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Deshalb funktioniert Marketing Automation nicht

Damit Sie über den Einsatz von Marketing Automation umfassender entscheiden können, dient diese Aufzählung von möglichen Stolpersteinen.
Michael Kornfeld | 20.01.2023
Weshalb Marketing Automation nicht funktioniert © Freepik
 

Zugegeben: Der Titel dieses Artikels ist etwas reißerisch. Natürlich gibt es Szenarien, bei denen Marketing Automation Sinn macht. Doch bei all der Begeisterung für die neuen Möglichkeiten werden oft gewichtige Nachteile übersehen. Hier finden Sie eine Liste von möglichen Stolpersteinen, damit Sie über den Einsatz von Marketing Automation umfassender entscheiden können.

 

1. Ausnahmen sind die Regel.

Marketing Automation ist großartig, wenn es darum geht, ständig die gleichen Abläufe zu wiederholen.

Doch in der Praxis sind die Abläufe nun einmal nicht immer so uniform: Kunden machen von Ihrem Rückgaberecht Gebrauch, tauschen ein Produkt gegen ein anderes aus, oder sie sind unzufrieden und beschweren sich beim Customer Service.

In all diesen Fällen darf kein „Wir hoffen Sie sind zufrieden!“ Mail verschickt werden (um nur ein Beispiel zu nennen). Doch genau das passiert immer wieder – und sorgt dann für Unmut.

 

2. Es gibt (zu) viele Kanäle.

Die modernen Tools können viele Kanäle abdecken: Website, E-Mail, Social Media, vielleicht auch Print. Doch es gibt noch zig weitere Möglichkeiten für einen Interessenten oder Kunden, um mit Ihnen in Kontakt zu treten.

So kommt in es in der Praxis immer wieder vor, dass die Beschwerde am Telefon nicht in der Software erfasst wird, genau so wenig wie der persönliche Besuch eines Beraters.

Und dann werden Botschaften verschickt, die nicht zu dem Status des Kunden passen.

 

3. Die Systeme sind (noch) nicht clever genug.

Sie haben eine Reise nach Amsterdam gebucht und bekommen dennoch danach wiederholt Werbung für Reisen in die Niederlande? Oder haben sich rote Sneakers gekauft und werden überall danach mit genau diesen Schuhen konfrontiert?

Dann wurde zwar Ihr Interesse für diese Produkte erfasst, nicht aber deren Buchung. So bekommen Sie also Werbung für ein Produkt, das Sie schon gekauft haben. Oder es gibt im Newsletter einen Hinweis auf einen Artikel weiter unten, der jedoch bei manchen Empfängern ausgeblendet wird.

Das sorgt im besten Fall für Irritationen – im schlechtesten Fall kostet es unnötig Geld.

 

4. Die Systeme sind cool, aber teuer und komplex.

Hubspot, Marketo, Salesforce & Co. sind überaus mächtige Werkzeuge, kein Zweifel.

Doch sie sind – vor allem für KMUs – eine beachtliche Investition, die man erst einmal zurückverdienen muss.

Und die Tools sind – im Gegensatz zu den Versprechungen der Hersteller – überaus komplex. In der Praxis führt das dazu. dass die Systeme oft nur unzureichend konfiguriert sind (und damit aber ihren Zweck nicht gut erfüllen können), dass Benutzer frustriert sind und/oder dass viel Zeit für Trainings, Schulungen und (externe) Berater investiert werden muss.

 

5. Der laufende (!) Aufwand für Content wird unterschätzt.

Die Basis für erfolgreiche Marketing Automation ist guter Content. Denn die Newsletter wollen befüllt werden und die Social-Media-Kanäle müssen regelmäßig mit Neuigkeiten versorgt werden.

Doch guter Content wächst nicht auf den Bäumen, sondern muss erst entwickelt (oder teuer zugekauft werden). Die meisten Unternehmen unterschätzen den Bedarf an Ressourcen dafür massiv – doch dann funktionieren viele Automatisierungs-Abläufe nicht mehr richtig.

 

6. Schlechte Prozesse werden institutionalisiert.

Wirklich gute Prozesse in der Marketing- und Vertriebswelt entstehen nicht am Reißbrett. Sie entwickeln sich, denn die Organisation verändert sich kontinuierlich und durch Lernerfahrungen werden Abläufe immer weiter verbessert.

