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Fair verhandeln – und trotzdem gewinnen

Von Spieltheoretikern können wir lernen. Sie haben Strategien entwickelt, die im Unternehmen wertvolle Impulse für den Geschäftserfolg bieten.
Ulf D. Posé | 18.05.2015
Fair verhandeln – und trotzdem gewinnen
Wir wollen im Leben am liebsten gewinnen. Leider fehlen uns manchmal die richtigen Strategien. Wir überlassen Entscheidungen viel zu oft unseren Neigungen, Emotionen oder gar dem reinen Zufall. Manches Mal denken wir auch einfach nur zu kurz. Trotz bester Absichten laufen daher nicht wenige Verhandlungen schief, geraten aus dem Ruder. Bei der Nachbetrachtung ist oft nicht klar, woran es gelegen haben könnte. Meistens werden die Fehler in der Argumentation vermutet, zumeist liegt es jedoch an der falschen Strategie.
Die meisten Gespräche werden argumentativ, nicht jedoch strategisch vorbereitet. Das liegt in aller Regel nicht am fehlenden Willen, sondern an fehlender Kenntnis über strategische Möglichkeiten. Dabei ist das Feld der Strategien sehr gut bestellt. Es ist die Spielwiese der Spieltheoretiker. Obwohl die Wissenschaft der Spieltheorie sich intensiv und kompetent seit Jahrzehnten um die Möglichkeiten des optimalen Verhandelns gekümmert hat, sind die Erkenntnisse daraus selten in die Wirtschaftspraxis übersetzt worden. Der Hauptgrund dafür? Es scheint an den aufwändigen Rechenoperationen zu liegen, die durchgeführt werden, um die bestmögliche Strategie festlegen zu können.

Interessant wird Spieltheorie für Unternehmen dann, wenn die Erkenntnisse der Spieltheorie auf die Wirtschaft übertragen werden, ohne die langwierigen Rechenoperationen durchführen zu müssen. Der Schlüssel dazu ist, die Rechenoperationen in Regeln zu übersetzen. Sehr gut gelungen ist das den beiden US-amerikanischen Professoren Adam Brandenburger (Stern Business School) und Barry Nalebuff (Yale School of Business). Mit der Grundidee der Coopetition (zusammengesetzter Begriff aus Kooperation und Konkurrenz) haben sie Erkenntnisse der Spieltheorie auf die Praxis des Geschäftslebens angewandt und zu einem vollständigen System ausgebaut, wie in ihrem gleichnamigen Buch nachzulesen ist. Aber Brandenburgers und Nalebuff´s Erkenntnisse sind nicht die einzigen Ansätze, spieltheoretische Regeln zu ermitteln und sie der Wirtschaft für Verhandlungen als strategische Möglichkeiten anzudienen.

