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Entwicklung des Kundenbestands strategisch angehen

Zur Kundenbestandsentwicklung gehört eine durchdachte Segmentierung. So können Kampagnen und Werbebudgets zielgerichtet eingesetzt werden.
Petra Wotring | 17.10.2022
Kundensegmentierung in Gold, Silber und Bronze © Freepik / Who is Danny
 

Gedanke hinter dem Konzept der Kundenbestandsentwicklung ist es, bei allen Entscheidungen über Einsatz von Kampagnen und Werbegeld sowohl deren kurzfristige Wirkung in Response und Umsatz als auch deren langfristige Wirkung auf Quantität und Qualität des Kundenbestands zu berücksichtigen.

Wechselwirkung zwischen Kunden- und Kampagnenmanagement

Zur Umsetzung dieses Konzept ist es essenziell, die Wechselwirkung zwischen Kunden- und Kampagnenmanagement zu verstehen und zu steuern. Kunden- und Kampagnenmanagement sind wie Yin und Yang: Sie wirken als zwei sich ergänzende Kräfte und möchten gleichermaßen gepflegt werden, um ihre volle Wirkung zu entfalten.

Um diese Wechselwirkung zu verstehen, braucht es Antworten auf die Fragen:

  • Wo liegen Chancen und Risiken im Kundenbestand?
  • Wie kann ich die Chancen nutzen?
  • Mit welchen Maßnahmen kann ich den Risiken begegnen?
  • Welches Kundenverhalten eröffnet Verkaufschancen?
  • Welche Ereignisse verändern das Entwicklungspotenzial meiner Kunden?

Kundensegmentierung: Welche Merkmale sind entscheidend?

Die strategische Kundenbestandsentwicklung benötigt eine Segmentierung für die wirtschaftliche Steuerung und Allokation von Budgets, also eine Segmentierung nach Kundengüte. Diese Segmentierung ordnet jeden einzelnen Kunden im Kundenbestand genau einem Segment für einen Bewerbungszeitraum zu. Es sollte eine Segmentierung in wenige Gruppen sein nach allgemein verständlicher Formel, die über viele Jahre unverändert bleibt (Abb. 1).

 

Abb. 1: Segmentierung nach Kundengüte

 

Zur Bildung dieser drei Segmente Gold, Silber und Bronze sind Merkmale geeignet wie zum Beispiel:

  • der bisherige oder der zu erwartende Umsatz,
  • die Aktualität der letzten Aktivität,
  • die Anzahl von Aktivitäten,
  • die Höhe des durchschnittlichen Warenkorbs oder auch
  • der Net Promoter Score zur Messung der Weiterempfehlung

 

Die Kunden in ihren Segmenten werden ausgestattet mit einem Werbekostenbudget zusammen mit einer Zielsetzung, wohin der Kunde entwickelt werden soll.

Kampagnenportfolio festlegen

Für die strategische Kundenbestandsentwicklung müssen die Kampagnen aller Customer Journeys regelmäßig auf den Prüfstand:

  • Welchen Beitrag leistet jede Kampagne, zur Erreichung der Entwicklungsziele im Kundenbestand?
  • Gäbe es eine andere Kampagne, die einen höheren Beitrag leisten könnte?
  • Wirken die eingesetzten Kampagnen ausgewogen, um die Entwicklungspotenziale in den Kundensegmenten bestmöglich zu adressieren?
  • Ist die Zusammensetzung im Portfolio gut ausdifferenziert, um Risiken abzusichern und Chancen zu nutzen?
  • Wird genug getestet, um stetig neue Erkenntnisse zu gewinnen?

 

Die Analyse des Kampagnenportfolios wird einfacher, wenn man Kampagnen nach ihrer Wirkung kategorisiert und notiert, ob der Kunde mit seinem Verhalten eine Kampagne auslöst oder der Anbieter:


1. Lifecycle-Kampagnen:
Gemeint sind damit Kampagnen für die Beziehungspflege.

Also Botschaften von „Herzlich Willkommen“ bis „Auf Wiedersehen und Dankeschön“. Diese Kampagnen löst der Kunde aus. Vom Anbieter kommen Anfragen zum Kunden, die Beziehung zu intensivieren: Wir würden Sie gerne mit Namen und per E-Mail ansprechen, bitte geben Sie uns dafür Ihre Einwilligung. Bitte bewerten Sie Ihren Einkauf und empfehlen uns weiter.


2. Trigger-Kampagnen:
Die besonders smarten und effektiven Verkaufskampagnen.

Sie starten, wenn der Kunde Bereitschaft oder ein verändertes Verhalten zeigt, das für den Anbieter eine große Chance darstellt, zum Beispiel ein Umzug des Kunden, Start ins Berufsleben, Eintritt in die Rente, Familienzuwachs.


3. Opportunity-Kampagnen:
Verkaufskampagnen als Push vom Anbieter.


4. Inspirationskampagnen:
Sie dienen der Markenbildung und der Information, ohne direkten Verkaufsdruck und werden gerne für das Storytelling, entlang einer Journey, in den Phasen „Aufmerksamkeit generieren“ und „Interesse sondieren“ eingesetzt.


