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Es gibt keine implizite Markenführung

Es gibt keinen verständigen Einblick in daas Hirn des Konsumenten durch Neuromarketing. Jede Hausfrau hat mehr Psychologie drauf!
Klaas Kramer | 18.09.2009
Theorie-Budenzauber
Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Manche Markenberater arbeiten nach dieser Devise und ontologisieren wider besseren Wissens munter weiter. Sie wissen, dass ihre Modelle auf hahnebüschender Theorie beruhen. Wenn nun aber deren Ansprechpartner auf Kundenseite gar nicht an erfolgreicher Markenführung interessiert sind, sondern ihrem Chef Kennzahlen vorlegen müssen, spielen sie das Spiel mit. Allen Beteiligten ist dieser Budenzauber bewusst, aber keiner redet Tacheles.
Absurd, denn erwiesenermaßen haben Controller noch weniger Respekt vor den Marketingmanagern, die versuchen, weiche Faktoren auf abenteuerliche Wege in harte Kennzahlen zu pressen. Ingenieure und naturwissenschaftlich gebildete Menschen verdrehen regelmäßig die Augen, wenn ihnen nicht exakt Messbares mit einem Modelltheater oberflächlicher Erklärungsprinzipien dargeboten wird. Kein Wunder, dass das Marketing seinen Ruf als erbärmliche Pseudowissenschaft einfach nicht los wird.
Anstatt sich als harte Zahlen- und Faktentypen profilieren wollen, sollten sich Marketingmanager auf deren Kernkompetenz des Managements weicher Faktoren konzentrieren. Sie müssen souveräne Markenmanager werden.

GfK misst jetzt Emotionen
Der Volksmund sagt nicht umsonst wer viel misst misst Mist.
Nicht neu, aber dafür ganz oben angebunden, nämlich bei der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ist ein neues Marktforschungs-Instrument: der Emo Sensor. Als universitärer Partner bot sich dafür hervorragend das von Werner Kroeber-Riel aufgebaute Institut für Konsum- und Verhaltensforschung der Universität des Saarlandes an. Emo-Sensor kommt in der Marken- und Kommunikationsforschung zum Einsatz. Nach einem Markenkontakt (Produkt oder Werbung) sollen Testpersonen aus 22 Bildern auswählen, welche ihren Gefühlszustand am ehesten beschreiben. Aus der Auswahl der Bilder werden dann Rückschlüsse auf die emotionale Wirkung des Markenkontaktes gezogen. Neu ist weder die Forschungsmethode, noch die theoretische Basis. Neu ist, dass sich Institutionen von Rang und Namen auf einen Standard geeignet haben.

Die Sache mit den Consumer Insights
Consumer Insights ist eine schöne Formel, die vorgaukelt, man hätte einen verständigen Einblick in das Gehirn des Menschen und könne seine geheimen Kaufmotive entschlüsseln.
Hirnforscher, die sich der Karriere wegen für populistisches Neuromarketing hergeben, versuchen mit ihren Hirnfotografien zu beeindrucken, auf denen aktive Areale farbig eingezeichnet sind. Es ist, als würde man vom Stromverbrauch eines Computers auf dessen Datei-Inhalte schließen wollen.
Ein Werbespot von Bitburger kann im Kernspintomographen Hirnregionen zur verzückten Erregung bringen und einen unbändigen Bierdurst erzeugen. In der Kneipe, wenn Sie auf den Kommentar von Günter Netzer warten, ein Bitburger Werbespot Ihre Geduld noch einmal auf eine harte Probe stellt, dann erzeugt das eher Frust und Abneigung gegen diese Störerei. Ob Sie damit über das Unbewusstsein die ungestützte Bekanntheit von Bitburger erhöht haben, ist sehr zweifelhaft. Die meisten Leute würden nach der Fußballübertragung sagen, sie hätten einen Werbespot von Krombacher gesehen. Oder ist es nur das trügerische Bewusstsein, was da antwortet? Vergessen Sie das. Wie Werbung wirkt, ist vom kulturellen Rahmen abhängig. Auf den Kontext, in dem etwas wahrgenommen wird, haben Sie wenig Einfluss.
Mitunter wird Markenbildung falsch übersetzt als Branding im Sinne von im Gehirn einbrennen. Aufs Unbewusste abzielende Penetrationswerbung basiert auf der unzutreffenden Metapher, das Gehirn sei ein Speicherorgan. Das Gehirn ist aber keine passive Festplatte, auf der Engramme (Eindrücke) abgespeichert werden. Von Engrammen sprechen nur noch Scientologen.
Das Gehirn und unser gesamtes Nervensystem ist operativ geschlossen. Über unsere Sinnesorgane werden Reize verarbeitet. Keiner kann von Außen Gedanken oder Gefühle zielgerichtet beeinflussen.