Was aber ist Spieltheorie?
Spieltheorie geht auf den Anfang des Zweiten Weltkriegs zurück. Damals entdeckte die britische Marine, dass die Abwehr deutscher U-Boote besser möglich war, wenn man Piloten und Schiffskapitäne nicht zufällig agieren ließ. Durch spieltheoretische Konzepte verbesserte sich die Trefferquote der britischen Akteure.
Im Geschäftsleben herrschen zwar keine Kriegszustände, auch wenn das manche Unternehmensführer meinen, jedoch lassen sich durch die richtigen Vorüberlegungen die Erfolgschancen enorm erhöhen. Die Spieltheoretiker haben haufenweise Strategien entwickelt, die sicherstellen, dass man sehr gute Chancen hat, auf eine faire Art zu gewinnen. Spieltheorie ist eine Theorie, die sich mit den Entscheidungen in Situationen beschäftigt, in denen das Ergebnis nicht von einem Entscheider allein abhängt, sondern durch das Zusammenwirken von mehreren Entscheidern entsteht.
Nun ist Spieltheorie kein neues Thema. Allerdings werden überwiegend das Gefangenendilemma und Professor Rappaports Tit for Tat als Beispiele genannt. Da diese Beispiele fast schon zum Allgemeinwissen gehören, sei auf ihre Darstellung hier verzichtet, um andere, sehr erfolgreiche Strategien auf ihre Unternehmenstauglichkeit einmal zu überprüfen.
Die Mutter aller Strategien - das Nash-Gleichgewicht
Der wohl bedeutendste aller Spieltheoretiker ist der Amerikaner John Nash, der sich auf die Suche nach bestmöglichen Strategien befasste. Er bekam nicht nur den Nobelpreis für seine Überlegungen, sondern ist auch der Erfinder des Nash-Gleichgewichts.
Das Nash-Gleichgewicht beschreibt einen Zustand eines strategischen Gleichgewichts. Keine der am Spiel beteiligten Personen kann für sich einen Vorteil dadurch erzielen, dass er einseitig von der vorgegebenen Strategie abweicht. Das ist eines der grundlegenden Lösungskonzepte der Spieltheorie.
Machen wir es einmal an einem Beispiel deutlich.
Sie stehen im Wettbewerb mit anderen Unternehmen, und wollen Ihre Chancen am Markt optimieren. Sie sind neu im Markt, Ihr Wettbewerb ist alteingesessen. Dazu müssen Sie sich natürlich im Markt engagieren. Ihr Engagement kann gering, mittel oder stark sein.
Um herauszufinden, wie Sie sich im Markt behaupten können, haben Sie sich mit Ihrem Wettbewerb zusammengesetzt, und gemeinsam verabredet, dass Sie beide sich nur gering am Markt engagieren, damit für beide der Gewinn hoch ist. Wenn Ihnen das gelingt, dann haben Sie beide Ihren Gewinn maximiert. Aber ist das in der Wirklichkeit des Marktes möglich? Das Kartellamt käme Ihnen wahrscheinlich sehr schnell auf die Schliche. Und selbst wenn Sie ein Kartell bilden, würden Sie nicht trotzdem versuchen, das Beste für Sie heraus zu holen? Und würde Ihr Wettbewerb nicht ebenfalls versuchen, besser abzuschneiden, als Sie?
Geben wir einmal den verschiedenen Möglichkeiten einen Wert. Angenommen, beide Marktteilnehmer würden sich sehr gering engagieren, dann würde jedes Unternehmen 18 Millionen am Markt verdienen können. Würde sich Ihr Wettbewerb stark engagieren, und Sie würden sich gering engagieren, dann wäre die Erfolgschance folgendermaßen: Ihr Wettbewerber würde 21 Millionen Gewinn erwirtschaften, und Sie bekämen 10 Millionen. Würden Sie sich mittelmäßig engagieren, und Ihr Wettbewerber ebenfalls mittelmäßig, dann würden Sie als Neueinsteiger in den Markt 15 Millionen Gewinn erwirtschaften, Ihr Wettbewerb als alteingesessener Produzent 19 Millionen Euro.
Da Sie meinen, besonders clever zu sein, hoffen Sie, dass Ihr Wettbewerb die gemeinsame Verabredung, sich gering zu engagieren, einhält. Sie allerdings engagieren sich von vorn herein sehr stark im Markt. Und bevor der andere es merkt, haben Sie 21 Millionen abgesahnt, Ihr Wettbewerb nur 10 Millionen.

Engagement auf dem Markt:
Ihr Wettbewerb:
Ihr Unternehmen: a (gering) b mittel) c (stark)
1 (gering) (18,18) (15,19) (10,21)
2 (mittel) (19,15) (16,16) (11,15)
3 (stark) (21,10) (15,11) (9,9)