Lifecycle und Trigger-Kampagnen sollten an alle Kunden gehen, ungeachtet ihrer Zugehörigkeit zu einem Segment und ihrem Entwicklungsziel. Über Höflichkeit und beste Chancen braucht man nicht lange nachdenken … einfach machen. In der Gewichtung zwischen Inspiration und Opportunity-Kampagnen lohnt eine Analyse, für welches Kundensegment welche Gewichtung besser geeignet ist.

Für jeden Kunden sollte man nun ein Maximum an Werbedruck festlegen: Wie viele Impulse maximal im gesamten Bewerbungszeitraum und wie viele Impulse maximal an einem Tag und in einer Woche. Ob ein Kunde eine Kampagne erhält, entscheidet er zunehmend selbst durch seine Anmeldung zum Newsletter oder durch sein Verhalten, das eine Trigger-Kampagne auslöst wie zum Beispiel die Anzeige von Kaufbereitschaft oder eines Umzugs … Kundenverhalten und -wünsche haben Priorität und sollten deshalb mit Vorrang ausgespielt werden.

Top-Kunden nachhaltig begeistern

Für Kunden im Goldsegment ist die Zielsetzung zumeist einfach zu formulieren: möglichst lange als Goldkunden halten. Dazu sollte man bestens verstehen, warum diese Kunden kaufen und welche Produkte oder Services elementar dafür sind, dass der Kunde seinen Bedarf nicht bei einem anderen Anbieter deckt.

Versteht man seine Goldkunden sehr gut, lassen sich für die Zusammenstellung des Kampagnenportfolios im monetären Sinne wertvolle Optimierungen machen. Oft ist es gar nicht notwendig, einen Goldkunden stark mit Gutscheinen, Rabatten und Sonderaktionen zum Kauf zu incentivieren. Es lohnt sich die Frage zu beantworten: Welche Anerkennung wertschätzen meine Goldkunden am meisten?

Als Gedankenanstoß kommen hier kompakt Eckdaten für das Kampagnenportfolio für Kunden im Goldsegment:


In ein Portfolio für Goldkunden passen Kampagnen mit Botschaften wie:

  • Neues von uns, sie gehören zum kleinen Kreis, den wir vorab informieren/die vorab schon einmal schauen dürfen, was kommen wird.
  • Wir haben Sie ausgewählt, unser neues Angebot zu testen/unser Angebot mitzugestalten und bitten Sie um Ihre ehrliche Meinung. Sie können unser Angebot vorab bestellen, Verkaufsstart und Lieferung wird dann in zwei Monaten sein.
  • Heute wollen wir Ihnen mit einem Bild unseres Teams „Danke“ sagen. Mit Ihren Einkäufen ermöglichen Sie uns, unsere Passion für unser Angebot zu leben.

Next Best Action für die Mitte des Kundenstamms

Im Segment Silber sind Potenziale für Gold neben Kunden, die mit Silber ein individuelles Maximum erreicht haben und Potenziale, die dort nur zeitweilig sind und sich gen Bronze weiterentwickeln. Mit jeder Reaktion und Nicht-Reaktion des Kunden wird getestet, welche Maßnahmen am besten funktionieren, um das prognostizierte Entwicklungspotenzial des Kunden zu entfalten. Das bedeutet auch, dass es für dieses Segment eine Vielzahl unterschiedlicher Kampagnen gibt und dass die Anzahl für Kampagnen für das Silbersegment wahrscheinlich größer ist als für die anderen beiden Segmente.

Eckdaten für das Kampagnenportfolio im Silbersegment:



Inspiration für Botschaften und Inhalte der Kampagnen im Silbersegment:

  • Andere Produktsegmente antesten, um zu verstehen, ob der Kunde an einem ausreichend großen Teil des Sortiments Interesse hat, dass er sich auch zum Goldkunden entwickeln könnte.
  • Auf Neuerungen und zeitlich limitierte Angebote und kurzzeitig verfügbare Kollektionen aufmerksam machen.
  • Diese Kunden liefern genug Daten aus allen Phasen des Sales Funnel, um sehr gut analysieren zu können, für welche Produkte der Kunde sich in der „habe Interesse“-Phase befindet und für welche in der loyalen „Wiederkaufphase“. Die Kampagnen sollen den Kunden in der jeweiligen Phase abholen, in der er sich für ein Angebot gerade befindet.
  • Incentivierungen sollen bewusst und regelmäßig eingesetzt werden, insbesondere um Kunden in Sortimente zu führen, die er bislang noch nicht gekauft hat. Belohnen für „Neues ausprobieren“, „mehr machen“.
  • Der bedarfsorientiert kaufende Kunde: Kunde kommt regelmäßig und kauft die gleichen Produkte: Kampagnen zielen darauf ab, es dem Kunden so bequem und einfach als möglich zu machen, seine nächste Bestellung zu tätigen.

