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Kundenbindung als Retter in Krisenzeiten?

Digitalisierung führte auch dazu, dass Händler sich fast ausschließlich auf eigenen Kunden konzentrieren und somit Interessenten vernachlässigen.
Farid Gambar | 19.07.2021
Kundenbindung als Retter in Krisenzeiten? © Freepik
 

Jedes Unternehmen wünscht sich wohl zufriedene und loyale Kunden. Aus Überzeugung kaufen sie wiederholt ein Produkt oder nehmen regelmäßig eine Dienstleistung in Anspruch – häufig selbst in Krisenzeiten wie der Corona-Pandemie. Kundenbindungsprogramme versuchen deshalb die Attraktivität der Loyalität durch Belohnungen wie Rabatte, Gutscheine oder Sachgeschenke zu steigern. Solche Programme haben in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen: Viele Unternehmen führten eigene ein – zum Beispiel Punktesammelsysteme für exklusive Angebote, Versandvorteile oder frühere Benachrichtigungen über Rabattaktionen – oder schlossen sich etablierten Programmen an. In den meisten Fällen versuchen Firmen mithilfe von Rabattaktionen und Vorteilen Daten ihrer Kunden zu sammeln, um diese besser kennenzulernen und die Verkaufsstrategie für sie anzupassen. In Krisenzeiten können Kundenbindungsprogramme auch den Unterschied zwischen Überleben und Schließung einer Firma ausmachen. Beispielsweise der ÖPNV war in der Pandemiezeit dankbar, dass es Abokunden gab. Doch Unternehmen müssen sich zunehmend die Frage stellen, ob Preisnachlässe reichen, um treue Kunden langfristig zufriedenzustellen.

 

Kunden wollen mehr als Rabatte
Viele Kunden erwarten heutzutage von Abonnements und anderen Programmen, dass sie nicht nur Rabattvorteile bringen, sondern weitere praktische Vorteile und Wertschätzung. Finden sie nämlich das Angebot bei einem anderen Anbieter für einen günstigeren Preis, geben sie ihre Loyalität schnell auf. „Teilweise steigern Kundenbindungsprogramme auch nicht die Treue, sondern die Vorteile und Rabatte erzielen nur einen Mitnahmeeffekt. In den meisten Fällen wird es Unternehmen also nicht gelingen, die Loyalität durch Programme zu steigern, die nur Preisnachlässe gewähren. Nachlässe werden außerdem von Kunden oft als Preis für die persönlichen Informationen verstanden. Je besser die Gesellschaft den Wert ihrer Daten versteht und nachvollzieht, umso schwieriger wird es für Unternehmen, sie für Kundenbindungsprogramme zu begeistern.

Exklusiver Zugang zu einer Vorteilswelt

Ab einem bestimmten Wissensstand übersteigt der Wert der eigenen Daten den zu erhaltenden Gegenwert. Kunden wollen persönliche Daten vor allem dann nicht mehr preisgeben, wenn der Umgang mit den Informationen nicht transparent erscheint. Anderseits gibt es auch Modelle, bei denen die Skepsis völlig außer Acht gelassen wird und teilweise sogar Geld für die zusätzliche Leistung gezahlt wird – Amazon Prime oder Zalando Plus sind zwei Beispiele. Die Teilnahme an solchen Programmen lässt sich in erster Linie auf praktische Vorteile zurückführen, aber erst nachdem die Kunden die Beziehung als vorteilhaft und den Service als begeisternd wahrgenommen haben. Kundenprogramme spielen für viele Zielgruppen – vor allem jüngere Menschen – also eine immer größere Rolle, wenn sie einen Zugang zu exklusiven Gruppen erhalten. Zu den Vorteilen vieler Programme zählen außerdem immer häufiger digitale Quittungen im stationären Handel. Beispielsweise die Lidl-App setzt auf dieses System und ermöglicht gleichzeitig Preisnachlässe, die Teilnahme an Gewinnspielen plus eine direkte Bezahlmöglichkeit. Somit erhalten Kunden einen Zugang zu einer „Vorteilswelt“ sowie die Möglichkeit zur direkten Kommunikation mit dem Anbieter.


Programme regelmäßig auf Effektivität analysieren

Die Digitalisierung führte allerdings auch dazu, dass Händler sich fast ausschließlich auf die eigenen Kunden konzentrieren und das Potenzial der Interessenten vernachlässigen. Immer häufiger steht im Fokus, die eigene, loyale Kundschaft kennenzulernen und ihre Zufriedenheit zu messen. Die alleinige Konzentration darauf ist in der Regel jedoch wenig erkenntnisreich: Ausschließlich glückliche Bestandskunden werden auf lange Sicht den Umsatz nicht steigern. Zufriedenheit stellt nämlich die Basisleistung jedes erfolgreichen Unternehmens dar. Es gibt viele Firmen, die zufriedene Kunden haben, aber der Umsatz stagniert oder ist rückläufig. Das liegt daran, dass den Unternehmen die Informationen über den Gesamtmarkt fehlen und die Vorteile nur einen Mitnahmeeffekt haben. Um die tatsächliche Loyalität zu messen, ist es jedoch unabdingbar, das Loyalitätsprogramm zu analysieren. Erst wenn man aus den Daten Wissen generiert und diese für die Entwicklung einsetzt, überleben Unternehmen nicht nur eine Krise, sondern steigern auch ihre Umsätze in dieser Zeit. Es ist deshalb sinnvoll, periodisch zu prüfen, ob die eingesetzten Maßnahmen wirklich noch einen Anreiz darstellen oder sie zu einem Mitnahmeeffekt geworden sind. Der Beitrag einzelner Elemente von Kundenbindungsprogrammen kann sich im Laufe der Zeit auch ändern. Ebenso gilt es, die Möglichkeiten neuer Elemente zu ergründen.