Nur wenn wir davon ausgehen können, dass sich der andere an die (verbotene) Vereinbarung hält, ist die erste Spalte der Tabelle für uns relevant. Wir können also wählen, ob wir lieber einen Gewinn von 18, 19 oder 21 machen möchten. Klar wollen wir den höchsten Gewinn, und verletzen die Absprache. Wir wählen Strategie Nr. 3 und erhalten 21 Millionen. Strategie 3 ist damit beste Antwort auf Strategie a.
Sollte unser Wettbewerb sich stark engagieren, also Strategie C wählen, wäre es am besten für uns, Strategie 2 zu wählen. Wir bekommen dann zwar weniger als unser Wettbewerb, jedoch mit 11 Millionen immer noch mehr als mit Strategie 1(10 Millionen) oder 3 (neun Millionen). Da unser Wettbewerb wahrscheinlich genauso clever ist wie wir selbst, ist die Strategie 1 immer falsch, ebenso die Strategie Nr. 3. Denn falls unser Wettbewerb annimmt, wir würden uns an die Strategie halten, uns nur gering zu engagieren, wird er uns mit seiner Strategie c (starkes Engagement) über den Tisch ziehen wollen.
Allein an diesem Beispiel können wir sehen, dass Kartellabsprachen oft nur den Betrug unterstützen. Das gilt nicht nur für dieses Beispiel, das trifft ebenfalls auf die meisten anderen Strategiekombinationen zu.
Ein Unternehmer, der klug überlegt, findet ziemlich leicht heraus, dass es eine optimale Strategie gibt, es ist die Strategie 2 oder für den Wettbewerb die Strategie B. Warum sind diese beiden Strategien das Beste für beide? Das entsteht durch die Verhältnismäßigkeit. Die Strategie B (gleiches gilt für Strategie 2), erwirtschaftet entweder 19 oder 16 oder 11 Millionen. Die Strategie 1 (gleiches gilt für Strategie a), erwirtschaftet entweder 18, 15 oder 10 Millionen. Die Strategie 3 (oder C) erwirtschaftet entweder 21 oder 15 oder 9 Millionen. Das Fazit: in zwei von drei Fällen ist die Strategie B (oder 2) den beiden anderen Strategien im Gewinn überlegen. Damit ist B (oder 2) die beste Strategie. Sie führt zwar nicht zum Höchstgewinn, jedoch ist mit dieser Strategie das Optimum möglich. Das ist das Nash-Gleichgewicht.

Die dominante Strategie
Damit stellt sich die Frage nach der richtigen Strategie. Für alle Arten von Strategien gilt: die richtige Strategie ist immer eine dominante Strategie, keine dominierte. Aber woran erkenne ich, ob eine Strategie dominant ist oder dominiert ist? Das vorherige Beispiel hat uns schon angedeutet, was eine dominante Strategie ist.
Mit einer dominanten Strategie haben wir einen wichtigen Filter, der hilft, groben Unfug bei Unternehmensentscheidungen zu vermeiden.
Wer kennt den Spruch nicht: „Lieber reich und gesund als arm und krank.“ Das ist ein sprichwörtliches Beispiel für eine dominante Strategie. Im Geschäftsleben gibt es nicht nur Konkurrenz unter den Marktteilnehmern, sondern auch Konkurrenz im Unternehmen selbst. Wir stecken in Zielkonflikten. Wir müssen abwägen und entscheiden. Worauf sind wir bereit zu verzichten, damit wir etwas erreichen? Entweder wir engagieren uns in Polen oder in Tschechien; entweder wir produzieren Tischdecken oder Kissen; beides zugleich geht nicht. Die Frage ist also: auf wie viel von der einen Sache sind wir bereit zu verzichten, um von der anderen Sache etwas zu erhalten? Wenn wir beides bekommen können, finden wir das super, wenn das nicht möglich ist, sind wir enttäuscht. Das ist der Hinweis auf eine dominante Strategie. Was aber ist eine dominante Strategie? Dominant ist eine Strategie immer dann, wenn die dominierte Strategie nie besser ist, aber mindestens einmal schlechter.
Dieses Kriterium ist sehr hilfreich, verhindert es doch, dass wir uns von Strategien in die Irre leiten lassen. Wer eine dominierte Strategie für attraktiv hält, entscheidet sehr unvernünftig. Das Beste ist, dominierte Strategien zu vergessen, nicht zu beachten, gleichgültig, wie toll man sie findet. Woran erkenne ich nun, dass eine Strategie dominiert wird? Ganz einfach, dominiert ist eine Strategie immer dann, wenn Sie niemals besser ist als eine andere Strategie, jedoch mindestens einmal schlechter als eine andere Strategie. Damit ist eine dominierte Strategie immer zu streichen, gleichgültig, wie attraktiv sie erscheint. Damit haben Sie schon eine recht hilfreiche Antwort auch für das vorherige Beispiel.
Die Strategie zu retropolieren statt zu extrapolieren
Die meisten Menschen gehen vorwärts statt rückwärts, auch im Denken. Das nennt man extrapolieren. Die Unternehmensentwicklung wird einfach fortgeschrieben. Spieltheoretiker denken hier anders. Sie retropolieren. Machen Sie es genauso. Nehmen Sie Ihre derzeitige Unternehmenssituation. Stellen Sie sich nun den zukünftig bestmöglichen Zustand vor. Normalerweise fragen wir uns: Wie komme ich dahin? Was muss mein nächster Schritt sein, damit ich mein Ziel erreiche? Genau das tun Sie ab heute nicht mehr. Stellen Sie sich vor, Sie haben Ihr Ziel erreicht. Nun gehen Sie von dort aus auf den Schritt zu, der als letzter Schritt getan werden muss, damit der bestmögliche Zustand sicher gestellt ist. Was ist genau der letzte Schritt zu diesem Ziel gewesen? Dann überlegen Sie, welchen Schritt müssen Sie vor dem letzten Schritt gegangen sein, damit der letzte Schritt möglich ist. Jetzt haben Sie den vorletzten Schritt ermittelt. Nun prüfen Sie, welchen Schritt Sie getan haben müssen, damit der vorletzte Schritt möglich ist, und so weiter. So kommen Sie rückwärts in die Gegenwart, und haben einen perfekten Handlungsplan. So denken Spieltheoretiker.

