ähnlichem Detaillierungsgrad, mit Schnäppchen-Suggestion und scheinbar ohne Präferenz der Eigenprodukte präsentiert. Warum also sollte der Nutzer auf andere Plattformen wechseln?

Dieses Erfolgsmodell hat mit dazu geführt, dass Anbieter im B2C-Markt ihr Sortiment an Eigenprodukten stark um Long-Tail-Produkte erweitert haben und Möglichkeiten zur Verwaltung und Analyse von Wettbewerbsprodukten wünschen. In diesem Zusammenhang bezeichnen Long-Tail-Produkte Nischenprodukte, die in der Regel nicht in größeren Stückzahlen abgesetzt werden, über die Menge der Produkte aber einen signifikanten Anteil zum Umsatz beitragen können.

PIM-Systeme ermöglichen es, die Datenflut durch Automatismen und Templates, Verarbeitungsroutinen zum Datenaustausch, Qualitätssicherung und Inhaltserstellung zu bewältigen. Über Analyseroutinen können Produktvergleiche zur Herausstellung von Merkmalen der Eigenprodukte, zur Preisgestaltung oder zur Produktplatzierung auf der Plattform genutzt werden. Die Analyseergebnisse können zudem wertvolle Hinweise für das Produktmanagement sein, indem fehlende Eigenschaften der eigenen Produkte Entwicklungsaufträge auslösen, häufig nachgefragte Merkmale in der Produktbeschreibung oder Klassifizierung ergänzt werden usw.

Individualisierung der Produktinformationen

Im B2B-Umfeld sind Hersteller oft gehalten, Produktinformationen kundenindividuell zu verwalten oder gar Produkte kundenindividuell zu führen. Beispiele sind das Produktlabeling gemäß Kundenvorgaben und die Produktherstellung nach kundenindividuellen Rezepturen/Vorgaben für Eigenmarken in der Heimwerker- oder Nahrungsmittel-Branche. 

PIM-Systeme unterstützen über Templates (z. B. für Produktlabel oder Produktdatenblätter) und die Möglichkeit der Variantenbildung dabei, diese Individualisierung effizient abzubilden.

Kundeninteraktion und Soziale Netze

Kundeninteraktion findet sich heute in vielfältiger Weise im Web. Ein kritischer Punkt dieser Interaktion ist, dass die Kontaktaufnahme nicht als aufdringlich empfunden wird.

Angestoßen durch den Anbieter können Chat-Angebote, Anfragen zu Zufriedenheitsbewertungen per One-Click oder auch der Hinweis auf Feedback-Möglichkeiten ein Mittel sein.

Reichte es vor einigen Jahren noch einen Online-Shop zu haben, so ist es heute vermehrt üblich, zusätzlich auf Marktplätzen vertreten zu sein. Die Erwartung, auf Marktplätzen immer die günstigsten Preise zu erhalten wird zunehmend enttäuscht und Produktbewertungen werden zunehmend kritischer hinterfragt. Die klassische Befragung von anderen Anwendern eines Produktes oder Kunden eines Unternehmens findet ihre digitale Entsprechung in den Sozialen Netzen. Ein nächster Schritt wird die Kundenbindung über Soziale Medien sein.

Es wird daher zunehmend wichtig, die Kommentierung der eigenen Produkte, aber auch des eigenen Unternehmens in den Sozialen Netzen zu registrieren und auszuwerten.

Liegen diese Kommentierungen in PIM-Systemen vor, so können sie analysiert werden. PIM-Systeme können Antworten für fehlerhafte Kommentierungen verwalten, bei Kommentarhäufungen alarmieren und möglicherweise Influencer mit geeigneten Informationen zu Produkten versorgen.

Konfiguratoren und virtuelle Realität

Konfiguratoren erlauben dem Kunden, Produkte im Rahmen vorgegebener Regeln seinen Bedürfnissen angepasst auszuwählen. Beispielsweise in der Automobilbranche kann der Kunde das Fahrzeug durch An-, Ab- oder Auswahl von Konfigurationselementen (z. B. Interieur, technische Features, Exterieur) auf seine Bedürfnisse zusammenstellen. Die bildliche Darstellung des Produktes erfolgt dann entsprechend der Auswahl. Bei konfigurierten Konstruktionen, wie bei Energieketten oder Laufbändern mittlerweile üblich, können auch Zoom- oder Explosionsdarstellungen gemäß der Konfiguration gezeigt werden.

Um das Erleben für den Kunden noch realitätsnäher zu gestalten, wird künftig Augmented Reality (die Simulation von Objekten in der Betrachterwelt) und Virtual Reality (die Simulation der Welt des Betrachters) vermehrt eine Rolle spielen.

Besonders für den Bereich Wartung und Support kann diese Unterstützung hilfreich sein. War es vor wenigen Jahren noch eine Besonderheit, wenn ein Mechaniker durch Videosequenzen bei seiner Tätigkeit unterstützt wurde, so ist Augmented Reality für Wartungsarbeiten an komplexen Systemen der folgerichtige nächste Schritt. PIM-Systeme werden diesen Schritt unterstützen müssen.

Wie kann Wissen über Kunden gesammelt und zur Steigerung der CX verwendet werden?

Werden alle beteiligten Systeme (PIM, ERP, CRM, CMS) intelligent verbunden und sind die Datenmodelle aufeinander abgestimmt, so kann breites Wissen über den (potenziellen) Kunden zusammengetragen werden. Egal ob über seinen bevorzugten Wirtschaftsraum, über seine Recherchen im zeitlichen Verlauf, seine Klickreihenfolge, seinen Einstiegspunkt oder seine bereits zugeordneten Produkte, aus allen diesen Informationen kann die Zugehörigkeit eines Kunden zu einem vordefinierten Kundenprofil (Persona) bestimmt werden.

In PIM-Systemen kann die Relevanz eines Produktes oder einer Produktinformation für eine Persona hinterlegt und so eine intelligente und nutzerbezogene Präsentation gegebenenfalls vorausgewählter Produkte ermöglicht werden, z. B. im Bereich Reisen, Konzerte oder Fashion.

Eine künftige Entwicklung könnte hier die Standortbestimmung des Kunden bezogen auf einen stationären Shop sein, sodass dem Shop-Mitarbeiter die typischen Bedarfe des Kunden bekannt sind, sobald dieser den Shop betritt.  

PIM-Systeme werden künftig noch enger mit den beteiligten Systemen verzahnt sein, Produktinformationen werden dynamischer bereitgestellt und Autoren- und Quellsysteme direkter angebunden werden. Schon heute sieht ein Teil der PIM-Systemhersteller ihre Lösung nicht mehr nur als Lösung zur Verwaltung von Produktinformationen und deren Bereitstellung für Vertriebskanäle, sondern als die zentrale MDM (Stammdatenmanagement)-Lösung für Produktinformationen.