Verführung ist niemals geheim
Implizite Markenführung argumentiert, alle Markeneindrücke müssen sorgsam gestaltet werden, weil sie auch unbewusst wirken. An der Forderung ist prinzipiell nicht Falsches. Sie setzt nur nicht am wichtigsten Hebel der Markenführung an: Der Anteil der planmäßig gestaltbaren Markenkommunikations-Angebote nimmt kontinuierlich ab.
Ein unbewusstes Verarbeiten von Markenbotschaften gibt es nicht. Das soll nicht heißen, dass das Gehirn nicht unbewusst arbeitet, das tut es größtenteils. Es ist nur naiv zu glauben, dass Markenkommunikation auf das Unbewusste determinierter abzielen kann als auf das Bewusste. Das Argument, es wäre ja das kritische Bewusstsein übergangen, ist schon zu Kroeber-Riel-Zeiten nicht haltbar gewesen. Gern wurde es der Verkaufsförderung von Werbung und Markenforschung angeführt. Auf Unternehmensseite konnte man mit psychologischem und neurobiologischem Nichtwissen rechnen.
Alle seriösen Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft bestätigen die Haltlosigkeit solcher Konzepte. Die geheimen Verführer waren ein PR-Gag des Motivforschers James Vicary in den 1950er Jahren.

Was ist denn implizit?
Implizit ist das, was nicht direkt messbar ist. Auf das Implizite können Sie nur schließen. Die Formel implizite Markenführung ist im besten Sinne des Themas hirnrissig.An der Markenführung als Managementaufgabe (in erster Linie Selbstmanagement) wird explizit, was durch Beschreibung eine Reflexionsschleife durchläuft: analytische Vorbereitung und Rechtfertigung von Entscheidungen in Form von trivialisierenden Modellen. Die Entscheidungen selbst bleiben implizit.Wenn Markenführung heißen soll wir führen die Marke im Gehirn des Menschen ein, dann ist das schon deshalb Unsinn, weil auch der Marken(ein)führer im Sinne der Neurobiologie keine rationale Kontrolle über seine Entscheidungen hat. Er selbst ist genauso unfrei von seinen emotionalen Entscheidungen wie der Konsument.
Jeder Mensch trifft seine Entscheidungen unbewusst und emotional. Durch Reflexion können Entscheidungen rationalisiert und in Frage gestellt werden. Aber auch das beruht wiederum auf emotionalen Entscheidungen. Nur weil jemand Gehirnaktivitäten auf einem Bild darstellt, ist er nicht im höheren Maße in der Lage, die Entscheidung eines anderen zu manipulieren als jeder andere Mensch auf der Welt.

Einfach ausgedrückt: Die Manipulation des Unbewussten ist ein Märchen. Die Leute aus der Werbung und im Neuromarketing tun und wissen genauso viel bzw. genauso wenig wie jeder andere Mensch, der in seinem Privatleben seinen Mitmenschen schmeichelt, sie mitreißt oder auf die Palme bringt.