Die Strategie der besten Lösung – die 37-Prozent Regel.
Ein Hotelmanager sucht Materialien für die Ausstattung des Hotels aus. Er lässt sich z. B. Stoffe vorlegen. Der Innenarchitekt hat mehr als 10 verschiedene Mappen verschiedener Hersteller mit mehr als 200 verschiedenen Stoffen. Der Hotelmanager blättert die ersten Bücher durch. Nach einigem Suchen und Vergleichen findet er einen wunderbaren Stoff, der ihm sehr gut gefällt. „Den nehme ich!“ Alle sind zufrieden. Das kennen wir aus unserem Alltag. Sobald wir Lösungen gefunden haben, die wir für gut halten, geben wir die Suche nach noch bessern Lösungen auf. Genau das ist ein strategischer Fehler, meinen Spieltheoretiker. Das Problem dabei ist, wer nach einer optimalen Lösung sucht, und zu lange sucht, hat sehr wahrscheinlich die beste Lösung bereits verworfen. Treffen Sie die Entscheidung jedoch zu früh, bekommen Sie die beste Lösung möglicherweise gar nicht zu Gesicht.
Geoffrey Miller hat dafür eine Lösung gefunden. Er hat die Möglichkeiten nach einem Optimum untersucht und ein statistisches Mittel entdeckt. Das liegt bei 37 Prozent. Er meint: untersuchen Sie 37 Prozent Ihrer Möglichkeiten, und finden darin die beste Lösung. Allerdings hat Geoffrey Miller herausgefunden, dass man nicht aufhören darf zu suchen, wenn man eine Lösung gefunden hat. Er ist überzeugt, dass Sie nun die die restlichen Möglichkeiten solange untersuchen müssen, bis Sie eine noch bessere Lösung gefunden haben. Erst diese Lösung wählen Sie dann. Wenn Sie Pech haben, enthalten die 37 Prozent der untersuchten Möglichkeiten alle schlechten Lösungen. Die Wahl fällt dann zwar nicht auf eine besonders gute Lösung, aber zumindest auf eine Lösung, die besser ist als das untere Drittel. Ein einziges Problem gibt es dabei. Die 37-Prozent-Regel versagt, wenn sich die beste Lösung bereits in den ersten 37 Prozent befindet. Wie aber ist es im ‚wahren’ Leben? Die Wahrscheinlichkeit ist doch, dass wir in den überwiegenden Fällen mit der erstbesten Lösung nicht die beste Lösung bekommen.
Der Volksmund hat das übrigens mit der Regel erkannt: „Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich nicht doch etwas Besseres findet.“ Der Hotelmanager hätte also, nachdem er den richtigen Stoff gemeint hatte gefunden zu haben, noch so lange weitersuchen müssen, bis er einen noch besseren Stoff entdeckt hätte. Den hätte er dann nehmen müssen.

