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Die Metaverse Mode – welche Chancen das Web 3.0 für die Textilindustrie bereithält

Für die Modeindustrie eröffnet sich die Möglichkeit sich in virtuellen Welten zu positionieren.
Simon Graff | 06.07.2022
Die Metaverse Mode – welche Chancen das Web 3.0 für die Textilindustrie bereithält © Freepik / rawpixel.com
 

Der internationale Markt für schnell produzierte Mode boomt wie kaum kein ein anderer. Während große Fashion-Giganten im Eiltempo Modehäuser mit kurzlebiger Billigware überschwemmen, werden andernorts Berge von Altkleidern in astronomische Höhen gestapelt. Allein auf dem chinesischen Markt erzeugt das Mode-Label Shein täglich mehr als 3.000 Artikel, die schnell und zielgerichtet an alles und jeden verramscht werden.[1] Große Brands wie H&M, Zara und Primark tun es Shein gleich und werden zu gigantischen Müllschleudern für weitgehend unökologisch produzierte Ware, die zudem unter teils desaströsen Bedingungen für die Mitarbeiter:innen erzeugt wird. Wen das nicht schockiert, den wird interessieren, dass die Bekleidungsbranche jährlich etwa 10 % der weltweiten CO2-Emissionen verursacht.[2] Hierzu trägt das Geschehen aus der Fast-Fashion-Industrie wesentlich bei. In der voranschreitenden Digitalisierung und Technisierung liegt womöglich die nachhaltigere Antwort. Mit dem Metaverse tritt eine Idee auf den Plan, die in ihrem Kern gar nicht so neu ist. Virtuelle Räume im Web 3.0 sollen eine Lösung für das Problem der Bekleidungsindustrie darstellen. Doch was ist das Metaverse, das hier als Heilsbringer um die Ecke marschiert und sich wichtigmachen will?

Virtualität und Realität verschwimmen

Das Metaverse meint eben jenen Raum, der Virtualität und analoge Realität miteinander verschwimmen lässt und als Symbiose neue Wirkplätze möglich macht. In digitalen holistischen 3D Spaces, die haptisch, visuell und akustisch erleb- und begreifbar sind, sollen die Produkte, Brands und Ideen der analogen Welt als Inhalte in Form von NFTs (Non-Fungible Tokens) und über virtuelle Abbilder, sogenannte Avatare, verwirklicht werden. Die so geschaffenen Elemente sind dann auf dezentralen Online-Plattformen wie OpenSea und SuperRare und somit auf virtuellen NFT-Marktplätzen auffindbar und stehen für den Handel zur Verfügung. Mit Hilfe der Avatare bewegen sich die User:innen in künstlich geschaffenen 3D-Räumen gerade so, als würden sie über Ladenflächen flanieren, auf Bühnen stehen oder in Konferenzräumen verweilen. Auf diese Weise wird der globale Austausch im Handumdrehen von Räumen der physischen Realität entkoppelt und zugänglich für alle.

Modelabels schaffen virtuelle Showrooms

Wer in Sekundenschnelle Räume wechselt, erlebt ganz neue Markt-Dynamiken und Interaktionsmöglichkeiten, wie das Beispiel der erstmals rein virtuell abgehaltenen Metaverse Fashion Week 2022 eindrucksvoll zeigt.[3] Avatare werden hier zu Models, die virtuelle Fashion von unterschiedlichen Brands der Branche vorstellen. Digital, global, in Echtzeit und – nachhaltig. Denn das, was hier präsentiert wird, muss nicht erst in großem Stil hergestellt werden, um laufstegfähig zu sein. Die Idee ist: Mode erst einmal virtuell zugänglich zu machen, als NFT – also als digitales Item handelbar und für den virtuellen Gebrauch nutzbar. Und die Rechnung geht auf. Denn tatsächlich nahmen zur Metaverse Fashion Week in diesem Jahr über 100.000 Teilnehmer:innen in Form von eigens geschaffenen Avataren teil. In von Modelabels und Designer:innen geschaffenen virtuellen Showrooms konnten die User:innen sich bewegen und die neuste Fashion bestaunen. Die Umsetzung der virtuellen Fashion basiert dabei auf einem Mix aus 3D-Gestaltung im Design sowie einer Vielzahl unterschiedlicher Technologien, wie künstlicher Intelligenz, Virtual-Reality(VR)- und Augmented-Reality(AR)-Technologien und entsprechender Software-Umgebungen zur Visualisierung der virtuellen Modewelten und ihrer It-Pieces.

Neue Nutzungsgewohnheiten zwingen zum Umdenken

Bereits heute zeigen die Nutzungsgewohnheiten der digitalen Generationen, dass diese nicht mehr im klassischen Sinne zwischen einer Online- u. Offline-Welt differenziert. Virtuelle Gegenstände bedeuten reales Prestige, Avatare tragen Markenkleidung, Milliarden werden hierfür ausgegeben — ein wachsender Trend, der mit der zunehmenden Verschmelzung von Virtualität und Realität weiter an Bedeutung gewinnen dürfte. Für die Modeindustrie und ihre Akteur:innen eröffnet sich hierbei die Möglichkeit, wenn nicht gar die Pflicht, sich in virtuellen Welten zu positionieren, um ihre aktuelle Relevanz auch in Zukunft halten zu können.

Die Erwartungshaltung dieser Generationen von Nutzer:innen wird sich ändern. Virtuelle Präsenzen, Güter und Erlebnisse werden die neue Norm, eine riesige Chance für Modemarken, auf diesen Plattformen neue Umsätze zu generieren, Designs zu erproben und Communities aufzubauen, darstellen. Dem gegenüber steht natürlich das Risiko, diese Entwicklungen zu verpassen.

 

[1] Quelle: „Die zerstörerische Lieber der Generation Z zur Fast Fashion“, Monopol Magazin, 26-04-2022

[2] Quelle: „Umweltauswirkungen von Textilproduktion und – abfällen (Infografik)“, Europäisches Parlament, 20-04-2022

[3] Quelle: Metaverse Fashion Week: Das sind die Highlights der virtuellen Modewoche, Vogue.de, 26-03-2022