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Direktmarketingcontrolling

Im Marketing wurden ursprünglich grobe Instrumente durch immer zielpersonengenauere Instrumente ergänzt und ersetzt. (Buchbeitrag)
Jürgen Bruns | 13.11.2008
Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Dialog-Marketing

http://www.marketing-boerse.de/Info/details/LeitfadenDM

http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3000239251/absolit/028-2842597-1070167/absolit


Der Übergang vom Massenmarketing über das Zielgruppenmarketing zum Direktmarketing kennzeichnet die zunehmende Ausrichtung des Marketing vom Gesamtmarkt über Marktsegmente auf den Einzelnen – sei es der private Endverbraucher oder der Einzelne in seiner jeweiligen Funktion in einem Unternehmen (Rolle im Buying Center).

Ähnlich wie in der Medizin, wo das Skalpell durch Laser und Mikrochirurgie weitgehend abgelöst wurde, wurden im Marketing ursprünglich grobe Instrumente durch immer zielpersonengenauere Instrumente ergänzt und ersetzt.

So ist eine Entwicklung von zum Beispiel Massenprodukten über Produktvarianten für bestimmte Zielgruppen hin zu individuell gestalteten Produkten im Rahmen der Mass Customization zu beobachten. Aus dem einstigen unveränderbaren TModell von Ford (Tin Lizzie) sind Pkws geworden, von denen heute aufgrund der zahlreichen Wahlmöglichkeiten der Ausstattung kaum noch zwei Autos vollkommen identisch sind. Aus der Massenwerbung wurde eine Werbung, die über ausgewählte Werbeträger bestimmte Zielgruppen zu erreichen suchte. Inzwischen werden „punktgenau“ Zielpersonen zum Beispiel durch Mailings oder E-Mails angesprochen.

Diese Entwicklung war nur möglich, weil die Marktkenntnisse ständig ausgeweitet und verfeinert wurden. Das Database-Management erlaubt heute die Sammlung und vor allem die Verknüpfung und Selektion – im Rahmen von SQL, OLAP oder Datamining – immer größerer Datenmengen. Aus einer ursprünglich globalen, undifferenzierten Information über die Größe eines Marktes (zum Beispiel Anzahl der potenziellen Verbraucher, Gesamtabsatz in einer Periode) wurde die Information über das Marktpotenzial genau definierter Zielgruppen (zum Beispiel berufstätige Frauen im Alter von 20 bis 30 Jahren, die in Großstädten leben). Die heutigen Kenntnisse über die einzelne Zielperson, ihre Wünsche, Bedürfnisse, Einstellungen, Motive oder ihr Kaufverhalten erlauben zunehmend eine Vertiefung der Marktsegmentierung zur mikrogeografischen Segmentierung (Individualsegmentierung oder Segment-of-One). [1]

Die Entwicklung der individuell ausgerichteten Instrumente im Direktmarketing ging einher mit einer „Schärfung“ der Controlling-Instrumente. Das Controlling kann seine Aufgaben der Analyse, Planung, Steuerung und Kontrolle der Unternehmensaktivitäten – hier der Marketing-Aktivitäten – nur wahrnehmen, wenn es individuelle Ziele präzise zu formulieren hilft, die Erfolge des Instrumentaleinsatzes genau misst und individuelle Zielabweichungen im Rahmen einer Prozessanalyse zu analysieren hilft.


Direktmarketing-Controlling sagt „was“ und „wie“ gemessen werden muss

Der Aufbau eines Customer Relationship Management (CRM) kann nur unter Einbeziehung des Controllings – und zwar von Anfang an – erfolgreich sein. Die Kundenorientierung des CRM beinhaltet:

- die Gewinnung neuer Kunden,
- die Ermittlung des Kundenwertes,
- die Erfassung der Kundenbedürfnisse,
- die kundenorientierte Ausrichtung des Leistungsangebots,
- die Ermittlung der Kundenzufriedenheit,
- die Kundenbindung,
- eventuelle Maßnahmen zur Kundenwiedergewinnung.

Das CRM legt den Schwerpunkt auf die Behandlung des Kunden. Das Direktmarketing legt hingegen den Schwerpunkt auf die Instrumente (tools). Das CRM sagt, was man tun sollte, das Direktmarketing sagt, wie man etwas tun sollte [2]. Dem Controlling kommt in diesem Prozess die Aufgabe zu, dem Marketing geeignete Zielgrößen vorzugeben, die eine Messung und Zurechnung des Erfolges ermöglichen. (If you cannot measure it, you cannot manage it). Als Beispiele für solche Zielgrößen sollen exemplarisch herausgegriffen werden:

- Kundenwert und
- Kundenzufriedenheit.