Die Strategie der einfachen Lösung - Die Fliegenfalle, der Umgang mit Komplexität
Jeder liebt die Vielfalt, doch kaum jemand mag die Komplexität. Die einfachste Strategie wählte Alexander der Große, der am Streitwagen der Königs Gordios den Knoten lösen sollte. Ein intellektuelles Problem. Löste er ihn, dann gehörte ihm Phrygien, danach die ganze Welt. 334 vor Christus löste er den Knoten: Schwert zack, hau drauf.
Daraus scheint zu folgen: Wenn die Dinge kompliziert werden, hau drauf. Ich meine mehr den Ansatz, wenn Du zwei Lösungen hast, wähle die einfache Lösung, nicht die komplizierte. Schon Einstein meinte: „Mache die Dinge so einfach wie möglich. Aber nicht einfacher.“
Komplizierte Lösungen sind gefährlich
Experimente haben bewiesen, dass Menschen komplizierten Lösungsvorschlägen mehr vertrauen, als Einfachen. Selbst wenn komplizierte Lösungen nachweislich falsch sind, und einfache Lösungen nachweislich richtig, setzen sich komplizierte Lösungen gleichwohl in der Kommunikation durch. Wir müssen uns davor hüten, Fliegenfallen zu erfinden. Sie kennen bestimmt den Witz von einem Fliegenfallenerfinder. Er erklärt seine Fliegenfalle folgendermaßen: „Ich habe hier eine kleinen Glaskasten. Darin befindet sich eine Treppe. Am Boden vor der Treppe ist eine Rasierklinge aufgestellt, davor befindet sich ein leckeres Fresschen. Nun fangen Sie eine Fliege, setzen sie auf das Ende der Treppe, klappen den Deckel zu, und Sie sehen, wie die Fliege neugierig die Treppe hinunter geht, den Kopfüber die Rasierklinge beugt, und sich über das Fresschen freut und dabei selbst den Kopf abschneidet.“ Der Mitarbeiter des Patentamtes unterbricht: „Wenn Sie die Fliege gefangen haben, dann können Sie sie doch gleich umbringen.“ „Tja“, meint der Fliegenfallenerfinder: „Oder so.“ Seien wir also vorsichtig: eine wichtige Strategie lautet: Einfach schlägt kompliziert!

Die Strategie des Bedingungsdenkens
Eine der interessantesten Möglichkeiten, in Verhandlungen strategisch einwandfrei vorzugehen, kannten schon die alten Griechen und Römer. In der Antike waren noch ein Denken und eine Technik bekannt, die tatsächlich versuchten, Probleme auf optimalem, und nicht auf suboptimalem Niveau zu lösen. Was war das nur für ein Denken, und welche Technik war damit verbunden?
Begründungen versus Bedingungen
Wir denken heute fast immer in Begründungen. Wir suchen unsere Behauptungen abzugrenzen, zu untermauern und zu verteidigen, indem wir begründen, weshalb wir eine Sache für richtig oder für falsch halten, wieso eine Sache machbar ist und wieso nicht. So ist Streit oder allenfalls ein suboptimaler Kompromiss, eine Art Nullsummenspiel vorprogrammiert.
Die strategischen Regeln des Bedingungsdenkens lauten:
• Sind die Bedingungen mit sinnvollem Aufwand erfüllbar, dann wird eine Sache getan.
• Ist der Bedingungskatalog nicht erfüllbar, dann wird von der Sache abgelassen. Und das unabhängig davon, ob eine Lösung für ein Problem einem gefällt oder nicht.
So kann man durchaus zu Verhandlungsergebnissen kommen, die einem überhaupt nicht gefallen, aber genau diese Verhandlungsergebnisse können zu einer optimalen Problemlösung führen.
Das Interessante ist, eine Begründung für oder gegen eine Sache ist immer auch eine Bedingung. Bei einer Bedingung ist es jedoch nicht wesentlich, ob sie für oder gegen eine Sache spricht, sondern nur wichtig, ob sie erfüllbar ist oder nicht. Damit macht das Bedingungsdenken neue Verhandlungsergebnisse möglich. Diese Denkart geht davon aus, dass es eben nicht wesentlich ist, was für oder gegen eine Sache spricht, sondern wesentlich ist, ob der gefundene Katalog an Bedingungen hilft, ein Problem für alle Parteien auf optimalen Niveau zu lösen oder nicht.