Trüffelsuche im Bronzesegment

Im Segment Bronze tummeln sich Kunden, die einfach nur sporadisch kaufen, solche, die aus den höheren Segmenten kommen und solche, deren erster Kauf noch nicht so lange her ist. Die Anzahl der Einfachkäufer stellt zumeist in jedem Kundenbestand eine große Gruppe dar. In dieser Gruppe geht es darum, effizient diejenigen zu bewerben und incentivieren, die das Potenzial haben, zu Mehrfachkäufern zu werden. Des Weiteren geht es um die Optimierung, die bestehende Quote, mit der Einfach- zu Mehrfachkäufern aktiviert wurden, zu steigern.

Eckdaten für das Kampagnenportfolio im Bronzesegment:



Ideen für die Customer Journey der Bronzekunden:

  • Früh in Kontakt bringen mit loyalisierenden Produkten. Das sind Produkte, deren Käufer im Schnitt länger aktive Kunden sind als solche, die dies nicht kaufen.
  • Inspiration senden zu den Produkten, Services und den Informationen, für die sich der Kunde bislang interessierte.
  • Nicht nur am Ende eines Artikels liegt ein Abschied, auch bei den Kunden im Bronzesegment: Bleibt der Kunde lange inaktiv, verabschiedet man sich von dem Kunden und informiert, dass nun keine weitere Werbeinformation mehr folgt.
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Über Petra Wotring

Digital Marketing Spezialistin und operativ verantwortliche Projektmanagerin bei Key-Work.

Kommentare

Maja Schneider

Wer im Rahmen des (automatisierten) E-Mail-Marketings bei seinen Kunden punkten will, muss persönlich werden – und zwar mit individuellen Inhalten und einer Ansprache auf Augenhöhe. Das geht jedoch nur mit der granularen Segmentierung der Empfänger, die auf statischen und verhaltensbasierten Merkmalen aufbaut. Kunden müssen sich wirklich erkannt fühlen, damit man als Sender nicht im Spam landet!

Jörn Bittner

Die erfolgreiche Bestandskundensegmentierung ist ein elementarer Schritt. Wer hier seine Hausaufgaben in der Zielgruppe richtig macht und vor allem überhaupt mal macht, der kommt auch leicht auf direkten Wege zum Idealbild der Customer Journey: 100% profilbasierter und individualisierter Content für noch mehr und dauerhafte Kundenbindung.

Peter Kiefer

Es ist verlockend, die eigenen Kunden nach monetären Gesichtspunkten zu segmentieren: Die Daten sind dafür oft recht einfach zu erheben.
Noch spannender ist aber die zusätzliche Segmentierung nach Konsummotivation. Kennt man diese, können die Kampagnen die zugrunde liegenden Bedürfnisse ansprechen und wirken deutlich effektiver. Hier sollte sich das Bestandsmarketing eine Scheibe von der klassischen Werbung abschneiden.

Claudio Felten

Es ist immer noch erstaunlich, wie sehr ein so fundamentales Thema wie Bestandskundensegmentierung in der Praxis auch heute noch sehr oft gar nicht oder nicht strukturiert stattfindet. Insofern bildet das Alignment der Segmentierung mit dem Kampagnenmanagement einen wichtigen ersten Schritt. Darauf aufbauend sollten im Kampagnenmanagement in einem zweiten Schritt zusätzlich zu den aufgeführten Merkmalen auch Nutzen-, Affinitäts- und Ähnlichkeitsscores verwendet werden. Zudem ist es - insbesondere im B2B - empfehlenswert, die Segmentierung für Segment-Betreuungs-, Entwicklungs- und Servicestrategien zu nutzen.

Michael Witzenleiter

Aus meiner Sicht wird einmal mehr deutlich, wie wichtig das Thema Daten für Unternehmen sein sollte. Segmentierungen wie die angesprochenen sind eine wahre Goldgrube, wenn die entsprechenden Daten vorhanden sind. Leider dürfte es in vielen Unternehmen noch daran scheitern.

Ralf Haberich

Heute kann durch Beratung im stationären Handel nicht nur die Laufkundschaft gewonnen werden, sondern auch durch kompetenten Service der Umsatz gesteigert werden. Dank Omnichannel-Konzepten, wie beispielsweise Click & Reserve und Click & Collect kündigen sich Kundinnen und Kunden bereits im Vorfeld an. So haben Berater die Chance, sich auf ein Verkaufsgespräch vorzubereiten. In dem Moment, in dem die Artikel zur Abholung bereit sind, lassen sich in der Filiale direkt Cross- und Upselling-Produkte positionieren, um mehr Umsatz zu generieren. Die dazu erforderliche Omnichannel-Lösung muss benutzerfreundlich und intuitiv bedienbar sein. So erkennt das Team in der Filiale schnell den Mehrwert digitaler Kundenprozesse. Denn sie erfahren bereits vor dem Besuch mehr über ihre Kundschaft und können diese besser und proaktiver beraten sowie – nach einem kurzen Blick auf die Bestellhistorie – auch auf andere nicht-kommunizierte Kundenwünsche eingehen.