Doch wenn ein Prozess in der Marketing Automation Software einmal definiert und eingerichtet wurde, dann läuft er. Punkt. Nur sehr selten werden hier dann Verbesserungen vorgenommen. Auf diese Weise werden jedoch sub-optimale Abläufe institutionalisiert.

 

7. Das Problem ist auch vor dem Bildschirm.

Unsere Welt ist unheimlich dynamisch. Situationen verändern sich, Rahmenbedingungen ebenfalls. Neue Produkte entstehen, andere werden wieder vom Markt genommen.

Viele Änderungen müssen daher auch in den definierten Abläufen in der Marketing Automation Software vorgenommen werden.

Wer als Danke-schön für eine Bestellung einmal einen (automatisierten) Gutschein bekommen hat, der seit 2 Jahren abgelaufen ist (oder den Hinweis auf ein Whitepaper, das es gar nicht mehr gibt), der weiß, was ich meine.

Das soll gar kein Vorwurf an die Benutzer sein. In der heutigen hektischen Welt ist es schwierig, bei allen Neuerungen und Änderungen auch daran zu denken, die Marketing Automation Systeme ständig zu aktualisieren. Vom laufenden Aufwand dafür mal ganz zu schweigen.

 

8. Bestehende Datensilos sind der Widerspruch zu Marketing Automation.

Erfolgreiche Marketing Automation ist auf eine gute Datenbasis angewiesen. Und das setzt wiederum eine zentrale (!) Datenbank voraus.

Doch in der Praxis läuft das nicht so. Denn in den Unternehmen gibt es viele Daten-Silos, von abteilungs-internen Datenbanken bis zu Excel-Listen auf den Laptops einzelner Mitarbeiter.

Wenn diese Daten aber nicht zentralisiert wurden, kann die Software nur mit unvollständigen oder gar falschen Informationen arbeiten.

Solche Daten-Silos aufzubrechen und zu zentralisieren klingt in der Theorie simpel, ist in der Praxis allerdings unendlich schwierig durchzusetzen.

 

9. Der Markt ist unübersichtlich.

Es ist nicht einfach, sich für das „richtige“ Tool zu entscheiden. Der Markt ist sehr groß und das Angebot unübersichtlich. Ein Vergleich ist hier selbst für Experten nicht immer einfach.

Dazu kommt, dass der Markt von amerikanischen Anbietern dominiert wird, die scheinbar wenig Veranlassung sehen, ihre Systeme an die spezifischen Anforderungen von europäischen Unternehmen anzupassen.

Das macht die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften (z.B. E-Commerce-Gesetz) jedoch schwierig und manchmal gehen die Features an den Bedürfnissen der europäischen Kunden vorbei.

 

10. Datenschutzrechtlich (sehr!) problematisch.

Last, but not least: Um Verhaltensdaten einzelner Kunden bzw. Interessenten sammeln zu dürfen, wird laut DSGVO eine rechtliche Grundlage benötigt.

In der Praxis wird das meist eine Zustimmung der Betroffenen sein müssen, da oft keine rechtliche Vereinbarung (z.B. Kundenvertrag) vorliegt, in dem das geregelt wäre, und auch das „berechtigte Interesse“ ist nur schwer zu argumentieren.

Damit dürfen jedoch personenbezogene Verhaltensdaten – also das Kernstück jedes Marketing Automation Systems – erst gar nicht erhoben werden! Und die Nutzung ist damit unzulässig.

Dazu kommt, dass der Einsatz von amerikanischen Tools – und fast alle „großen“ Anbieter kommen nun mal aus den USA – nach dem Ende des Privacy Shield Abkommens nach Meinung der meisten Datenschutz-Experten nicht zulässig ist.

Damit befindet sich ein Unternehmen jedoch im rechtlichen Graubereich (um es sehr positiv zu formulieren). Von der negativen Außenwirkung auf die Betroffenen ganz zu schweigen.

 

FAZIT: Drum prüfe, wer sich lange bindet.

Die Entscheidung für eine Marketing Automation Software ist langfristig. Es ist eine beachtliche Investition notwendig, es werden laufende Ressourcen benötigt und es gilt, viele Stolpersteine zu vermeiden.

Ist damit Marketing Automation sinnlos? Nein, natürlich nicht. Wenn man das Projekt durchdacht und professionell angeht, lassen sich daraus viele Vorteile erzielen.

Doch ob die Vorteile die Nachteile überwiegen, sollte sich jedes Unternehmen wohl gut überlegen.