Die Strategie der Coopetition
Diese Denkkultur aus der Antike funktioniert besonders gut bei Coopetition. In der Coopetition geht es darum, das Wirtschaftsleben so zu gestalten, dass man zu mehr Kooperation kommt, obwohl man eigentlich im Markt konkurriert.
Bei Coopetition handelt es sich um ein englisches Kunstwort; zusammengesetzt aus cooperation und competition, also Kooperation und Konkurrenz. Der Begriff geht auf den Gründer des Netzwerksoftwareherstellers Novell Raymond Noorda zurück.
Die beiden US-amerikanischen Professoren Adam Brandenburger von der Stern Business School und Barry Nalebuff von der Yale School of Business haben ein vollständiges System der Coopetition entwickelt und in ihrem gleichnamigen Buch veröffentlicht. Es geht dabei um fünf strategische Ansatzpunkte, mit denen man gemeinsam mit Geschäftspartnern und auch Konkurrenten Verhandlungsergebnisse erreichen kann, die immer besser sind, als pures Konkurrenzverhalten.
Die Grundfragen der Coopetition sind:
• Welche Partner sollte man in eine Verhandlung einbeziehen?
• Woran erkennt man den Nutzen des einzelnen Partners?
• Welche Regeln haben welche Auswirkungen?
• Welche Taktiken können Regeln sinnvoll unterstützen?
• Wie sollte man die Verhandlung erweitern oder von anderen Verhandlungen abgrenzen?
Das ist der Denkrahmen, der neue Gestaltungsspielräume eröffnet und oft schädliches Konkurrenzverhalten vermeiden hilft.

Ein Beispiel für Coopetition: der Komplementär
Brandenburger und Nalebuff haben zunächst vorgeschlagen, dass Unternehmen in Komplementen denken müssen, statt sich um die Verteilung von Marktanteilen zu streiten. Ein Komplement ist hier das Produkt eines Wettbewerbers, das das eigene Produkt aufwertet. Komplementäre Produkte ergänzen sich also stets zu gegenseitigem Nutzen. Beispiele dafür gibt es inzwischen zuhauf, negativ wie positiv. Fiat zum Beispiel besaß in den Vereinigten Staaten zuwenig Autowerkstätten. Damit fehlte ein wichtiges Komplement, um sich auf dem amerikanischen Markt zu behaupten. Sony hatte mit Betamax ein hervorragendes Produkt; leider fehlte es an ausleihbaren Videofilmen in diesem Format. In nicht wenigen Städten leidet der Einzelhandel, weil es nicht genügend Parkmöglichkeiten gibt.
Auch im fast banalen Bereich kennen wir Komplemente. Ein Würstchen schmeckt mit Senf halt besser; und Senf ohne Würstchen ist halt weniger attraktiv. Für Digitalkameras ist der Farbdrucker ein echtes Kompliment.
So gibt es Produkte, die gegenseitig Komplemente darstellen, und auch Unternehmen, die Komplemente sein können. Ein positives Beispiel für Komplemente im Unternehmensbereich sind VW und Ford. Beide Konzerne haben gemeinsam ein Fahrzeug entwickelt, das von VW als VW Sharan und von Ford als Ford Galaxy vertrieben wird.
Nicht jeder Wettbewerber ist also automatisch ein Konkurrent. Als Faustregel gilt:
Ein Wettbewerber ist dann ein Komplementär, wenn Ihre Kunden Ihr Produkt dann besser bewerten, wenn sie gleichzeitig das Produkt des Wettbewerbers besitzen. Ein echter Konkurrent ist Ihr Wettbewerb erst dann, wenn Kunden Ihr Produkt nicht mehr haben wollen oder weniger schätzen, sobald sie das Produkt Ihres Wettbewerbs haben. Ein gutes Beispiel dafür sind Coca Cola und Pepsi Cola. Der Geschmack von Pepsi wird nicht besser durch Coca Cola und umgekehrt.
Die strategische Überlegung sollte also lauten:
• Was können meine Kunden kaufen, das den Wert meines Produkts vermindert? Das sind meine echten Konkurrenten.
• Was können meine Kunden kaufen, das den Wert meines Produkts erhöht? Das sind meine Komplementäre.
Allein diese Strategie macht deutlich, dass im Geschäftsleben die Faustregel lauten sollte: „Wenn es um das Backen des Kuchens geht, sind wir Partner. Erst wenn es um das Verteilen des Kuchens geht, sind wir Konkurrenten.

Die Spieltheorie hält noch viele weitere Strategien für Unternehmensentscheidungen parat. Es ist eine nahezu unerschöpfliche Quelle, um klug und überlegt Märkte zu bearbeiten, Unternehmen optimal zu positionieren, die eigene Karriere voranzutreiben, sich noch erfolgreicher zu entwickeln. Wer die Strategien der Spieltheorie nutzt, besitzt einfach mehr Handlungsspielräume.

Ulf D. Posé