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Der unaufhaltsame Abschied vom Bargeld?

Diese fünf Trends prägen die digitale Zahlungswirtschaft.
Rahul Bhushan | 04.02.2022
Der unaufhaltsame Abschied vom Bargeld? © Karolina Grabowska / pexels.com
 

Beim Abschied vom Bargeld sagt der Deutsche leise Servus: Neue Untersuchungen beweisen, dass auch hierzulande die Trendwende beim Bezahlen hin zu bargeldlosen Transaktionen langsam, aber doch unaufhaltsam voranschreitet. Doch dies sei nur eine Seite einer aufblühenden neuen Industrie, sagt Rahul Bhushan, Mitgründer des auf thematische ETFs spezialisierten Emittenten Rize ETF. Er präsentiert Investoren fünf zentrale Entwicklungen, die die digitale Zahlungswirtschaft mittel- und langfristig prägen.

Im europäischen Vergleich zahlen vor allem die Deutschen immer noch gerne mit Bargeld. Einer aktuellen Umfrage des Verbraucherzentrale-Bundesverbands (VZBV) untermauert diese Präferenz zwar, deckt aber gleichzeitig auch auf, dass die Wende beim Bezahlen auch hierzulande stetig voranschreitet. So klagen 75 Prozent der Verbraucher über fehlende Auswahl und Flexibilität beim Bezahlen, die sie beispielsweise im Einzelhandel oder Gastronomie noch vermissen, nur acht Prozent der Befragten wären bereit, vollständig auf Digital- und Kartenzahlungen zu verzichten [1]

„Die Zahlungswirtschaft durchlebt einen fundamentalen Wandel hin zu digitalen Geldüberweisungen, Währungen und Wallets. Experten offenbart die Branche fünf zentrale Entwicklungen und damit einhergehende durchaus attraktive Investitionschancen“, sagt Rize ETF-Unternehmenssprecher und Co-Gründer Bhushan.   

Neue Höchststände bei kontaktlosen Zahlungen

Der wachsende Stellenwert des digitalen Handels hat auch das Transaktionsverhalten von Konsumenten und Unternehmen verändert und den Einsatz von Bargeld drastisch reduziert. Online-Zahlungsverarbeiter wie PayPal oder Zahlungen nach dem Prinzip „Buy now, pay later“ (BNPL) ersetzen zunehmen traditionelle Kartenzahlungen. Kontaktlose Zahlungen mit Smartphones wiederum schaffen Alternativen für Karten- und Barzahlungen im stationären Handel. Vor allem in vielen Schwellenmärkten sind digitale Wallets in Form von Smartphone-Apps beliebter als Barzahlungen und haben ein völlig neues Ökosystem aufgezogen. So konnte sich beispielsweise der Fintec-Dienstleister Fisver mit seinen skalierbaren, transparenten Zahlungslösungen bemerkenswert etablieren. Die Gewinnerwartungen dieses Titels liegen Analysten zufolge bei jährlich rund 10 Prozent.[2] Ein weiteres Beispiel stellt der niederländische Zahlungsabwickler Adyen dar, der 2018 mit einer Bewertung von 2,3 Milliarden Dollar zu einem der wertvollsten Einhörner Europas wurde. [3] Dazu Bhushan: „Wir sind der Ansicht, dass diese Trends zu neuen Rekorden bei digitalen Zahlungen führen werden. Die Transaktionsvolumen in den Bereichen Online-Handel und mobilen POS-Zahlungen sollen Statista zufolge weltweit von rund 5,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2020 auf 10,5 Milliarden 2025 ansteigen, was einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (compound annual growth rate) von 14 Prozent entspricht. [4]

Krypto-Transaktionen machen Auslandszahlungen billiger

Zahlungen über die Blockchain bzw. mit Kryptowährungen reduzieren die Kosten länderübergreifender Geldtransfers und sind auch deutlich schneller als Banküberweisungen. Laut Bhushan ist es somit kein Wunder, dass aus diesem Grund die Nachfrage nach Krypto-Services wächst und auch Krypto-Börsen mittlerweile Geldanweisungen beispielsweise für Arbeitsmigranten anbieten. 

„Letztendlich wird der Erfolg dieser Zahlungsmethode vom regulatorischen Umfeld abhängen, das international höchst unterschiedlich ausgestaltet ist. Das wird mit Blick auf Länder wie China und Indien deutlich, in die die meisten Geldtransfers gehen und deren Zentralbanken Krypto-Zahlungen gänzlich verboten haben. Auf den Philippinen und in Pakistan hingegen zeigen die Behörden eine neutralere Einstellung, während in der Ukraine sogar eine pro-aktive Regulierung des Krypto-Raums stattfindet“, so Rahul Bhushan.