Beispiel: Kundenwert

Der Kundenwert ist eine zentrale Kennzahl und damit eine zentrale Steuerungsgröße im Direktmarketing [3]. Der gegenwärtige und vor allem der zukünftige Wert eines Kunden bestimmt die Intensität und das Budget mit der sich ein Unternehmen der Pflege eines Kunden widmet. Geeignete Größen zur Messung des Kundenwertes sind

- Lifetime Values (LTV),
- Scoring-Modelle (RFMR- oder FRAT-Modelle),
- Portfolio-Ansätze,
- Individuelle Kunden-Deckungsbeitragsanalysen.

Gerade das letzte Beispiel einer Kunden-Deckungsbeitragsrechnung zeigt, dass das Controlling bereits frühzeitig die Weichen dafür stellen muss, dass Informationen über einzelne Kunden so erhoben werden, dass eine spätere kundenindividuelle Erfolgsermittlung möglich ist.


Beispiel: Kundenzufriedenheit

Die Kundenzufriedenheitsanalyse dient der Überprüfung inwieweit es einem Anbieter gelungen ist, die Kundenbedürfnisse zu befriedigen. Die Kundenzufriedenheit ist abhängig

- von den Kundenwünschen, -erwartungen und -erfahrungen,
- von der Kenntnis und Beurteilung der auf dem Markt befindlichen Wettbewerbsprodukte,
- von der Wahrnehmung und Beurteilung des eigenen Leistungsangebots.

Dem Controlling fällt hier die Aufgabe zu, sicherzustellen, dass messbare und zurechenbare Größen erfasst werden, die die spätere Ermittlung eines Kundenzufriedenheitsindex erlauben. Abbildung 2 (siehe Buch) zeigt, wie die Ermittlung der Zufriedenheit mit einem Pkw-Modell aussehen könnte.


Controlling als Basis für integriertes Kundenmanagement

Die angesprochenen Konzepte zur Messung des Kundenwertes oder der Zufriedenheit, die ergänzt werden können um Kennzahlen zum Beschwerdemanagement, zur Kundenbindung oder Kundenrückgewinnung lösen einzelne Problemstellungen im Management einer Kundenbeziehung. Ihr volles Potenzial können sie aber erst entfalten, wenn sie im Rahmen eines integrierten Ansatzes zum Kundenmanagement zum Einsatz kommen [4].

Ein Kundenmanagement-Kennzahlensystem der Zukunft wird sich dabei auf folgende Bereiche, die als zentrale Erfolgsfaktoren angesehen werden können, stützen:

- Kennzahlen über die Eigenschaften des Kunden,
- Kennzahlen über den Instrumentaleinsatz,
- Kennzahlen über die Ausprägung unternehmensinterner Leistungsprozesse.

Diese Kennzahlensysteme sind miteinander und mit Informationen zur Umwelt und zum Wettbewerb zu verknüpfen. Die Kompetenzen der Mitarbeiter (Motivation, Kundenorientierung, Ergebnisorientierung, Qualifikation) sollten ebenso einfließen.

Mit der Individualisierung der Kundenbearbeitung ist die Einführung eines Direktmarketing-Controllings unerlässlich. Es muss dafür Sorge tragen, dass Zielgrößen implementiert werden, die später messbar sind und es erlauben, den Kundenerfolg den eingesetzten Marketing-Instrumente zuzurechnen. Dies erfordert die Einflussnahme auf die in einer Kundendatenbank zu erfassenden Informationen und auf die Auswahl der Instrumente zur Verarbeitung der gespeicherten Daten.

Wenn dies beachtet wird, wird das Controlling ein wirksames Steuerungsinstrument im Direktmarketing sein.


Literatur

[1] Bruns J.: Direktmarketing. – Kiehl Verlag, Ludwigshafen, 2. Aufl., 2007.
[2] Bruns J.: Direktmarketing und CRM – Unterschiedliche Blickrichtungen auf den Kunden. – In: Direktmarketing, S. 42, Mai 2007.
[3] Heinrich H.: Direktmarketing-Controlling. – In: Weiterbildung. – One-to-One Book, Ausgabe 6, S. 77.
[4] Buxel H.: Gestaltung von Kundenmanagement-Kennzahlensystemen. – In: Symposion, Digitale Fachbibliothek, 2008.