Der Innovationsbooster ”Creator Economy”  

Spielzeug-Reviews, Workout oder Bildung – digitale Plattformen wie YouTube gehören zur modernen Spielwiese der Kreativwirtschaft, wo Talente nicht nur ein globales Publikum ansprechen können, sondern mit ihrer Arbeit auch Geld verdienen können. Allein der Markt für Influencer-Marketing wurde 2021 auf knapp 14 Milliarden US-Dollar [5] geschätzt. Er biete viel Potential für grenzüberschreitende Zahlungen, da Menschen Inhalte konsumieren und finanziell unterstützen, egal wo sie produziert werden.

„Bereits jetzt profitieren davon zahlungsverarbeitende Unternehmen wie Payoneer oder PayPal. Payoneer, ein Anbieter von Zahlungsdienstleistungen liefert Lösungen für Online-Lernplattformen wie Udemy oder Pateron. Letztere bietet Business Tools für Content-Schaffende an. PayPal wiederum kooperiert mit der Online-Verkaufsplattform Etsy, dem Videoportal TikTok und dem Streamingdienst Twitch. 

Der Aufstieg von digitalem Zentralbankgeld (CBDCs)

Die globale Adoption von Kryptowährungen hat auch institutionelle Auswirkungen. So erwägen bereits 86 Prozent der Zentralbanken die Einführung eigener digitaler Fiat-Währungen 
(CBDCs). Der digitale Yuan könnte bei den Olympischen Winterspielen 2022 erstmals ein großes Transaktionsvolumen generieren. Andernorts haben Institutionen wie die Monetary Authority of Singapore (MAS) und die Banque de France die Integration von CBDCs für Interbankenzahlungen getestet. Südafrika, Indien, Pakistan, Südkorea und Thailand planen die baldige Einführung ihrer eigenen offiziellen digitalen Währungen. Darüber hinaus gibt es weitere vielversprechende Entwicklungen, darunter der digitale Euro, die schwedische e-Krona und der Britcoin.

„Auch wenn wir kurzfristig nicht mit einer weit verbreiteten Einführung von CBDCs rechnen, erwarten wir, dass bald noch mehr Länder die Möglichkeit ihrer Rolle in der künftigen Zahlungsverkehrswirtschaft prüfen werden“, ist Bhushan überzeugt. 

Bei IPOs und M&As ist Nachschub zu erwarten

Erfahrungsgemäß lohnt es sich für Investoren, auch auf Unternehmen zu blicken, deren Börsengänge bevorstehen oder die mit ihren innovativen Geschäftsmodellen kurz vor dem Markteintritt stehen. Zu diesen gehört auch das vor dem Börsengang stehende brasilianische Fintech Ebanx. Seine Zahlungslösung ermöglicht Online-Einkäufe auch ohne Kredit- oder Debitkarte. Der sich hier bietende Markt ist riesig, denn über die Hälfte der Bevölkerungen von Lateinamerika und der Karibik besitzen keine Bankkonten. Neben der britischen Digitalbank Revolut stehen noch weitere potenzielle Börsenkandidaten in den Startlöchern – unter anderem checkout.com, Flutterwave, NIUM, PLAID, Stripe, WorldRemit und Zopa.

„Darüber hinaus erwarten in dieser stark fragmentierten Branche eine stetige Konsolidierung durch laufende Fusions- oder Übernahmeaktivitäten“, kommentiert Rahul Bhushan. „So plant beispielsweise die Branchengröße Visa eine 2,2 Milliarden US-Dollar schwere Übernahme [6] von Tink, einer schwedischen Open-Banking-Plattform, die es Finanzinstituten, Händlern und Fintecs ermöglicht, über eine Anwendungsprogrammierschnittstelle (API) Open-Banking- oder Finanzverwaltungstools und Kontoverifizierung zu konstruieren.“   

 

[1] https://www.welt.de/wirtschaft/article235900312/Umfrage-Karten-oder-mobile-Zahlung-Die-Deutschen-zahlen-immer-noch-am-liebsten-bar.html

[2] https://newsroom.fiserv.com/news-releases/news-release-details/fiserv-reports-third-quarter-2021-results

[3] https://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/bezahldienste-start-up-adyen-das-einhorn-aus-amsterdam/20190342.html?ticket=ST-5876901-tM1CBKLWDcoE09cLXDb5-ap4

[4] CAGR: Compound Annual Growth Rate / average growth rate per year Source: Statista Digital Market Outlook 2021 https://de.statista.com/outlook/digital-markets

[5] Statista, Worldwide; Influencer Marketing Hub; 2016 to 2020
https://www.statista.com/statistics/1092819/global-influencer-market-size/

[6] https://www.visa.co.uk/about-visa/newsroom/press-releases.3112117.html